CSU-Chef Seehofer auf Reisen:In der Höhle des Bösen

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  • Erstmals nach den herben Verlusten der CSU bei der Europawahl reist Parteichef Seehofer wieder nach Brüssel. Dort findet am Donnerstag der EVP-Gipfel statt.
  • Nur noch fünf CSU-Abgeordnete sitzen im Europaparlament, drei weniger als vor der Wahl im Mai.
  • Dafür ist ein bayerischer Politiker an die Spitze der EVP-Fraktion gewählt worden: Manfred Weber. Er machte sozusagen an Seehofer vorbei Karriere.

Von Mike Szymanski, München

Wie sich die Haltung der CSU verändert hat

Um Brüssel hat Horst Seehofer mehr als anderthalb Jahre lang einen Bogen gemacht. Selbst im Europawahlkampf mied der CSU-Chef das Herz der Europäischen Union. Aber mit Attacken auf die EU sparten deshalb weder er noch seine Parteikollegen. Höhepunkt war der Auftritt von Parteivize Peter Gauweiler beim politischen Aschermittwoch in Passau. Dort schmähte er die EU-Kommission sogar als "Flaschen-Mannschaft". Die Botschaft der CSU im Europa-Wahlkampf war klar: Aus Brüssel kommt nur Blödes.

Oder Böses. Deshalb ist es auch keine Auslandsreise von vielen, wenn Seehofer an diesem Donnerstag nach Brüssel aufbricht. Man könnte es eine Versöhnungstour nennen. Aber Seehofer winkt ab. Zum Versöhnen gebe es da nichts. Am Donnerstag nimmt Seehofer am EVP-Gipfel teil. Es treffen sich die Vorsitzenden der konservativen Parteien. Und dieses Mal ist es Seehofer wichtig, sein Gesicht zu zeigen.

Und bei dieser Gelegenheit wird er auch den Europa-Abgeordneten seiner CSU einen Besuch abstatten. Es sind nur noch fünf. Und das dürfte Seehofer noch einmal deutlich vor Augen führen, dass seine CSU in der Vergangenheit grobe Fehler in der Europapolitik gemacht hatte. Der Anti-Europakurs der Christsozialen hatte die Partei am Wahlabend im Mai in eine Krise gestürzt.

Europawahl
:Seehofer kriegt die Krise

Der Anti-Europa-Kurs zahlte sich nicht aus: Mit nur 40 Prozent erzielt die CSU bei der Europawahl eines ihrer schlechtesten Ergebnisse. Dass ihr Wahlkampf nicht richtig aus den Startlöchern kam, lag auch an der Strategie von Parteichef Seehofer.

Von Mike Szymanski

Gerade einmal 40 Prozent erreichte die CSU. Seehofer litt wie schon lange nicht mehr. Selten hatten er und seine Strategen die Lage so falsch eingeschätzt. Während in der Welt eine Krise nach der anderen aufflammte, schwächte die CSU ein Europa, das eigentlich hätte zusammenstehen müssen. Da wurde es selbst den CSU-Wählern zu bunt. Die Verluste brachten Seehofer in Not, Gauweiler musste sogar fürchten, als Partei-Vize davongejagt zu werden.

Spötteleien vom Kommissionspräsidenten

Beide sind noch da, aber die CSU hat ihren Ton geändert. Auf dem Parteitag am Wochenende bekam sogar der höchste Vertreter der "Flaschen-Mannschaft" das Wort, der neue Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Er hatte leichtes Spiel mit der CSU und nahm sich heraus, die Bayern ein bisschen zu veralbern. Als der Gastredner ans Rednerpult trat, begrüßte er Seehofer als den "Ministerpräsidenten, vor dem ich mich dreifach niederknie". Als die Delegierten darüber zu lachen begannen, schob Juncker nach: "Ja, das mag er." Und in seiner Rede sagte er, dass er überhaupt nicht beabsichtige, sich in der Kommission den Kopf über Duschköpfe und Staubsauger zu zerbrechen. "Das kann die Staatsregierung auch."

Seehofers nimmt die Spitzen hin. "Kumpelhaft" nennt er diesen Umgang. Für Seehofer geht das in Ordnung. Er sieht nun auch den Zeitpunkt gekommen, "den Faden wieder an die Spule zu bringen". Auch dafür stehe die Reise am Donnerstag.

Wer der Neue an der EVP-Spitze ist

So schlimm die Stimmenverluste am Wahlabend für die CSU auch waren - sie hat die Chance für einen Neuanfang bekommen. Ausgerechnet ein CSU-Politiker wurde an die Spitze der EVP-Fraktion gewählt: Manfred Weber. Er bekleidet damit einen der wichtigsten Posten, die in Brüssel zu vergeben sind. Der 42-jährige CSU-Politiker machte sozusagen an Seehofer vorbei Karriere. Der Parteichef hielt nicht viel von dem Niederbayern. So leicht, wie Seehofer seine Positionen verändern kann, kann er auch seine Sympathien neu verteilen. Heute übertreffe Weber alle Erwartungen, schwärmt Seehofer.

Weber nimmt das gelassen. Eine gewisse Genugtuung weiß er zu verstecken. Seinen neuen Einfluss spielt er unaufdringlich in der Partei aus. Seehofers Brüssel-Reise kommentiert er mit den Worten: "Es ist gut, dass er kommt." Seiner CSU, die bislang nicht viel übrig hatte für ihre Europa-Parlamentarier, bescheinigt er, beim Parteitag "über den Tellerrand" hinausgeschaut zu haben. "Das zeigt die Größe der Volkspartei."

CSU-Parteitag in Nürnberg
:Gut drauf! Bärenstark! Bestens in Schuss!

Beim CSU-Parteitag in Nürnberg lobt Parteichef Seehofer sich selbst und seine CSU. Mütterrente, Betreuungsgeld, Schwarze Null - alles hat irgendwie die CSU geschafft. Und Seehofer kündigt gleich das nächste Projekt an, mit dem er die Koalition in Berlin unter Druck setzen will.

Mittlerweile werde die Europapolitik "als Gestaltungsebene" wahrgenommen. "Das ist in der Partei angekommen", sagt Weber. Die CSU-Europagruppe wird mittlerweile von Angelika Niebler angeführt, einer stark vernetzten Oberbayerin, mit der Seehofer gut auskommt. Weber spricht von einem guten Jahr für Europa. Für die CSU war es mit großen Schmerzen verbunden.

© SZ vom 16.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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