Burgheim:Wie Soldaten wieder im zivilen Leben ankommen

Bundeswehr-Übung Fallschirmspringer Kochelsee

Fallschirmspringer üben über dem Kochelsee: Die oft besonderen Fähigkeiten von Soldaten sind für spezielle Berufe wichtig.

(Foto: Manfred Neubauer)

Nach vielen Jahren bei der Bundeswehr brauchen Zeitsoldaten einen neuen Job. Die Firma "Dienstzeitende" baut Brücken und vermittelt Fachkräfte vom U-Boot-Kapitän bis zum Tanzpädagogen.

Von Johann Osel, Burgheim

Erbensuppe mit Würstchen, manchmal servieren sie dem Messepublikum 1800 Portionen davon, in bauchigen Pappbechern mit Firmenlogo. Auf den Marketing-Gag kamen Felix Klein und Stefan Geßner, weil sie auf den Branchentreffs für Personalwesen den üblichen Süßkram wie Popcorn und labberige Semmeln satt hatten.

"Und was soll der Personalchef eines Autokonzerns mit einem Plastikkugelschreiber als Werbegeschenk? Über eine schöne Erbensuppe freut sich aber jeder", meint Geßner. Die Suppenküche ist freilich naheliegend, weil man das Gericht mit der Bundeswehr verbindet, mit Feldküche und Gulaschkanone. Soldaten sind das Metier von Klein und Geßner. Sie haben eine Job-Plattform für Ex-Soldaten gegründet, bauen Brücken ins zivile Leben, ins zivile Berufsleben. Es geht um das DZE, das "Dienstzeitende", wie es im Fachjargon heißt. So heißen auch Portal und Firma mit Sitz im oberbayerischen Burgheim.

Zu Besuch in dem beschaulichen Markt im Kreis Neuburg-Schrobenhausen, Felix Klein ist hier aufgewachsen, im Elternhaus im Dachgeschoss sitzt nun die DZE GmbH. Start-up-Atmosphäre, ein paar Computer nur - mehr braucht es nicht für Geschäfte in der digitalen Welt; Kontakte pflegt man außerhalb, eben auf Messen oder bei Arbeitgebern. Als Klein die Idee dazu hatte, war das in militärischer Umgebung: Im nordrhein-westfälischen Minden diente er beim schweren Pionierbataillon, sein DZE stand nach zwölf Jahren in Aussicht - und er sah Bedarf für Hilfestellung beim Übergang.

Zunächst startete er eine Datenbank für Aus- und Weiterbildung, ausscheidende Zeitsoldaten erhalten Übergangsgeld, das sie oft in Qualifizierung stecken. 2013 wurde sein Portal um die Spezial-Jobbörse erweitert. Stefan Geßner, der aus dem Harz stammt, stieß zur Firma. Er hat bei der Bundeswehr Betriebswirtschaft studiert, "davor im ersten Leben", wie er sagt, ein paar Semester Jura. Mit seinem DZE-Fördergeld machte er noch einen Master mit einer Arbeit über Berufsförderung. Seitdem ist das Portal stetig gewachsen. Klein sagt: "Arbeitsmarkt und Fachkräftemangel spielen uns in die Karten."

Gut 12 000 Zeitsoldaten und Wehrdienstleistende pro Jahr werden aktuell fertig. Es waren schon mal etwas mehr, die Bundeswehr baut wieder Personal auf statt ab und ködert manche zum Verbleib in der Truppe. Eine beachtliche Personalquelle ist das trotzdem. Auf der anderen Seite steht der Fachkräftemangel. Beispiel Bayern, kürzlich ergab eine Umfrage des Industrie- und Handelskammertags im Freistaat: Fast zwei Drittel der befragten Unternehmer sehen in der Personalnot ein Geschäftsrisiko.

Der Fokus auf die Nische der Ex-Soldaten kann da lohnen. Zwar gibt es in der Bundeswehr einen Berufsförderungsdienst, den BFD. "Aber, ohne es negativ zu meinen: Die Mühlen mahlen da langsamer", sagt Klein. Auch schließe die Bundeswehr eher Großkooperationen, "ein Mittelständler kommt hier gar nicht rein". Konkurrenz gebe es nicht, zuweilen werde sein Portal Soldaten gar vom BFD empfohlen. Bei Arbeitgebern hören die früheren Soldaten immer wieder, dass man die Personalquelle nicht kenne - "dass ein Personaler null Bezug zur Bundeswehr hat, ist heute keine Seltenheit", sagt Geßner; oder es gebe Fälle, in denen ein Unternehmen keinen Draht hinein in die Bundeswehr finde, obwohl er das wolle - in Kasernen zu werben, ist für die freie Wirtschaft nicht möglich.

Warum Soldaten als Arbeitnehmer interessant sind

Was schätzen Arbeitgeber an Ex-Bundeswehrkräften? Die ungemein breite berufliche Qualifikation angesichts 180 000 Soldaten, sagt Klein: Berufe, die Leute mit in die Dienstzeit bringen, die sie in der Bundeswehr erwerben oder die sie mit dem Förderbudget zum DZE lernen. Es gebe nichts, was es nicht gebe, vom Weltraumingenieur bis zum Tanzpädagogen, um die kuriosesten Beispiele zu nennen. "Mehr noch die Führungserfahrung", sagt Geßner. "Da kann einer auch mal auf den Tisch hauen und mit Nachdruck Mitarbeiter anweisen." Dazu die selbständige Arbeitsweise, Lebenserfahrung, "ganz anders als ein 23-jähriger Uni-Absolvent", Bereitschaft zur Mobilität, Improvisationsgabe.

Wenn er nur daran denke, ergänzt Klein, wie sie im Kosovo aus dem Nichts "was aufbauen" mussten - "eine Woche haben wir erst mal auf einer Lkw-Plane übernachtet". Aber, er müsse zugeben, es gebe bei der Bundeswehr auch "Klopper". Reizvoll für Arbeitgeber sei zudem der DZE-Termin. Jemand sei zum Zeitpunkt x definitiv verfügbar. Natürlich hätten manche Personaler Vorbehalte, "dass jeder Soldat immer brüllt oder einen Kasernenhofton draufhat", sagt Klein. Bei ihrem Portal habe ein Soldat Gewissheit, dass der Arbeitgeber wirklich an dieser Zielgruppe interessiert ist; anders als bei herkömmlichen Stellenbörsen. Unternehmen sollen "ohne Streuverluste" Soldaten erreichen, so wirbt die DZE GmbH.

Es wird plötzlich laut in Burgheim, ein Eurofighter dröhnt über den Ort. Bei Airbus in Manching oder Donauwörth wird wohl getestet. Das Geräusch passt als Stichwort, denn die Rüstungsbranche findet sich selbstredend unter den Kunden des Portals. Klein sagt: Wenn jemand einen U-Boot-Kapitän braucht für Produktionstests - wo, wenn nicht aus der Bundeswehr, solle er den bekommen? Oder im Vertrieb für Waffen und schweres Gerät - wer mit Leuten aus dem Militär verhandle, der müsse das auf Augenhöhe tun können. Ein Zivilist habe da wohl eher Schwierigkeiten.

Ansonsten aber findet sich bei den Inseraten ein Querschnitt durch alle Branchen, angefangen bei A wie Aldi, Allianz und Amazon. Es geht nicht nur um die Offizierslaufbahn. Gewerbliche und technische Richtungen sind häufig; Kraftfahrer und Logistiker sind erwähnenswert, medizinisches Personal vom Sanitätsdienst. Wobei sie auch schon Anzeigen nicht zugelassen haben: Als ein Inkasso-Büro mal Geldeintreiber quasi mit Nahkampferfahrung anheuern wollte; oder die Suche nach einem Schiffsbewacher für die Küste vor Somalia. Letztlich unterschreibe ja der Soldat den Arbeitsvertrag und sei dafür verantwortlich - man sei nur eine Plattform.

Neben den Stellenanzeigen der Arbeitgeber können Soldaten anonymisierte Steckbriefe einstellen, 1500 sind momentan online. Für die Annoncen wie die Einsicht in die Lebensläufe zahlen Arbeitgeber, für Soldaten sind alle Dienstleistungen kostenfrei. Viele finden den Weg über Google. Wer sich informieren will, gibt "Dienstzeitende" in die Suchmaschine ein - und landet bei den Brückenbauern von Burgheim. Die Seite bietet neben dem Job-Service auch Informationen zum DZE und zu Fördergeld. Dazu komme vor allem Mund-zu-Mund-Propaganda. "Von Soldaten für Soldaten" sei die Seite, das schaffe viel Vertrauen.

Das Geschäftsmodell funktioniert offenbar gut, "fünf Mann Kernteam" hat die Firma mittlerweile, sagt Klein. Auch wenn eine Frau dabei ist. Seine Frau. Ein künftiges Standbein könnte Direktvermittlung sein, eine Art Headhunting. Zudem veranstaltet die Firma die Online-Messe "Soldata", zum nächsten Mal im Juni. Da präsentieren sich Arbeitgeber und Bildungseinrichtungen, aber es gibt etwa auch Expertenvorträge und Angebote für Soldaten von Versicherungen oder Bausparkassen. "Ein virtueller Rundgang, wie eine echte Messe", sagt Klein. Allerdings ohne Erbsensuppe.

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