CSU-Chef:Der Job, den Söder nicht will

Lesezeit: 3 min

Ministerpräsident wollte Markus Söder werden. Parteichef wäre er nur geworden, um den Rivalen Dobrindt zu verhindern und rasch einigermaßen Ruhe in die Partei zu bringen. (Foto: dpa)

Bayerns Ministerpräsident hätte beinahe den Parteivorsitz übernehmen müssen - und damit den Job, den er auf keinen Fall haben will. Zumindest derzeit nicht.

Von Roman Deininger und Wolfgang Wittl, Nürnberg

Es ist einer dieser Fälle, in denen es gar nicht so sehr darauf ankommt, was einer sagt, sondern was einer nicht sagt. Der bayerische Ministerpräsident steht am Dienstagnachmittag in seiner Heimatstadt Nürnberg bei einer Pressekonferenz, gerade hat sein Kabinett hier getagt. Die Frage an Markus Söder ist, ob er Horst Seehofers Rücktritt vom Rücktritt gut finde. Söder antwortet: "Ich bin froh, dass jetzt sowohl in der Sache als auch in den Personalfragen absolute Klarheit besteht." Was Söder sehr auffällig nicht sagt: Ich bin froh, dass Seehofer weitermacht.

Für einige Stunden am Montag schien die Ära des CSU-Chefs Seehofer beendet zu sein. Söder persönlich hatte ihm den Stecker gezogen, indem er sich für einen Kompromiss im Flüchtlingsstreit mit Merkel aussprach. Niemand in der CSU-Spitze, wohl nicht mal Seehofer selbst, glaubte in diesem Moment an ein Comeback. Erwin Huber, der frühere Parteichef, sprach aus, was alle dachten: Der Abschied Seehofers sei nach seiner verwegenen Rücktrittsdrohung von Sonntag "unausweichlich". Das war auch die Haltung im Hause Söder.

Umfrage
:Seehofer und Söder verlieren an Beliebtheit - auch bei eigenen Anhängern

Der Asylstreit scheint der CSU mehr zu schaden als zu nutzen. Auch CDU und SPD verlieren an Zustimmung.

In diesen Stunden tat sich ein Fenster auf; durch das Fenster sah man die Zukunft der CSU. Es wurde viel gesprochen und telefoniert, die Partei sortierte sich im Eiltempo für die Zeit nach Seehofer.

Söder hatte den CSU-Vorsitz noch im Dezember abgelehnt, am Rande seines Krönungsparteitags als künftiger Ministerpräsident. Seehofer bot ihm damals diskret die ganze Macht an. Söder wollte sie nicht, und schon gar nicht den Berliner Ballast, den sie mit sich bringt. Er wollte sich auf Bayern und die Landtagswahl am 14. Oktober konzentrieren. Aber jetzt, nach der Nacht von München, musste er zugreifen. Um rasch wieder klare Verhältnisse zu schaffen - und um zu verhindern, dass der ehrgeizige Berliner Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sich den Job krallt. Die Partei hätte ihm den Vorsitz auch sicher nicht verweigert. "Das war die logische Wahl", sagt ein CSU-Mann mit Einfluss.

Weitere Personalien zeichneten sich ab: Seehofers Nachfolger als Bundesinnenminister? Joachim Herrmann, der bayerische Innenminister, winkte ab. Ohnehin wollte Söder eine Umbildung seines Kabinetts im Wahlkampf vermeiden. Favorisiert war deshalb: Seehofers Parlamentarischer Staatssekretär Stephan Mayer. Nach der wundersamen Einigung von CDU und CSU waren die Gedankenspiele hinfällig. Söder musste nicht Parteichef werden. Ein Vertrauter sagt: "Er ist froh, dass dieser Kelch an ihm vorübergegangen ist."

Söder hatte in den Tagen vor dem Unions-Showdown wohl gespürt, dass Seehofers harter Kurs nicht verfängt. Er mag als Scharfmacher bekannt sein, aber er hat auch einen scharfen Sinn für Stimmungen. Selbst die sogenannten kleinen Leute, auf die Söder sich gern beruft, empfanden die CSU nicht mehr als kampfesfreudig, sondern als selbstzerstörerisch. Bürgerliche Wähler schätzen Ruhe und Ordnung, beides hat die CSU zuletzt nicht wirklich ausgestrahlt. Söder, hört man, wolle deshalb nun Seriosität und Solidität betonen. Es ist auch für ihn ein durchaus unvermittelter Spurwechsel. Die Zeit bis zur Wahl, glaubt Söder offenbar, müsste reichen, den Schaden durch Seehofers Manöver wettzumachen. Und wenn nicht? Ein Söder-Mann sagt: "Ab heute ist nicht mehr Markus Söder schuld, wenn es schiefgeht."

Am Dienstag in Nürnberg ist der Ministerpräsident spürbar um Normalität bemüht. War da was in Berlin? Am Montagabend war Söder schon aus der Hauptstadt verschwunden, als Seehofer unter Begleitschutz der CSU-Prominenz vor die Mikrofone trat. Es hieß, er habe in Nürnberg die Kabinettssitzung vorzubereiten - so als müsse der Regierungschef persönlich den Frühstückstisch für seine Minister decken. Söder will den Konflikt mit Merkel einfach möglichst schnell abhaken.

Seehofer dürfte das nicht so leichtfallen. Seine Eskalationsstrategie wird trotz des Kompromisses, der am Ende stand, von vielen in der CSU als Fehler gesehen. Die Rücktritts-Nummer? "Das funktioniert genau einmal", sagt einer aus dem Führungszirkel. Andere Stimmen sagen, Seehofer habe wirklich schon mit seiner Karriere "abgeschlossen" gehabt.

Die Theorie, die CSU sei nun innerlich zerrissen, darf als übertrieben gelten. In der Vorstandssitzung am Sonntag waren wohl gut zwei Drittel der Teilnehmer klar für den harten Kurs gegen Merkel; ein Drittel stellte sich inhaltlich zwar auch hinter Seehofers Asylplan, warb aber für einen Kompromiss mit der CDU. Dass Seehofer die Moderaten teils brüsk abkanzelte, hat seinem Ansehen jedoch nicht geholfen.

Für Söder war Seehofer ein Jahrzehnt lang ein Gegner; zuletzt war er vor allem ein nützlicher Platzhalter. Bis 2019 ist Seehofer als Parteichef gewählt, und noch vor wenigen Tagen rechneten die meisten in der CSU damit, er werde das Amt sogar noch zwei weitere Jahre behalten dürfen. Jetzt würde darauf niemand mehr wetten.

© SZ vom 04.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

ExklusivStreit in der Union
:Seehofer: "Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist"

Vor dem Krisengipfel zeigt sich der CSU-Chef im Gespräch mit der SZ tief verletzt. Ohne einen Kompromiss scheint er nicht gewillt, das Amt des Innenministers fortzuführen: "Ich müsste mich verbiegen, das kann ich nicht."

Von Nico Fried, Berlin, und Wolfgang Wittl

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: