CSU:Angst, sich selbst zu demontieren

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Horst Seehofer (CSU) wird überschwänglich von der Grünen Claudia Roth begrüßt. (Foto: Silas Stein/dpa)
  • Schon vor dem Ende der Jamaika-Sondierungen hat der Machtkampf um Horst Seehofers Erbe in Bayern einen neuen Höhepunkt erreicht.
  • Wirtschaftsministerin Ilse Aigner brachte nun im Gespräch mit Parteifreunden eine Urwahl des Spitzenkandidaten für die Landtagswahl und sich selber als Bewerberin ins Spiel - und erntete dafür größtenteils scharfen Protest.
  • Die Spaltung der Partei wird von Tag zu Tag tiefer. Was die Neuorientierung nach dem Scheitern der Sondierungen für den CSU-Chef erschweren wird.

Von Wolfgang Wittl

Die CSU blickt stets mit besonderem Interesse nach Baden-Württemberg. Das Nachbarland war der einzig ernst zu nehmende Konkurrent für den Musterbetrieb Bayern: Wirtschaftskraft, Arbeitslosenquote, Bildungsniveau - wenn überhaupt einer der CSU das Wasser reichen konnte, dann die ähnlich unangefochten regierende Südwest-CDU, so sah man das in München.

Auch jetzt ist die Neugier unverändert groß, der Blickwinkel hat sich allerdings verschoben: Nun, da in Schwaben und Baden bereits in zweiter Amtszeit die Grünen regieren, gilt die baden-württembergische CDU als warnendes Beispiel für die gelungene Selbstdemontage einer Staatspartei. Und nicht wenige CSU-Leute wähnen ihre Partei auf dem besten Weg, diesem Beispiel zu folgen. Das Chaos am Wochenende dürfte sie in ihrer Ansicht bestärkt haben.

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Seit dem miesen Abschneiden bei der Bundestagswahl tobt in der CSU ein Machtkampf sondergleichen. Bayerns Finanzminister Markus Söder möchte Horst Seehofer als Ministerpräsidenten ablösen, seine Gegner wollen das verhindern. Den nächsten Akzent in diesem Schauspiel setzte am Wochenende Ilse Aigner, Seehofers Stellvertreterin und Chefin des wichtigsten CSU-Bezirks Oberbayern.

Die Wirtschaftsministerin habe im Gespräch mit Parteifreunden eine Urwahl des Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2018 ins Spiel gebracht - und sich selbst als Bewerberin, berichteten Medien. Aigners Ziel: Die zerstrittene Partei solle auf diese Art wieder geeint werden. Tatsächlich reagierten die verfeindeten Lager der CSU recht einig - allerdings dahingehend, dass sie Aigners Idee einträchtig ablehnen.

Söder äußerte sich zwar nicht persönlich, aber was er denken dürfte, haben seine Getreuen erklärt. Sie verdammten Aigners Pläne mit einer Vehemenz, die den Eindruck erweckt, als fürchte sich der ehrgeizige Franke vor einem Mitgliedervotum. Ludwig Spaenle, Münchner CSU-Chef und Kultusminister, warf Aigner ein "Lehrbeispiel für politisches Leichtmatrosentum" und "durchsichtiges politisches Manöver" vor. Außerdem werde dadurch die Landtagsfraktion brüskiert, sagte Spaenle. Die Fraktion wählt den Ministerpräsidenten, Söder hat hier seine Machtbasis.

Auch der Oberpfälzer CSU-Chef Albert Füracker, Söders Staatssekretär, attackierte Aigner scharf: Sie werfe anderen Egoismus vor, habe sich aber "sehr genau Gedanken gemacht, wie man sich selbst in Position bringt", sagte Füracker der Mittelbayerischen Zeitung. Eine Urwahl habe nur zur Folge, dass die CSU sich über zwei Monate hinweg "zur Belustigung der deutschen Öffentlichkeit" im internen Wahlkampf verliere.

Aus ihren oberbayerischen Reihen bekam Aigner sogar den Vorwurf von parteischädigendem Verhalten zu hören. "Nicht irgendwelche Möchtegerns" könnten Ministerpräsident werden, "sondern nur jemand, der das Zeug dazu hat". Und das sei Söder, befand der Freisinger CSU-Chef und Landtagsabgeordnete Florian Herrmann. Spaenles und Herrmanns Einlassungen hätten "beleidigenden Charakter" und markierten "einen Tiefststand der politischen Debattenkultur in der CSU", teilte daraufhin der frühere Fraktionschef Alois Glück mit. Auf diesem Niveau habe die CSU "nicht den Hauch einer Chance zur absoluten Mehrheit" bei der Landtagswahl.

CSU-Chef Seehofer sagte am Rande der inzwischen an der FDP gescheiterten Jamaika-Sondierungen, er beteilige sich nicht an Personaldiskussionen, "solange wir hier über die historisch wichtige Frage reden, ob eine Regierungsbildung möglich ist". Seehofer dürfe kaum gefallen, dass Aigner ihn offenbar schon abgeschrieben habe, sagten Parteifreunde. Sofort kam deshalb die Frage auf, warum Aigners Vorstoß ausgerechnet vor dem finalen Sondierungs-Wochenende bekannt wurde. Fällt die bis dahin treue Ministerin ihrem Chef nun etwa bewusst in den Rücken?

Eher nicht. Angeblich hat Aigner den Plan mit einem Mitgliedervotum intern bereits vor Längerem geäußert. Dass er just vor diesem sensiblen Wochenende publik wurde, sei kein Zufall. Wollte man Aigner schaden? Oder wurde die Nachricht doch von ihr lanciert? Die CSU erlebt derzeit eine einzigartige Phase des Misstrauens. Vieles ist denkbar, alles wird für möglich gehalten. Und keiner weiß etwas Genaues. Eine Sprecherin Aigners wollte jedenfalls nichts bestätigen, aber auch nichts dementieren - vermutlich um Aigners Machtanspruch aufrechtzuerhalten.

Offensichtlich wird aber einmal mehr: Die Entschlossenheit führender CSU-Politiker, Söders Durchmarsch an die Spitze des Freistaats zu verhindern, bleibt groß. Ob Aigners Vorschlag und ihre Person dafür geeignet sind, wird in der CSU bezweifelt. "Ein Irrweg", kommentierte ein Vorstandsmitglied. In einer Mitgliederbefragung - das Instrument einer bindenden Urwahl ist in der CSU-Satzung nicht vorgesehen - sei Söder kaum zu verhindern.

Erfahrene CSU-Politiker erzählen dieser Tage daher gerne die Geschichte aus Baden-Württemberg. Die CDU habe damals einen in der Bevölkerung beliebten, in der Partei aber umstrittenen Ministerpräsidenten gehabt. Nach 14 Jahren im Amt musste Erwin Teufel seinen Stuhl dann räumen - zugunsten seines von ihm unerwünschten Nachfolgers Günther Oettinger. Der hatte sich gegen Teufels Favoritin Annette Schavan in einer Urwahl durchgesetzt. Manch einer sieht darin bis heute den Anfang vom Niedergang einer Staatspartei.

© SZ vom 20.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Text: Roman Deininger und Wolfgang Wittl; Illustrationen: Katharina Bitzl

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