Chiemsee Reggae Festival:Reggae und Rindviecher

Seit vielen Jahren gilt das Chiemsee Reggae Festival als beliebtes Event für Musikfans. Doch wie viel Müll müssen die Anwohner hinnehmen? Eine Gerichtsverhandlung um diese Frage gerät zum Possenspiel.

Heiner Effern

Die wummernden Beats der Reggae-Größen sollen manchen Festival-Besucher so locker in den Hüften gemacht haben, dass er beim anschließenden Weg über die benachbarte Weide die Kuh bei den Hörnern packen und sich auf ihren Rücken schwingen wollte, um eine Runde zu drehen.

Chiemsee Reggae Summer 2011

Bis zu 30000 Musikfans werden auch heuer das Reggae-Festival in Übersee am Chiemsee besuchen. Dabei hinterlassen sie einiges an Müll.

(Foto: dapd)

Auch sollen beseelte Musikfans einen Zaun niedergetreten haben, sodass die Rindviecher um ein Haar entflohen wären. Das eigentliche Problem sind aber die Glasflaschen, Dosen oder Plastikgefäße, die auf den Wiesen neben dem Reggae-Festival in Übersee am Chiemsee landen. Und die im schlimmsten Fall dann als kleingemähte Einzelteile im Futter die Tiere schädigen könnten. Zwei benachbarte Bauern forderten deshalb nun am Verwaltungsgericht in München von der Gemeinde als Genehmigungsbehörde, sie besser gegen die Auswirkungen des Festivals zu schützen.

Der Vorsitzende Richter Josef Nuber formulierte die entscheidende Frage so: Wie viel müssen Anwohner eines Großereignisses an Beeinträchtigungen ihres Eigentums hinnehmen? Klingt nach einem streng juristischen Problem, das die beiden Landwirte, der Überseer Bürgermeister Marc Nitschke und Organisator Martin Altmann samt ihren Anwälten klären sollten.

Doch nach wenigen Stunden Verhandlung wimmelte es im Saal nur so vor Lügen, Drohungen und Unterstellungen, jedenfalls wenn es nach der jeweils gegnerischen Seite ging. Die Anwälte trugen nicht etwa zu Beruhigung bei, sondern übten sich in Hahnenkämpfen. "Sie gehören alle in einen Topf", bescheinigte Richter Nuber den Anwesenden. Er outete sich in der Folge zwar als Anhänger der Serie Königlich Bayerisches Amtsgericht, drohte aber voller Verzweiflung damit, sich in Richter Adam zu verwandeln, den wenig humorvollen Protagonisten aus Kleists Drama "Der zerbrochene Krug".

Wenige Anwohnerbeschwerden

Eigentlich gehe es doch darum, die Wiesen des einen Landwirts an neuralgischen Punkten mit einem Bauzaun zu schützen und dem anderen vier statt zwei Security-Leute zuzugestehen, fasste der Richter seine Sicht der Dinge zusammen. Denn wenn der Müll des Festivals ihre landwirtschaftliche Nutzung unmöglich mache, sehe er die Grenze des Zumutbaren überschritten.

Nein, so sei das nicht, sagt Organisator Altmann, es gehe ums Prinzip. "Dann kommen alle anderen auch und wollen etwas ", sagt er. "Irgendwann ist dann das Festival nicht mehr durchführbar." Er könne nicht jede Wiese in der Nachbarschaft umzäunen oder Security-Leute draufstellen. "Dann können wir aufhören."

Ganz so drastisch wird es wohl nicht kommen, die persönlichen Animositäten werden wohl rechtzeitig überwunden sein, um die 18. Ausgabe des Chiemsee-Reggae und des 2008 gegründeten Anhängsels Chiemsee-Rock vom 22. bis 26. August nicht zu gefährden. Das Polizeipräsidium Oberbayern Süd bekam nach Auskunft eines Sprechers in den vergangenen Jahren schließlich nur wenige Beschwerden von Anwohnern.

Er bescheinigte dem Chiemsee-Reggae, ein gut organisiertes, "überwiegend friedliches Festival" zu sein. Was nicht für die Parteien vor dem Gericht galt: Da sie sich trotz dringender Bitte des Richters nicht einigen konnten, kündigte er am Nachmittag an, den "Pipifax" fortzusetzen. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe war der Prozess noch nicht beendet.

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