Mobilität:Wie Pendeln die Gesundheit gefährdet

Lesezeit: 2 min

Die Gesundheitsrisiken durch Pendeln werden häufig unterschätzt. (Foto: dpa)

Hoher Blutdruck, Übergewicht oder Angstzustände: Der Mediziner Steffen Häfner therapiert Berufspendler und weiß, wann der lange Weg zur Arbeit bedenklich wird.

Interview von Theresa Krinninger

Steffen Häfner ist Chefarzt an der deutschen Klinik für integrative Medizin und Naturheilverfahren im sächsischen Bad Elster. Er therapiert Burnout-Patienten aus Nordbayern und dem Münchner Raum, darunter viele Berufspendler.

SZ: Herr Häfner, ab wann gefährdet Pendeln die Gesundheit?

Steffen Häfner: Wenn man täglich mehr als 90 Minuten hin und zurück unterwegs ist. Das ist der Schwellenwert, ab dem auf Dauer eine Gefährdung der Gesundheit möglich ist.

Steffen Häfner pendelt selbst am Wochenende 400 Kilometer zu seiner Familie nach Stuttgart. Sein Rezept: Er plant die Fahrzeiten und wählt Strecken ohne großes Staurisiko. (Foto: oh)

Gibt es genügend Studien, die Gesundheitsrisiken durch Pendeln belegen?

In Deutschland gibt es dazu sehr wenig. Man muss sich in der internationalen Literatur umsehen, etwa aus Skandinavien, den USA und Australien. Die Ergebnisse sind nicht komplett übertragbar, aber sie geben Hinweise. Die Forschungsgeldgeber hierzulande hat das Thema lange nicht interessiert.

Macht Pendeln nun krank?

Es muss nicht, aber es kann. Es ist ein zusätzlicher Stressfaktor, der langfristig zum Risiko wird. Gerade bei labileren Menschen kann es das Fass zum Überlaufen bringen. Bei unseren Rehabilitanden sind immer mehr dabei, die einen weiten Arbeitsweg haben und gar keine Entspannungsphasen mehr haben. Viele packen alles ins Wochenende. So kommen sie gar nicht mehr zur Ruhe. Sie entwickeln dann körperliche und psychische Funktionsstörungen.

Wie wirkt sich dieser Stress genau aus?

Pendler reagieren häufiger mit Blutdruckerhöhungen. Insgesamt ist auch die Konzentration an Stresshormonen im Blut höher. Häufige körperliche Symptome sind Rückenschmerzen im Hals- oder Lendenwirbelbereich sowie Kopfschmerzen. Das trifft besonders die Autofahrer, weil sie am meisten sitzen. Die Bahnfahrer müssen schon mal zur Haltestelle rennen oder können im Zug auf und ab laufen. Außerdem treten bei Pendlern häufig funktionelle Magenbeschwerden auf, weil sie nicht so regelmäßig zum Essen kommen. Oft ist auch das gesamte Essverhalten gestört. Vor allem Autopendler neigen mehr zu Übergewicht.

Und was passiert mit der Psyche?

Menschen haben vielfältige Belastungen. Im Job leiden sie vielleicht unter Mobbing, haben Konflikte in der Familie und zu viel Arbeit. Dann kommt der weite Arbeitsweg noch dazu. Viele entwickeln dann Depressionen, sogar Angstzustände. Die Angst vor dem Zuspätkommen, vor unkalkulierbarem Verkehr, vor Terror in öffentlichen Verkehrsmitteln fährt immer mit.

Warum muten sich die Menschen das zu?

Pendeln wird oft ein Selbstläufer. Aus zwei Jahren werden schnell 25 Jahre. Diese Menschen sind dann irgendwann kaputt. Man sollte deshalb seinen Arbeitsweg realistisch planen, nicht etwa am Sonntag die Fahrzeit testen. Wenn möglich, sollte man immer öffentliche Verkehrsmittel nutzen und dafür eine längere Fahrzeit in Kauf nehmen.

Was können Arbeitgeber tun?

Arbeitgeber sollten mehr Homeoffice und flexible Arbeitszeiten anbieten, um den Angestellten die Rushhour zu ersparen. Außerdem sollten sie genügend Parkplätze zur Verfügung stellen, sodass Pendler nicht auch noch lange suchen müssen.

© SZ vom 14.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Pendeln
:Dieser Mann fährt täglich 140 Kilometer zur Arbeit

Johann Lenz pendelt jeden Tag vom östlichen Ende Niederbayerns zum BMW-Werk nach Dingolfing und zurück. Zusammengerechnet saß er bereits eineinhalb Jahre im Bus.

Von Theresa Krinninger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: