Bus-Unglück bei Münchberg:Im Flammenmeer auf der Autobahn

  • Bei einem schweren Busunglück in Oberfranken sind am Montagmorgen 18 Menschen ums Leben gekommen.
  • 30 Fahrgäste auf der Autobahn 9 bei Münchberg wurden teils schwer verletzt, zwei von ihnen lebensgefährlich.
  • Der mit 46 Reisenden und zwei Busfahrern besetzte Bus aus Sachsen war bei stockendem Verkehr auf einen Lkw aufgefahren und danach in Brand geraten.

Von Claudia Henzler und Olaf Przybilla, Münchberg

Von dem Reisebus ist nur ein Gerippe aus Metallteilen übrig geblieben, wie ein verbogener Käfig steht er halb im Straßengraben, neben einer Böschung, die einmal mit Bäumen bewachsen war. Von diesen ragen nur noch ein paar verkohlte Stämme in die Höhe. Man ahnt, welch vernichtende Hitze das Feuer entwickelt hat.

Als die ersten Rettungskräfte eintrafen, kurz nach sieben Uhr, brannten der Bus und der Anhänger eines Sattelzuges, auf den er aufgefahren war, bereits lichterloh. Der enormen Hitze wegen seien die Einsatzkräfte zunächst nicht an den Bus herangekommen, sagt ein Sprecher der Freiwilligen Feuerwehren, die aus den umliegenden Orten herangeeilt waren.

Bei Stammbach in Oberfranken zieht sich die Autobahn sanft durch die Landschaft, an der Unfallstelle geht es auf drei Spuren leicht bergab Richtung Süden, keine Baustelle, keine Kurven oder anderes, was die Sicht erschweren könnte. Für die Feuerwehr gibt es nicht mehr viel zu tun, Stunden nach dem Unfall; sie muss warten, bis die Rechtsmediziner kommen, um den Bus zu untersuchen. Auch Experten vom Bundeskriminalamt, die Leichen identifizieren sollen, müssen zunächst ihre Arbeit tun. Erst dann können die Wracks geborgen und weggebracht werden.

Die Ermittler gehen schon bald davon aus, dass in dem Stahlgerippe die Überreste von zahlreichen Toten liegen. Am Nachmittag sind zunächst elf, dann 15 Menschen geborgen, am Ende sind es 18 Frauen und Männer im Alter zwischen 66 und 81 Jahren. Die Hitze im brennenden Bus war so groß, dass "nichts Brennbares mehr" darin übrig geblieben sei, "nur noch Stahl", sagt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, der gegen Mittag an der Unfallstelle eintrifft.

46 Fahrgäste waren an Bord des Busses, der einer sächsischen Firma gehört, außerdem zwei Fahrer. Die Senioren aus Sachsen und Brandenburg waren auf dem Weg zum Gardasee. Am frühen Morgen waren am Dresdener Hauptbahnhof noch Gäste zugestiegen, dann ging es weiter in Richtung Bayern. Vermutlich nur 30 von ihnen konnten sich aus dem brennenden Bus retten, einige erlitten schwere Verletzungen, zwei davon lebensbedrohliche. Einer der beiden Fahrer starb bei dem Unfall, sein Kollege auf dem Beifahrersitz konnte sich nach draußen retten und erlitt laut Feuerwehr einen schweren Schock. Der Fahrer des Sattelzuges blieb unverletzt.

1990 kam es in der Nähe zu einer Massenkarambolage mit zehn Todesopfern

Der Unfall hatte sich gegen sieben Uhr ereignet, zwischen den Anschlussstellen Münchberg-Süd und Gefrees. Bei Andreas Hentschel, Sprecher der Freiwilligen Feuerwehr Hof, weckt der Einsatz Erinnerungen an 1990, als durch den bisher schlimmsten Unfall in seinem Einsatzgebiet zehn Menschen starben und 120 verletzt wurden.

"Wir haben heute keine Toten gesehen"

Damals war es auf der A 9 in der Münchberger Senke, nur wenige Kilometer von der Unfallstelle vom Montag entfernt, zu einer Massenkarambolage gekommen. Es war ein Trümmerfeld über mehr als einen Kilometer. Der Unterschied, sagt er: "Wir haben heute keine Toten gesehen." Die Flammen haben fast alles vernichtet, nur in der letzten Reihe stehen noch die Rahmen der Sitze, selbst von den Rädern sind nur die Felgen übrig.

Karl Philipp Ehrler, der Bürgermeister von Stammbach, kann sich noch erinnern an das Unglück vor 27 Jahren. Dichter Nebel hatte damals die Sicht erschwert, mehr als hundert Fahrzeuge prallten ineinander, ein 40 Tonnen schwerer Milchtransporter schob Autos zusammen. Damals wusste man wenigstens den Grund: der Nebel. Aber dieses Mal? Man weiß so wenig, sagt der Bürgermeister. Und ahnt doch den ganzen Vormittag, wie schwer das Unglück sein muss. Über Stunden steht alles in Stammbach, überall stehen Wagen von der Autobahn. "Das ist der schwerste Unfall in der Geschichte unseres Marktes", sagt Ehrler. "Ein Wahnsinn. Einfach katastrophal."

Seit 45 Jahren ist Kreisbrandrat Reiner Hoffmann bei der Feuerwehr, er hat vieles gesehen, auch das Unglück von Münchberg. Solch ein Inferno aber musste er noch nie beobachten. Dabei waren der Bus und die nahe Böschung schnell gelöscht, binnen 30 Minuten.

Warum der Bus so schnell, nachdem er von hinten auf den Anhänger geprallt war, Feuer fing, bleibt zunächst ein Rätsel. Das müsse nun ermittelt werden, sagt Dobrindt. Normal sei ein so schnell entstehendes Feuer nicht, sagt ein Feuerwehrmann. Klar ist, dass die ersten Feuererwehrleute schon zehn Minuten nach dem ersten Notruf am Unfallort eintrafen. Klar ist auch, dass die Rettungsgasse zu eng war und weitere Löschzüge beim Einsatz bremste. Noch am Nachmittag behinderten Gaffer auf der freigegebenen Fahrbahn in Richtung Norden den Einsatz. "Ein absolut unverantwortliches Verhalten", sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann.

Direkt am Unglücksort hat das Rote Kreuz eine kleine Versorgungsstation aufgebaut, zwei Bänke, Klapptische, Getränke. Am Abend sollen noch Seelsorger im Gerätehaus von Münchberg zum Gespräch bereit stehen, für jene Einsatzkräfte, die Bedarf haben, sagt ein Feuerwehrsprecher. Auch womöglich eintreffende Angehörige sollen in Münchberg betreut werden. Sämtliche Angehörigen konnten allerdings zunächst nicht informiert werden, weil noch nicht alle Leichen identifiziert waren.

Um die Mittagszeit vermessen Kriminaltechniker die Unfallstelle. Ein Sachverständiger macht mit einer Drohne Aufnahmen. Auf Bitten der Polizei hat die Feuerwehr Fahrzeuge neben der Unfallstelle aufgereiht, um sie ein bisschen vor den Blicken und Kameras des Gegenverkehrs zu schützen. Nach und nach bringen Bestattungsunternehmen aus der Umgebung Särge. Sie fahren die geborgenen Toten zur Identifizierung in die Rechtsmedizin.

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