Bayern-Diplom:Depperltest für Möchtegern-Bayern

Gamsbart und Lederhose

Gamsbart und Lederhose - das Bild vom Vorzeigebayern ist oft sehr klischeebelastet.

(Foto: Johannes Simon/Getty Images)

In fünf Fragen zum waschechten Bayern? Eine Tourismusgesellschaft wirbt im Internet mit einem Bayern-Diplom. Das Prädikat ist allerdings noch leichter zu erlangen als das legendäre Jodeldiplom à la Loriot.

Von Hans Kratzer

Das südliche Bayern rangiert auf der Hitliste der globalen Klischees ganz weit oben. Schuld daran ist die Tourismusbranche, die ein Bayernbild pflegt, in dem lederbehoste Burschen am Fuße der Alpen schon zum Frühstück zwei Maß Bier saufen, bevor sie zum Wildern auf die Berge klettern, um danach im Biergarten zu raufen und sich beim Fensterln zu entspannen. Dieser von Heimatfilmen, Urlaubsbroschüren und TV-Krimis seit Jahrzehnten verbreitete Monsterkitsch hält sich so hartnäckig, weil er für die Vermarktung des Landes extrem nützlich ist. Das Bayernbild, das viele Menschen im Kopf haben, ist nichts anderes als eine Erfindung zur Förderung des Tourismus.

Den neuesten Coup in diesem Spiel hat soeben die Chiemsee-Alpenland Tourismus GmbH gelandet. Vor wenigen Tagen hat sie im Internet eine Seite aktiviert, auf der man ein sogenanntes Bayern-Diplom erwerben kann. Der Besucher merkt sehr schnell, dass dieses Diplom wesentlich einfacher zu erlangen ist als beispielsweise das Jodeldiplom à la Loriot. Man könnte den Erwerb des Bayern-Diploms ruhig auch einen Depperltest nennen, denn spätestens nach einer simplen Internetrecherche sind alle Fragen locker zu beantworten.

Kein Wunder also, dass sich schon am ersten Tag Hunderte Teilnehmer für das Sommersemester eingeschrieben haben. Bis zum September müssen sie monatlich fünf Bamperlfragen beantworten, zum Beispiel, was das Bayerische Meer ist (Biersee, Chiemsee oder Schwarzes Meer?) oder was man unter Oarscheim versteht (Osterspiel mit Eiern, eine Uhr oder eine Uhrhälfte?). Die Fragen werden auf der Internetseite www.bayern-diplom.com jeweils am Anfang des Monats freigeschaltet.

Wer mindestens fünf der 30 Fragen richtig beantwortet, dem winken neben einigen Hauptgewinnen (einwöchige Urlaube, Fahrrad mit weiß-blauer Sonderlackierung) insgesamt zwölf Praktikumsplätze. Das sind Segelausflüge auf dem Bayerischen Meer, Käsen auf der Alm oder ein bayerischer Tanzkurs. Angesichts solcher Verlockungen haben sich schon Bayern-Diplomanden aus Österreich, der Schweiz, Luxemburg und sogar aus Brasilien und den USA eingeschrieben, wie der Chiemsee-Alpenland Tourismusverband soeben stolz mitgeteilt hat.

Ungeachtet dieser Euphorie belegt die Bayern-Diplom-Kampagne, dass es in keiner anderen Region in Deutschland ein derart typisiertes Bild der Menschen und ihrer Mentalität gibt wie in Oberbayern. "Der Zoo im Süden mit diesem haferlbeschuhten, goaßlschnalzenden, immer brünftig-griabigen, jodelnden, wild umanander bieselnden Naturvolk ist halt auch gar zu schön", umschrieb einst der Kabarettist Bruno Jonas dieses Stereotyp, das die halbe Welt verinnerlicht zu haben scheint. Und weil die Bilder, Lieder und Tänze der Alpenwelt schon im 19. Jahrhundert so schön waren, dass sie bei den zugereisten Sommerfrischlern Schenkelklopfen sowie euphorische Juchzer weckten, entdeckten die Gebirgler den Fremdenverkehr als einträgliches Geschäft. Bald tobte der Bayernrummel weltweit.

Das Schlierseer Bauerntheater gab bis zum Jahre 1910 gut 5000 Gastspiele in aller Welt und prägte das heile Bayernbild und den Folklorismus nachhaltig, jedoch um den Preis, dass damit auch die Sepplklischees vom dummen und kracherten Bayernvolk verbreitet wurden. Auch die volkstümliche Unterhaltung hat das alles weitertransportiert. Die Tourismuswerbung bedient sich bis heute dieser von weiß-blauem Himmel, putzigen Trachtlern und Blasmusik gesättigten Bilder.

Der Landesverein für Heimatpflege ist alles andere als glücklich über diese angegraute Vermarktungsstrategie, die das Bild vom urigen und im Gestern verharrenden Bayernvolk ständig weitertransportiert. Martin Wölzmüller, der Geschäftsführer des Landesvereins, bemängelt an Aktionen wie dem Bayern-Diplom, dass keine Idee dahinterstecke. Hier geht es nur um die schnellste Art, Leute anzusprechen. Zwei Minuten Interaktion, das war's. Nachdenken, sich etwas erarbeiten, das ist nicht gefragt. Es hat nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Bayern schaut eben nicht so aus, wie es die Hochglanzbilder der Touristiker zeichnen. Selbst oberbayerische Kerngebiete können Zersiedelung und Landschaftsverschandelung durch Gewerbegebiete und Wischiwaschi-Architektur nicht mehr überdecken.

Schon werden künstliche Welten geplant, um das Bedürfnis nach touristischer Vermarktung zu befriedigen. Vor den Toren von Füssen sollte ein Allgäuer Dorf mit Hotels, Gastronomie und Verkaufs- und Werkstätten uriges Lebensgefühl widerspiegeln. Dieses Allgäu-Disneyland scheiterte zwar in letzter Sekunde, gab aber einen Vorgeschmack auf mögliche Entwicklungen im Freistaat, dessen Bild auch TV-Serien wie die Rosenheim Cops prägen. Wer das Bayern-Diplom erwerben will, muss übrigens wissen, welches Haus in Rosenheim als Polizeistation der Cops dient.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: