Chlorhühnchen und Rohmilchkäse:Handeln und verhandeln

Kundgebung gegen Freihandelsabkommen TTIP

Das Freihandelsabkommen mit den USA bereitet vielen Bürgern Sorge.

(Foto: dpa)

Die bayerische Debatte um TTIP wird immer schärfer: Stärkt das Abkommen die Wirtschaft oder bedroht es die Bürger?

Von Frank Müller

Ist Bayern ganz besonders stark auf den freien Handel mit Nordamerika angewiesen - oder im Gegenteil besonders bedroht? Im Freistaat wird die Debatte um das geplante Freihandelsabkommen TTIP immer hitziger. Es soll Handelsbarrieren und Zölle zwischen den USA und der EU abbauen: Dafür legen sich neben der Wirtschaft auch die Staatsregierung und die CSU (trotz einiger kritischer Stimmen intern) klar fest. Die Opposition dagegen hat Bedenken, vor allem, was den Schutz der sozialen und ökologischen Standards in Bayern betrifft.

Die Staatsregierung stellte sich am Dienstag deutlich hinter TTIP - vor allem aus wirtschaftlichen Gründen. Bayern mit seiner Exportquote von 51 Prozent profitiere besonders stark von Erleichterungen im Außenhandel, sagte Wirtschaftsministerin Ilse Aigner. Europaministerin Beate Merk sagte, es gehe auch darum, die westlichen Werte im Welthandel durch eine kraftvolle Allianz zwischen USA und EU zu stärken. Laut Merk zeigte sich das Kabinett auch offen für den Vorstoß, mit dem SPD-Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel die besonders umstrittenen TTIP-Schiedsgerichte aushebeln will. Gabriel hatte vorgeschlagen, diese wenig transparenten Gremien, die Konflikte zwischen Konzernen und Regierungen in Streitigkeiten um Schadenersatz lösen sollen, durch einen öffentlich tagenden Handelsgerichtshof zu ersetzen. Das gehe in die richtige Richtung, sagte Merk.

"Ja zu TTIP mit den richtigen Inhalten", hatte zuvor schon Ministerpräsident Horst Seehofer bei einer Veranstaltung der bayerischen Wirtschaft (vbw) als Parole ausgegeben. "Vom Grundsatz her" brauche Bayern das Abkommen. Das gelte gerade für den Mittelstand, sagte der wiedergewählte Verbandspräsident Alfred Gaffal. Dieser profitiere besonders von niedrigeren Kosten und weniger Bürokratie im wichtigen Handel mit den USA. Der mache immerhin zwölf Prozent der bayerischen Exporte aus. Gaffal warnte vor einer "Wellness-Demokratie", in der nur die "Bequemen und Bedenkenträger" den Ton angäben. Die guten aktuellen Wirtschaftsdaten seien ohnehin kein Verdienst der Wirtschaftspolitik, sondern Resultat von niedrigen Energiepreisen und Zinsen.

Die Opposition äußerte dagegen Kritik am TTIP-Verhandlungsstand. Die Bürger hätten ernst zu nehmende Sorgen vor dem Abkommen, sagte SPD-Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher. Es dürfe nicht zu Verschlechterungen im Freistaat kommen. "Unsere Arbeitnehmerrechte, den Schutz von Umwelt, Verbrauchern und Tieren werden wir nicht zur Disposition stellen." Dahinter steht die Sorge, dass mit TTIP weniger strenge amerikanische Regelungen Einzug halten könnten. DGB-Chef Matthias Jena warnte vor einem "marktradikalen Handel". Rinderspacher verlangte auch klarere Informationen durch "Transparenzveranstaltungen in allen sieben bayerischen Regierungsbezirken". Grünen-Wirtschaftssprecher Thomas Mütze sagte, es drohten vor allem die leichtere Zulassung von Gentechnik sowie der "Niedergang der bayerischen Landwirtschaft durch Billigimporte aus den USA".

Die Freien Wähler haben ähnliche Bedenken. Auch die Staatsregierung zurrte in einer Liste Punkte fest, die durch TTIP nicht bedroht werden dürften. Dazu zählen der Ist-Stand bei Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutz. Bayerische Lebensmittel müssten mit ihrer Herkunftsbezeichnung auch in den USA umfassend geschützt werden. Merk sagte aber, Sorgen um Nahrungsmittel gebe es auf beiden Seiten des Atlantiks: "Wo wir Angst haben vor Chlorhühnchen, haben die Amerikaner Angst vor Rohmilchkäse."

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