CDU und CSU:Wenn der Brexit zum "Glücksfall" wird

Germany's Chancellor Angela Merkel Attends CDU Party Meeting

Parteichef Horst Seehofer sagt, Potsdam sei eine Reise wert gewesen.

(Foto: Bloomberg)

CDU und CSU wollen nach der Klausur in Potsdam wieder gemeinsam am Programm arbeiten. Der Brexit hat zur Versöhnung beigetragen.

Von Wolfgang Wittl

So schnell ändern sich die Zeiten: Wochen und Monate hämmerten CSU und (manchmal auch) die CDU gnadenlos aufeinander ein, wohl nicht nur Mitglieder der Bayernpartei fragten sich, wann sich der Freistaat endlich vom Rest der Republik lossagen werde. Und jetzt das: Groß und weithin sichtbar hängt am Montag in der CSU-Parteizentrale eine Deutschlandfahne, die weiß-blaue CSU zeigt über dem Eingang zum Pressekonferenzraum deutlich Flagge in Schwarz, Rot und Gold. Ein bayerisches Bekenntnis zur Nation? Vielleicht sogar eine heimliche Liebeserklärung an Bundeskanzlerin Angela Merkel? Oder doch nur ein Fähnchen im Wind?

Der Sturm, der zwischen München und Berlin wehte, ist neuerdings höchstens noch ein Lüftchen. Schon bevor die Unionsspitzen sich am Freitag und Samstag in Potsdam trafen, um über die sogenannten Mega-Themen der Zukunft zu beratschlagen, hatte CSU-Chef Horst Seehofer erste Friedenszeichen ausgesendet. Am Montag macht er dort weiter, wo er in Potsdam gemeinsam mit Merkel vor den Mikrofonen geendet hatte. Ja, die Klausur sei eine Reise wert gewesen, sagt Seehofer. Und ja, die Schwesterparteien seien sich nach zwei Tagen guter und intensiver Diskussion wieder näher gekommen. Alles wieder prima also? Das wohl nicht ganz.

In sechs Kongressen will die Union ihre Verzahnung thematisch vertiefen, zwei davon sollen in Bayern stattfinden. Jeweils ein Vertreter von CDU und CSU sollen sich zusammen federführend um ein Fachgebiet kümmern. Der Komplex Wettbewerb/Digitalisierung könnte unter der Leitung von Thomas Strobl und Alexander Dobrindt in München über die Bühne gehen, Volker Bouffier und Barbara Stamm werden wohl in Nordbayern den gesellschaftlichen Zusammenhalt definieren.

Wolfgang Schäuble und Manfred Weber haben Europa im Blick, Armin Laschet und Angelika Niebler die Bevölkerungsentwicklung und Migration, Julia Klöckner und Christian Schmidt Ressourcen und Umwelt sowie Ursula von der Leyen und Kurt Gribl die innere und äußere Sicherheit sowie Terrorgefahren. Die Bundesverteidigungsministerin und der Augsburger Oberbürgermeister zur strategischen Sicherheit - das sieht auf den ersten Blick nach einem skurrilen Polit-Pärchen aus. Doch Gribl habe schon in Potsdam einen fundierten Vortrag gehalten, sagen Parteifreunde. Außerdem ist er einer von fünf Partei-Vizes, nur Dobrindt wurde für ein Themengebiet dazugeholt.

Vor allem ging es bei der Klausur um Stimmungen: CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer packte für den Grillabend ein Sortiment bayerischer Bier- und Schnapsspezialitäten ein. Was aber keineswegs bedeuten sollte, man habe sich den politischen Partner schöntrinken müssen, wie Teilnehmer versichern.

CDU-Chefin Merkel sprach ohnehin dem Weißwein zu, habe aber wie Seehofer bis Mitternacht ausgehalten. Man habe sogar von ironischen Spitzen abgesehen, der Sarkasmus sei gen null gegangen, lobte Seehofer. Wobei man nicht weiß, ob das nun ein gutes oder schlechtes Zeichen sein muss. Gefreut habe ihn, dass Merkel am gemeinsamen Wertegerüst der Union weiterbauen wolle. Und dass die Union die Ängste der Menschen aufnehmen wolle. "Auf diesen Pfeilern kann man aufbauen", sagte Seehofer.

So bitter der Brexit auch aufgenommen wurde: Für die Versöhnung von CDU und CSU war er "ein Glücksfall", wie ein wichtiger CSU-Mann sagt. Seehofer falle es dadurch leichter, sein strategisches Dilemma zu überdecken: Sich einerseits der Kanzlerin anzunähern, andererseits aber nicht die eigene Basis zu vergraulen, die Merkel wegen der Flüchtlingspolitik immer noch gram ist. Man werde weiter hohe Wachsamkeit walten lassen, ehe es zu Vereinbarungen mit der CDU komme, erklärte Seehofer am Montag daher vorsorglich. Unterstützung erhielt er erneut von Finanzminister Markus Söder, der sagte, von Potsdam sei ein Signal der Stabilität ausgegangen.

Seehofer kündigte an, noch im Oktober Großbritannien zu besuchen. Die Deutschlandfahne hat ihren Dienst dann wohl erfüllt. Sie ziert nur den Raum, in dem CSU-Mitarbeiter gemeinsam die Spiele der Fußball-EM schauen.

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