CSU:Soll der CSU-Chef gleichzeitig Ministerpräsident sein?

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Die Kombination aus Alfons Goppel als Ministerpräsident und Franz Josef Strauß, in Bonn tätig, gilt in der CSU als Beispiel für die gute alte Zeit. (Foto: SZ-Photo)
  • Diskussionen über die Führung der Partei begleiten die CSU seit Jahrzehnten.
  • Im Zentrum steht die Frage: Stellt die Partei den Ministerpräsidenten, soll dieser dann auch Parteichef sein? Oder verteilt man die Ämter auf zwei Personen? Zwei Personen sprechen mehr Wähler an, eine einzige hat mehr Autorität in Berlin.
  • Ehemalige Parteigrößen wie Edmund Stoiber oder Theo Waigel sagen: Es gibt keine Patentlösung.

Von Wolfgang Wittl, München

Es war ein bezeichnend ehrlicher Satz, den Theo Waigel am 18. Januar 1999 sprach. "Jetzt hast du eine Schwierigkeit weniger", sagte der scheidende CSU-Chef zu seinem frisch gewählten Nachfolger Edmund Stoiber: "Jetzt musst du dich nur noch mit dir selber abstimmen." Es begann eine Ära der Machtfülle, wie sie vor Stoiber nur Franz Josef Strauß innehatte. Und jetzt Horst Seehofer.

Parteivorsitzender und Ministerpräsident, mehr Durchschlagskraft geht nicht in der CSU. Doch ausgerechnet Seehofer will diese Macht nun aufteilen. Er fordert, der CSU-Chef - wer auch immer das dann sei - müsse spätestens 2017 in Berlin sitzen. Damit hat er seine Partei aufgescheucht wie lange nicht. Die Grundsatzfrage, ob der CSU-Chef gleichzeitig Ministerpräsident sein darf oder muss, gehört zwar zur CSU wie ein Knödel zum Schweinebraten. Doch selten kaute sie so intensiv darauf herum wie im Moment.

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Ein Blick in die Parteigeschichte zeigt erstens: Die Zeit, in der beide Ämter getrennt waren, ist etwas länger als die, in denen sie vereint waren. Zweitens folgte auf eine starke Figur stets ein Zweiergespann, das sich die Macht teilte. Auch Erwin Huber war Teil eines solchen Tandems, wenn auch kurz. Ein Jahr stand er als Parteichef gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten Günther Beckstein auf der Kommandobrücke, dann spülte die Landtagswahl 2008 beide von Bord. Es gebe "kein Naturgesetz", was nun besser sei, sagt Huber. Die Entscheidung sei immer von der Situation und den Personen abhängig.

In der jetzigen Phase hat Huber jedoch eine klare Präferenz: Seehofers Plan, die Ämter zu trennen und die CSU breiter aufzustellen, hält Huber strategisch für goldrichtig. Er selbst hat sich bereits vor Seehofer dafür ausgesprochen, zuletzt auch im Parteivorstand. Zu Seehofers Aufgabe in der ihm noch verbleibenden Zeit gehöre es, einen Nachfolger aufzubauen, der auch auf Bundesebene bestehen könne. Seehofer würde dann aber wohl auch erklären müssen, weshalb nicht er selbst nach Berlin wechselt und den Weg in der Staatskanzlei freimacht, etwa für Markus Söder.

Söders Ziel, Seehofer in beiden Ämtern nachzufolgen, könnte die Partei arg strapazieren. Sie hat sich nach einer starken Persönlichkeit nie gleich dem nächsten Alleinherrscher ausgeliefert. Das war nach Franz Josef Strauß so, als Max Streibl und Theo Waigel sich die Macht teilten. Das war nach Stoiber so. Der Vorteil: Mit zwei Personen an der Spitze lassen sich in einer Übergangsphase mehr Wähler erreichen. Der Nachteil: Es fehlt die Durchsetzungskraft für Verhandlungen in Berlin. Waigel teilt Hubers Ansicht: "Es gibt kein Dogma, keine Ideallösung. Es hängt von der Konstellation und den Personen ab."

Wer in der CSU nach der guten, alten Zeit fragt, der landet meist in den Jahren 1962 bis 1978. "Alfons Goppel war ein hervorragender Ministerpräsident, ein Landesvater. Franz Josef Strauß war der Motor der Partei, der große Mann in Bonn", erinnert sich Edmund Stoiber. "Goppel und Strauß, das war eine sehr, sehr gute Phase", sagt Waigel. Das Modell hat auch deshalb funktioniert, weil die Rollen klar verteilt waren. Strauß machte Bundes- und Weltpolitik, Goppel kümmerte sich ums Land. Risse taten sich erst auf, als es Strauß mangels Regierungsperspektive in Bonn nach Bayern zog und Goppel nicht weichen wollte. Strauß setzte sich durch, Parteichef blieb er natürlich trotzdem.

Auch Stoiber führte die Partei von München aus. Er sagt, "ich habe mich immer auch als Bundespolitiker betrachtet". Um diesen bundespolitischen Anspruch untermauern zu können, reift in der CSU jedoch mehr und mehr der Gedanke, der Parteichef müsse in Berlin sitzen - erst recht in schwierigen Koalitionen. Es reiche dann nicht mehr, nur ein paar Tage im Monat Präsenz zu zeigen. Auch Huber wollte nach Berlin wechseln, doch dazu kam es nicht mehr. Waigel und Stoiber hatten jeweils den damaligen Bundestagsabgeordneten Seehofer als Parteichef im Blick. Sogar Stoiber zog es 2005 nach Berlin, er ließ es mit Blick auf die machtbewusste Kanzlerin Angela Merkel dann aber bleiben.

Theo Waigel schien als Bundesfinanzminister und CSU-Chef zunächst unantastbar zu sein, bis Edmund Stoiber nach beiden Ämtern strebte. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Problematisch wird eine Ämtertrennung, wenn die Claims nicht so klar abgesteckt sind wie bei Strauß und Goppel. Das musste Waigel erfahren, der als Bundesfinanzminister und CSU-Chef zunächst unantastbar schien. Doch musste er im Bund Kompromisse mittragen, die in München, wo man stets die reine CSU-Lehre zu verkünden glaubt, auf wenig Gefallen stießen, etwa in der Europapolitik. Als der Ministerpräsident Stoiber nach beiden Ämtern drängte und Waigel nach der verlorenen Wahl 1998 aus der Regierung schied, stand fest: Nun würde sich Waigel den Angriffen aus München nicht mehr aussetzen, es sei denn, er hätte besonderen Spaß, zerrieben zu werden.

Anders als für Huber, Waigel oder nun auch Seehofer steht für Stoiber fest: "Die Partei ist daran gewöhnt, sich einem anzuvertrauen." Einem einzigen. "Aus meiner Erfahrung heraus ist es grundsätzlich die stärkste Formation, wenn der Parteivorsitzende auch Ministerpräsident ist", sagt Stoiber: "Es braucht schon gute Gründe, dass man die Ämter wieder auf zwei Personen verteilt." Ein Grund könnte der Kräfteverschleiß sein. Strauß übte beide Ämter zehn Jahre aus, Stoiber acht Jahre. Seehofer ist bald im neunten Jahr. "Es gibt jetzt eine neue Situation", sagt Stoiber: "Was Horst Seehofer jetzt vorschlägt, ist eine interessante Strategie. Man muss aber die Reibungspunkte bedenken und abwägen."

Bei Strauß dauerte es 17 Jahre, bis er als Parteichef auch Ministerpräsident wurde. Wie es auch kommt: So lange wird Markus Söder bestimmt nicht warten wollen.

© SZ vom 22.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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