Cham:Das Kulturhaus vor dem Aus

Cham: Die Vielfalt im Chamer Kulturhaus ist für eine Stadt mit 17 000 Einwohnern ziemlich beachtlich, finden die Künstler und Kreativen.

Die Vielfalt im Chamer Kulturhaus ist für eine Stadt mit 17 000 Einwohnern ziemlich beachtlich, finden die Künstler und Kreativen.

(Foto: oh)

Viele Künstler und Kreative arbeiten im Studienheim in Cham. Die Kirche, Eigentümerin des Geländes, plant nun den Abriss. Die Mieter werfen der Diözese vor, sich auf Kosten von Kunst und Tradition bereichern zu wollen

Von Andreas Glas, Cham

Wenn das Wort "Kaff" fällt, dann könnte man erwarten, dass ein stolzer Chamer wie Florian Gruber zusammenzuckt. Aber Florian Gruber zuckt nicht, er grinst nur. Weil das Wort "Kaff" für ihn eine Liebeserklärung ist. Wenn Florian Gruber über "unser Kaff" spricht, meint er nicht seinen Heimatort, sondern das Studienheim Sankt Josef, das frühere Internat der Maristen-Realschule. Ein fünfgeschossiger Altbau, mitten in Cham, auf einer Anhöhe gelegen. Ein besonderer Geist herrsche hier, sagt Gruber, und dieser Geist dürfe nicht zerstört werden. Er ist im Studienheim zur Schule gegangen, er kämpft für das Kaff. Aber es schaut nicht gut aus.

Vor neun Jahren hat die Diözese Regensburg die Trägerschaft der Maristen-Realschule übernommen, vor einem Jahr hat sie das Gebäude samt Grundstück gekauft - und plant jetzt den Abriss. Das klingt erst mal nachvollziehbar: Seit den Sechzigerjahren wird hauptsächlich im Neubau nebenan unterrichtet, seit 1991 gibt es keinen Internatsbetrieb mehr. Zwei Jahrzehnte lang war das Studienheim zwar ein nostalgischer Ort, einen echten Zweck erfüllte es nicht. Womöglich wären die Abrisspläne kein großer Aufreger in Cham, wäre im Studienheim inzwischen kein Kulturhaus entstanden, das für eine Stadt mit 17 000 Einwohnern ziemlich beachtlich ist.

"Ein Kulturhaus in dieser Größenordnung findet man normalerweise in Großstädten", sagt Andi Dünnes, der Rastazöpfe bis zum Hintern trägt und im Studienheim eine Kunstschule für Kinder und Jugendliche betreibt. Zehn Räume hat die Kunstschule, erst kürzlich hat Dünnes für 20 000 Euro eine Druckwerkstatt eingerichtet, etwa 1000 Schüler unterrichtet er im Jahr. Dazu gibt es im Studienheim eine Tanzschule, eine Kleinkunstbühne, eine Kampfkunstschule und einiges mehr. Doch geht es nach der Diözese, ist das alles bald Vergangenheit.

Dass die Diözese das Kulturhaus abreißen will, ist für Florian Gruber ein Skandal. Aber noch mehr ärgert es ihn, was die Diözese nach dem Abriss plant: einen Neubau, in dem zwei Schulen zusammengelegt werden sollen, die nach seiner Ansicht nicht zusammengehören. Zum einen die Gerhardinger-Mädchenrealschule, die bislang in der unteren Altstadt angesiedelt ist und bis in die Neunzigerjahre von Ordensschwestern getragen wurde. Zum anderen eben die Knabenrealschule des früheren Maristen-Ordens. Florian Gruber fürchtet das Ende zweier Chamer Institutionen. Er fürchtet, dass der Geist, dass die unterschiedlichen Schulphilosophien verloren gehen - und dass in Zukunft "unsere Kinder nicht mehr wissen, was es heißt, eine Gerhardingerin oder ein Marist zu sein".

Man kann diesen Schulpatriotismus merkwürdig finden, aber Florian Gruber hat viele Mitstreiter. Auch der Kreisheimatpfleger und der Verein der Chamer Altstadtfreunde kämpfen gegen die Abrisspläne - und die Facebook-Fanseite des Studienheims hat mehr als 600 Mitglieder. Auf Facebook hat sich neulich auch Karin Bucher (Freie Wähler) zu Wort gemeldet, die Chamer Bürgermeisterin. Sie schrieb dort, es sei "nicht Aufgabe der Stadt, ein Kulturhaus zu finanzieren". Mit der Bürgermeisterin ist im Kampf gegen den Abriss also nicht zu rechnen. Das Kulturhaus, sagt Bucher, sei zwar "ganz wunderbar und natürlich wäre es sehr wünschenswert, wenn es erhalten bleiben würde". Aber den Schulpatriotismus, den kann die Bürgermeisterin nicht verstehen: "Im 21. Jahrhundert kann man nicht mehr sagen, dass eine reine Bubenschule und eine reine Mädchenschule das einzig Glücklichmachende ist."

Der Knackpunkt sei sowieso ein anderer, sagt Bucher, der Brandschutz nämlich. Dem Studienhaus fehle es an Fluchtwegen und würde die Diözese diese Fluchtwege bauen, müsste sie die Kosten auf die Mieten umwälzen. Die Mieten, glaubt Bucher, wären dann so hoch, dass sie für die Kulturschaffenden unbezahlbar wären. "Die Interessenslage" der Diözese könne sie deshalb "schon verstehen". Zumal die Mieter im Kulturhaus schon beim Einzug wussten, dass sie womöglich nicht lange bleiben dürfen. In den Mietverträgen gibt es eine Klausel, dass die Diözese kündigen darf, sobald größere Sanierungen anstehen. "Die Kirche hat klar gesagt, dass sie das Haus nur unter dieser Prämisse kauft", das räumt auch Andi Dünnes ein. Eine Katastrophe wäre es trotzdem für ihn, müsste seine Kunstschule aus dem Studienheim ausziehen. Im Raum Cham, sagt er, gebe es keine vergleichbaren, bezahlbaren Räume.

"Für mich ist das alles Immobilienmaklerei", sagt Florian Gruber. Auf Kosten von Kultur und Tradition versuche sich die Kirche zu bereichern, "es geht ihr nur ums Geld". Er glaubt, dass die Diözese die Schulen zusammenlegen will, damit auf dem Gerhardinger-Schulgelände ein Grundstück frei wird, das die Diözese "teuer der Stadt verkauft", weil es für die Kirche nutzlos wäre und sich kaum andere Investoren fänden. Dass die Kirche lieber Immobiliengeschäfte mache statt den klösterlichen Charakter ihrer Schulen zu erhalten, findet Gruber "schon ein starkes Stück".

Dass es der Diözese auch ums Geld geht, daraus macht Domkapitular Johann Neumüller kein Geheimnis: "Der Betrieb der beiden Realschulen in Cham ist defizitär." Die Zusammenlegung sieht Neumüller als Chance, dass unterm Strich mehr Geld bleibt, um den Schülern "eine angemessene Ausbildung zu bieten und die Sicherheit der Arbeitsplätze der Lehrkräfte zu gewährleisten". Er hält das für wichtiger, als "für immer an bestehenden Strukturen oder Gebäuden festzuhalten". Und das Kulturhaus? Das sei der Diözese nicht egal, sagt Neumüller. Aber ihre Aufgabe sei "nicht die Förderung des Kulturbetriebs, sondern die Weiterführung der ehemals klösterlichen Schulen". Mit anderen Worten: Für das Kaff schaut es nicht gut aus.

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