Chiemgau:Die Priener wollen keine neue Jugendherberge

Deutsches Jugendherbergswerk

Der Landesverband des Deutschen Jugendherbergswerks hat versucht, die Priener in einer Diskussionsveranstaltung zu überzeugen.

(Foto: dpa)
  • Das Deutsche Jugendherbergswerk will in Prien eine neue Unterkunft bauen.
  • Sie soll 200 Betten haben, einen Umwelt-Schwerpunkt, ein Biotop und ein begrüntes Dach.
  • Die Gemeinde will den Bau, aber die Nachbarn sind dagegen - sie wollen ihre Wiese behalten.

Von Matthias Köpf, Prien am Chiemsee

Ein Gebirge solle da entstehen, sagt der Mann, der auf dem Fußweg von der Siedlung Richtung See seine Abendrunde mit dem Hund dreht. An einem Zaun ist mit Kabelbindern ein Plakatständer festgemacht, das Bild zeigt die gleiche leere Wiese wie ein Blick den Weg entlang. "Wir lassen nicht locker", steht auf dem Plakat.

Denn das Deutsche Jugendherbergswerk will hier in Prien seine neueste Unterkunft bauen, mit 200 Betten, Umwelt-Schwerpunkt, Biotop und begrüntem Dach. Doch viele Priener wollen lieber bei der leeren Wiese bleiben. Sie unternehmen deswegen schon den zweiten Anlauf für ein Bürgerbegehren.

Niemand habe etwas gegen eine Jugendherberge, ganz im Gegenteil, betont Christoph Bach, einer der Kritiker. Bach ist Sprecher der vier "Bürger für Prien" im Gemeinderat, einer 1990 gegründeten lokalen Umweltliste. Auch er und seine Mitstreiter glauben, dass eine neue Jugendherberge junge Menschen an den Chiemsee bringen wird, die hier für vergleichsweise wenig Geld unbeschwerte und lehrreiche Tage verbringen können und vielleicht irgendwann als zahlungskräftigere Gäste wiederkommen.

Und von solchen Gästen, von den Patienten der vielen Kliniken und von den Tagesausflüglern zu den Inseln lebt die Marktgemeinde am Chiemsee, die vom Trend zum sicheren Urlaub in Bayern profitiert und gerade wieder steigende Übernachtungszahlen gemeldet hat. Gegen all das haben die Nachbarn im seenahen Ortsteil Stock und die "Bürger für Prien" nichts einzuwenden, nur der Standort für die neue Jugendherberge ist aus ihrer Sicht der falsche: "Der Preis zulasten unserer wertvollen Landschaft ist viel zu hoch."

Was die Gegner "Pferdeweide" nennen, weil dort eben meistens zwei Pferde weiden, ist für Bürgermeister Jürgen Seifert "intensiv genutztes landwirtschaftliches Gebiet". Schon das begrünte Dach der neuen Herberge werde ökologisch viel wertvoller als die jetzige Wiese. Rein planungsrechtlich haben die Gemeinderäte diese und die angrenzenden Flächen schon 2006 zum "Sondergebiet Kur und Tourismus" gemacht, auf dass sich Prien dort entsprechend entwickle.

Aus der Chiemsee-Schutzverordnung, die den Landschaftsschutz rund um den See regelt, wurden die Flächen schon einige Jahre zuvor herausgenommen. Der See selbst ist von dort aus nicht zu sehen. Bis zum Ufer sind es fast 400 Meter, dazwischen liegen Wohnhäuser, Hotels, eine Klinik und das örtliche Spaßbad. Im Süden begrenzen ein Großparkplatz der Chiemseeschifffahrt und weitere Kliniken und Hotels das Areal, im Westen liegt eine Wohnsiedlung, die über die Jahre um die bisherige Jugendherberge herumgewachsen ist.

"Diese Chance kann sich die Gemeinde nicht nehmen lassen"

Dieses in den 1960er-Jahren gebaute Haus liegt nur einen Steinwurf entfernt und stand anfangs allein auf freier Flur. Es musste 2013 wegen schwerer Mängel beim Brandschutz praktisch über Nacht schließen. Seither ist das Haus mit den einst 130 Betten ungenutzt, die Wege über das Gelände sind vom Herbstlaub verschüttet.

Die für einen wirtschaftlichen Betrieb notwendigen 200 Betten brächte man auf diesem Grundstück vielleicht noch unter, sogar in kleineren Zimmern mit eigenen Nasszellen, wie sie längst auch von Jugendherbergen verlangt werden, sagt Winfried Nesensohn. Für all die Außenanlagen, Biotope und Experimentierräume, die das 13-Millionen-Projekt zur "innovativsten Umwelt-Jugendherberge" des Landes machen würden, wäre es aber wohl zu eng.

Konflikte mit den Nachbarn seien abzusehen. Nesensohn ist Vorstand im Landesverband des Deutschen Jugendherbergswerks und hat vor einigen Tagen versucht, die Priener in einer Diskussionsveranstaltung von dem Vorhaben zu überzeugen. Aus seiner Sicht ist ihm das gelungen, und bei den meisten Gemeinderäten rennt er sowieso offene Türen ein. "Diese Chance kann sich die Gemeinde nicht nehmen lassen", sagt der Bürgermeister, der sich lange vergeblich um einen passenden Bauplatz bemüht hat.

Einmal sei man schon fast beim Notar gewesen, als sich die Preisvorstellungen der Eigentümer zu sehr nach oben verändert hätten. Mit den Eigentümern des jetzigen Grundstücks, einer Erbengemeinschaft, gibt es einen Vorvertrag.

Doch wenn es nach den Kritikern geht, wird es beim Vorvertrag bleiben. Sie hatten schon 1400 Unterschriften gegen das Vorhaben gesammelt, 800 wären nötig gewesen, um einen Bürgerentscheid herbeizuführen. Doch der Gemeinderat hat dem Entscheid die Zulassung verweigert, weil in der Begründung der Initiative vier falsche Angaben enthalten gewesen seien. Die Bürger sollten hinters Licht geführt werden, sagt der Bürgermeister.

Christoph Bach sieht das anders, aber kleinere Fehler räumt er ein. Diese Details seien jedoch für den Kern des Anliegens, nämlich Bürgerbeteiligung, Landschaftsschutz und sparsamer Umgang mit Flächen, unerheblich gewesen. Deshalb erwäge man nun eine Klage gegen die Nicht-Zulassung. Zugleich hat die Unterschriftensammlung für einen neuen Anlauf begonnen.

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