Chorausflug auf die harte Tour:Elektroschocker, Pistolen, Fesseln

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Ein Chorausflug endete in einem Fiasko: Was eine Reisegruppe aus dem niederbayerischen Mitterskirchen und ihr Busfahrer in Tschechien erlebten - und das alles wegen eines falsch geparkten Busses.

Wolfgang Wittl

Obwohl sich der Ausflug langsam dem Ende näherte, war die Gesellschaft aus Mitterskirchen (Landkreis Rottal-Inn) prächtiger Laune, zumindest im hinteren Teil des Busses. Ein Teil der Reisegruppe schmetterte - wie es sich für einen guten Chor gehört - ein paar fröhliche Lieder. Andere dachten vielleicht an die Wanderung am schönen Moldau-Stausee zurück. Nur beim Fahrer wuchs die Anspannung, erst recht, als er sah, was da hinter seinem Fahrzeug aufkreuzte: ein tschechisches Polizeiauto, das ihn zum Halten aufforderte.

Zwei Stunden soll ein Busfahrer gefesselt unter einem Baum verbracht haben, eine Teilnehmerin der Reisegruppe hat Fotos von der rabiaten Polizeikontrolle gemacht. (Foto: o. H.)

Was folgen sollte, übertraf allerdings auch die schlimmsten Befürchtungen des Mannes: gezückte Waffen, das Eingreifen eines Sonderkommandos, Einsatz von Elektroschockern, Kündigung. Der Ausflug, er endete in einem Fiasko. Und das alles wegen eines falsch geparkten Busses.

Bis zum Sonntagnachmittag war der zweitägige Jahresausflug des Chores Mirjam und der Dorfbühne Mitterskirchen ausgesprochen friedlich verlaufen. Die Teilnehmer besichtigten soeben noch die Stadt Krumau oder besuchten das dortige Rosenfest; von dem, was auf dem Parkplatz geschah, bekamen sie nichts mit.

Nach Erzählungen des Busfahrers soll sich der Konflikt folgendermaßen entzündet haben: Der Mann hatte sein Fahrzeug offenbar auf einem Parkplatz abgestellt, der lediglich städtischen Bussen vorbehalten ist. Als die Polizei ihn zur Zahlung eines Bußgeldes aufforderte - angeblich 2000 Kronen, nicht mal 80 Euro - habe der Fahrer die Strafe in Euro entrichten wollen. Die tschechischen Beamten hätten indes auf Kronen bestanden und einen Umtausch verweigert, berichtete der 44-Jährige in der Passauer Neuen Presse.

Als er abgeführt werden sollte, sei er davongelaufen, um nach seiner Rückkehr festzustellen, dass der Bus nun mit einer Parkkralle versehen war. Weil die Zeit drängte - schließlich habe er die Reisegruppe abholen müssen - habe er die Kralle eigenmächtig entfernt und sei losgefahren. Dass dies ein Fehler war, den er außerordentlich bedaure, sei ihm inzwischen bewusst, sagt der Mann.

"Gezielte Attacke"

Die tschechischen Beamten, die zwar eine Parkkralle, aber keinen Bus mehr vorfanden, machten sich sogleich an die Verfolgung. Nach Darstellung tschechischer Medien habe die Polizei versucht, den Busfahrer zum Anhalten zu bewegen, was der verweigert habe. Im Gegenteil: Der Mann sei unbeeindruckt weitergefahren, bis er wenden wollte und dabei gestoppt wurde.

Danach habe er die Türen verschlossen gehalten und die Beamten sogar mit einer Eisenstange bedroht. Als die Polizei doch Zutritt bekam, habe sich der Fahrer unter den Reisenden versteckt, ehe er nach draußen gebracht und später in Krumau befragt wurde.

Ingrid Jacob und Friedhelm Röhrig, die der Reisegruppe angehörten, haben den Vorgang anders in Erinnerung. Sie sprechen von einer regelrechten Jagd der Polizisten, von einer gezielten Attacke. Der Busfahrer habe nie zu fliehen versucht, vielmehr sei die schmale Straße nicht geeignet gewesen, das Fahrzeug anzuhalten. Nicht einmal die Polizei habe überholen können.

Andere Passagiere bestätigen, dass der 44-Jährige ruhig und korrekt gefahren sei. Sie beschreiben den Mann als freundlich und zuvorkommend. Als er den Bus dann in einer Seitenstraße zum Stehen brachte - eine Brücke blockierte den Weg zur österreichischen Grenze -, hätten die Polizisten sofort die Pistolen gezückt und auf den Fahrer angelegt. Der wiederum habe "in einem Selbstverteidigungsreflex" zu einer Wagenheberstange gegriffen, die ihm zwei Passagiere sofort wieder abgenommen hätten. Auch sie seien von den Beamten mit Waffen bedroht worden.

Mittlerweile waren zwei weitere Polizeifahrzeuge am Bus angekommen. Als die Reisegruppe sich weigerte, den Mann herauszugeben, verständigten die Polizisten ein Einsatzkommando: Das würde den Fahrer schon aus dem Bus holen. Der Mann sei nun völlig in Panik geraten und habe sich in einer Gepäckablage verkrochen, schildert Ingrid Jacob.

Er habe berichtet, wie er im Ausland schon einmal von der Polizei verprügelt worden sei. Friedhelm Röhrig sagt, er habe solche Erfahrungen am eigenen Leib bei Hilfsgüter-Transporten erlebt. Die tschechische Polizei habe zu keiner Zeit deeskalierend wirken, sondern "Machtspielchen" betreiben wollen. Auf Angebote zur Begleichung der Geldbuße etwa sei sie zu keiner Zeit eingegangen, später habe er lachende Polizisten im Auto sitzen sehen.

Die Passagiere versuchten unterdessen, Kontakt zur deutschen Botschaft, zur niederbayerischen Polizei und zum Busunternehmen aufzunehmen. Erst als die Spezialkräfte eintrafen, öffneten sie die Türen - nach zwei Stunden ohne Klimaanlage. Zuvor hätten sie Angst um ihr Leben gehabt, sagt Röhrig. Die Sondereinheit zwängte den Fahrer zu Boden und versetzte ihm Stöße mit einer Elektroschockpistole, als er sich gegen die ruppige Behandlung wehrte.

Busfahrer wird entlassen

Weitere zwei Stunden habe der Mann gefesselt unter einem Baum verbracht. Neben Feuerwehr, Krankenwagen und weiteren Beamten waren nun auch zwei Polizisten aus Österreich eingetroffen. Sie hätten die Information erhalten, der Busfahrer habe Kinder entführt. "Mit einer entfernten Parkkralle hätte die Polizei wohl auch kaum ein Sonderkommando anfordern können", mutmaßt Röhrig.

Etwa sechs Stunden, nachdem die Parkkralle angebracht worden war, setzte sich die Reisegesellschaft wieder in Bewegung - ohne den Busfahrer freilich, der in Krumau einer Befragung unterzogen wurde.

Als er tags darauf in die Heimat zurückkehrte, erfuhr er, dass er entlassen werde. Das Unternehmen wollte keine Stellungnahme abgeben. Dass der Busfahrer die Geldbuße gar nicht zwingend hätte bar bezahlen müssen, sondern sich auch einen Strafzettel zuschicken lassen können, dürfte ihn da kaum noch interessiert haben.

© SZ vom 28.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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