Prozess:Vier lebensgefährlich Verletzte bei Übung - Bundeswehr-Ausbilder vor Gericht

Der Bundeswehr-Ausbilder muss sich wegen des Hitzemarsch vor Gericht verantworten.

Der Angeklagte, tätig im Ausbildungszentrum in Hammelburg, stand am Dienstag wegen fahrlässiger Körperverletzung vor Gericht.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)
  • An einem heißen Septembertag vor zwei Jahren erlitten die Soldaten einen Hitzeschlag und trugen teilweise bleibende Schäden davon.
  • Ihr Ausbilder musste sich deshalb wegen fahrlässiger Körperverletzung vor Gericht verantworten.
  • Der Prozess gegen ihn wird eingestellt.

Aus dem Gericht von Olaf Przybilla, Bad Kissingen

Der angeklagte Ausbilder der Bundeswehr will sich selbst zur Sache äußern, er ist in voller Montur vor Gericht erschienen und referiert den Vorfall so zackig, dass die Verfahrensbeteiligten Probleme haben mitzuschreiben.

Der Hauptfeldwebel, tätig im Ausbildungszentrum in Hammelburg, muss sich wegen fahrlässiger Körperverletzung verantworten, nachdem bei einem Lehrgang in der sogenannten Einzelkämpferausbildung bei sengender Hitze vier Soldaten kollabiert waren und lebensgefährlich verletzt wurden.

Er wisse nicht, was er "noch hätte tun sollen", um diese Folgen zu verhindern, sagt er. Die Amtsrichterin mag sich am Ende dieser Selbstbeurteilung nicht anschließen. Sehr wohl hätte er nicht nur befehlen dürfen, dass die Soldaten viel trinken an diesem Tag. Er sei auch dafür verantwortlich gewesen, dies zu kontrollieren. Der Prozess endet trotzdem glimpflich für den Ausbilder: Gegen eine Geldauflage von 2400 Euro wird das Verfahren gegen ihn eingestellt.

Auch der Staatsanwalt willigt bei diesem Angebot der Richterin ein, er spricht von einem "nur leichten Verstoß" des Ausbilders, wenn dieser auch mit äußerst "gravierenden Folgen" verbunden gewesen sei. Immerhin musste einer von vier betroffenen Soldaten nach jenem 13. September 2016, einem auffällig warmen Spätsommertag, drei Wochen lang auf der Intensivstation behandelt werden.

Der Soldat erlitt ein so schweres Flüssigkeitsdefizit, dass eine Amputation seiner Gliedmaßen lediglich mit einer Notoperation verhindert werden konnte. Der Mann leidet bis heute unter dem Vorfall, seine Niere funktioniert nur noch eingeschränkt, längere Wegstrecken kann er nicht zurücklegen.

Ein anderer Soldat, ein Oberleutnant, verlor an diesem Tag nach einem Hitzeschlag das Bewusstsein und erwachte erst auf der Intensivstation in einem Erlanger Krankenhaus. Sowohl Leber wie Nieren hatten bei ihm versagt. Ein dritter Soldat war noch in dem unterfränkischen Ausbildungszentrum in Ohnmacht gefallen; ein vierter erlitt einen Hitzschlag mit Multiorganversagen und musste in der Universitätsklinik Würzburg einen Tag lang in ein künstliches Koma versetzt werden.

Und bei alledem will der Ausbilder nicht wissen, was er hätte anders machen können? Die Richterin erwähnt, sie sei nie bei der Bundeswehr gewesen; und einem Laien in Sachen Soldatenausbildung blieben da eben Fragen. "Sie müssen sich doch Gedanken gemacht haben, wenn vier von 30 Soldaten des Kurses zusammenbrechen", sagt sie.

Es gehe um die "Verwendung des Soldaten hinter den feindlichen Linien"

Der Hauptfeldwebel aber bleibt dabei: Er habe die Soldaten, die sich alle freiwillig zum Lehrgang gemeldet hätten, in Abständen von etwa 20 Minuten aufgefordert, hinreichend zu trinken. Er habe den Befehl ausgeführt, alles so zu machen wie bisher auch. Ziel des Lehrgangs sei es, dass "der Soldat lerne" zu wissen, "wo seine Grenzen liegen".

Für höhere Aufgaben qualifiziere der Kurs nicht. Es gehe allein um eine "Verwendung des Soldaten hinter den feindlichen Linien", eine Aufgabe, die in der Bundeswehr derzeit nicht vorkomme. Einen der betroffenen Soldaten habe er sogar am Weiterlaufen gehindert. "Für Sie ist hier Schluss", habe er angeordnet.

Die anderen aber ließ er weitermachen. Die Soldaten mussten bei Temperaturen zwischen 30 und 35 Grad im Laufschritt mit zehn Kilogramm Gepäck zu einer Hindernisbahn marschieren und diese überwinden. Zehn Minuten danach erteilte der Ausbilder den Befehl "Marsch, Marsch", die Soldaten mussten drei Kilometer zurücklaufen.

Der Staatsanwalt legt dem Ausbilder zur Last, er habe vor allem den letzten Absolventen des Hindernislaufs nicht hinreichend Zeit zum Trinken eingeräumt und auch nicht kontrolliert, ob überhaupt getrunken wird. Das sei eben "kein Kindergarten, wo Kinder schreien", wenn ihnen etwas fehle, argumentiert er.

Ein Ausbilder habe damit zu rechnen, dass Soldaten - aus Ehrgeiz oder Scham - nicht zugeben wollten, dass sie nicht mehr können. So sei es nicht zu verantworten gewesen, nach einem ersten Fall von Dehydrierung alle anderen noch weitermarschieren zu lassen. Das habe zur Folge gehabt, dass "vier Soldaten lebensbedrohlich erkrankten".

Ob der Vorfall Konsequenzen hat, wird laut Constantin Spallek, einem zuständigen Kommandeur für die Ausbildung in Hammelburg, nun zunächst geprüft. Er halte es aber für schwierig, Soldaten in Einsätze in Mali zu schicken, "bei Temperaturen um 30 Grad in Deutschland aber nicht trainieren" zu lassen.

Auch müssten sich Ausbilder darauf verlassen können, dass Soldaten wahrheitsgemäß sagten, ob sie hinreichend getrunken hätten. Alles andere sei eine "Bevormundung" akademisch ausgebildeter Kräfte.

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