CSU-Abgeordneter Imhof:"Politischen Sitten verrohen"

Der CSU-Abgeordnete Hermann Imhof über eine Verrohung der politischen Sitten und vor welchen Fehlern sich Seehofer hüten sollte.

K. Auer

Die Niederlage bei der Landtagswahl hat die CSU in ihren Grundfesten erschüttert. Erwin Huber und Günther Beckstein mussten ihre Ämter abgeben, die Gräben zwischen Altbayern und Franken brachen wieder auf. Der Nürnberger CSU-Abgeordnete Hermann Imhof, 55, fordert einen neuen Umgangston in der CSU.

CSU Landesleitung München, seyboldtpress

CSU-Parteizentrale in der Nymphenburger Straße in München.

(Foto: Foto: seyboldtpress)

SZ: Die CSU hat einen neuen starken Mann und bald auch einen Koalitionspartner. Hat die Partei die 43,4 Prozent schon verdaut?

Hermann Imhof: Ich bin absolut sicher, dass wir die schwierige Situation, in der sich Partei und Fraktion befinden, nur mit einer gründlichen Wahlanalyse bewältigen können. Da geht es zum einen um die Klärung inhaltlicher Fragen. Vor allem aber brauchen wir den Mut und die Bereitschaft, tiefer zu schürfen, um Fehlentwicklungen in der politischen Kultur entgegenzusteuern.

SZ: Was entwickelt sich denn falsch?

Imhof: Das beginnt beim Umgang miteinander und setzt sich fort in der sozialen Kompetenz der Mandatsträger. Die Einbindung des eigenständig denkenden kritischen Bürgers auf Augenhöhe ist zu wenig ausgeprägt. Wenn ich an die Begleiterscheinungen denke, die zum Rücktritt von Günther Beckstein geführt haben, sehe ich mit Sorge sogar eine Verrohung der politischen Sitten auf dem Vormarsch.

SZ: Verrohung?

Imhof: Ja, manche Dinge kann man - vornehm ausgedrückt - nur als stillos bezeichnen. Ich denke auch an das illoyale Verhalten einiger Kabinettsmitglieder. Dass das in anderen Parteien ähnlich geschieht, ist kein Argument.

Für uns als CSU ist das christliche Menschenbild Maßstab und die Menschen sehen genau hin, ob wir diesem Anspruch im Handeln gerecht werden. Wenn wir Werte wie Aufrichtigkeit, Fairness, Rücksichtnahme gesellschaftlich verankern wollen, dürfen wir uns nicht gegensätzlich verhalten. Sonst verlieren wir Vertrauen.

SZ: Aber hätte Beckstein nach einer solchen Wahlniederlage im Amt bleiben können?

Imhof: Günther Beckstein besitzt über Parteigrenzen hinweg bei den Leuten hohe Glaubwürdigkeit und Vertrauen. In den Begegnungen mit den Bürgern erlebe ich nach wie vor großes Unverständnis, ja Empörung, über das Vorgehen gegen Beckstein. Man fühlt sich getäuscht! Parteiaustritte sind die Folge. Die Wahlniederlage wird nicht in erster Linie Beckstein zugeschrieben.

SZ: Herr Imhof, Sie sind Franke. Steckt dahinter nicht nur der alte Franken-Altbayern-Konflikt?

Imhof: Das ist zu einfach. Natürlich gab und gibt es Konflikte, zumal viele Bürger in Franken die Vermutung äußern, Beckstein sei von Beginn seiner Amtszeit an nicht wirklich akzeptiert und im Wahlkampf nur unzureichend unterstützt worden. Dieser Ärger ist massiv, zumal die Franken bisher - weg vom regionalen Denken - stets die Spitzenkandidaten Oberbayerns mitgetragen haben. Jeder in der Fraktion ist nun gefordert, nicht weiter zu spalten, sondern muss verantwortlich zu einer Versöhnung beitragen. Doch es wird noch eine Zeit dauern, bis die Wunden heilen.

SZ: Was muss Horst Seehofer dazu beitragen?

Imhof: Horst Seehofer darf unter keinen Umständen einen Führungsstil des Brachialen von oben herab führen, er muss integrieren. Das sieht er auch so und es freut mich, dass er das in den ersten Tagen zeigt. Und er braucht Mut bei der Auswahl seines Kabinetts. Natürlich ist es nötig, jüngeren Menschen und Frauen eine Chance zu geben und die Regionen zu berücksichtigen. Das darf aber nicht ausschlaggebend sein.

SZ: Was ist denn ausschlaggebend?

Imhof: Voraussetzungen müssen in erster Linie Qualität, also neben der Fachkompetenz soziale Kompetenzen, Führungserfahrung und die Akzeptanz in der Bevölkerung sein. Lebensreife und persönliches Format müssen bei der Auswahl von Mandatsträgern stärkeres Gewicht erhalten. Dass jemand weiterkommen möchte, ist verständlich.

Wenn diese Frage allerdings zu sehr im Vordergrund steht, blockiert sie das Gehirn und eine Menge Energie für die eigentliche Aufgabe, den Dienst am Menschen, geht verloren. Die Fähigkeit zu kritischer Selbstreflexion und innere Unabhängigkeit gehört sicher auch zu den wichtigen Eigenschaften, genauso wie echte Solidarität. Ich erinnere mich noch an die (Schein-)Geschlossenheit von Kreuth.

SZ: In Kreuth wurde damals Edmund Stoiber zum Rücktritt gedrängt. Hat er sich jetzt an Beckstein gerächt?

Imhof: Es ist verständlich, dass ihn das Wahlergebnis schmerzte. Und seine Verdienste sind unbestreitbar. Aber jemand, der noch keine innere Distanz hat, dem das Herz noch blutet, der muss sich größte Zurückhaltung auferlegen, darf sich nicht einmischen oder gar Moderator sein wollen. Und man muss ganz ehrlich sagen: Die Wahlniederlage ist die Konsequenz der Legislaturperiode von 2003 bis 2008 und beginnt nicht erst mit dem Amtsantritt Becksteins.

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