Bundestagswahl:Gerangel bei den Grünen um Bundestagsmandat

Margarete Bause, 2014

Die Fraktionsvorsitzende Margarete Bause will nun auch in den Bundestag. Mit ihrer Kandidatur macht sie es den anderen Frauen aus Oberbayern nicht gerade leicht.

(Foto: Niels P. Jørgensen)
  • Neben der Landtags-Fraktionschefin Margarete Bause bewerben sich Beate Walter-Rosenheimer und Doris Wagner um aussichtsreiche Plätze auf der Liste.
  • Horcht man in die Partei hinein, so sei der Ausgang noch "völlig offen".

Von Lisa Schnell, Johannesberg

Eigentlich geht es bei den Grünen ja ganz entspannt zu. Für ihre Herbstklausur haben sie sich ins hinterste Eck von Unterfranken zurückgezogen. Gelbe Sonnenliegen stehen auf der Wiese. Der Wind rauscht durch die Bäume, hinter dem Tagungshotel kann man Pilze sammeln.

Die Grünen wollen über den ländlichen Raum reden, doch beim Mittagessen unter weißen Sonnenschirmen ist mitten in der Provinz die Hauptstadt plötzlich ganz nahe. "Das wird wieder eine spannende Aufstellungsversammlung", freut man sich auf das Spektakel im Dezember, wenn die Grünen ihre Liste für den Bundestag wählen.

Wie wird das "Gerangel in Oberbayern" ausgehen, jetzt wo auch die Fraktionsvorsitzende Margarete Bause nach Berlin drängt? Welche oberbayerische Frau muss wegen ihr weichen? Der Wahlkampf in der Partei hat begonnen. Für die grünen Bundestagsabgeordneten heißt es jetzt, Stimmen sammeln in der Partei.

Das Rennen wird eng. Es gibt wenige Plätze und viele Kandidaten. Am Tisch der Landtagsgrünen ist man noch gelassen. Für sie beginnt der Wahlkampf ja erst Ende des nächsten Jahres. Spannender als die Bundestagsliste ist dann doch der Soßenfleck auf dem Hemd einer Abgeordneten.

Nur ein paar Sitze weiter sieht das Doris Wagner wohl etwas anders. Seit einer Legislatur ist sie demografische Sprecherin der Grünen im Bund und sitzt im Ausschuss für Verteidigung. Das ist aber nicht entscheidend. Frau und aus Oberbayern, diese Merkmale bestimmen, wo ihr Platz auf der Liste ist.

Neun Abgeordnete haben die Grünen in Berlin, mehr als zehn werden es wohl nicht. Jeder zweite Platz ist für einen Mann reserviert. Als gesetzt gelten Dieter Janecek und Bundesfraktionsvorsitzender Toni Hofreiter. Bei den Frauen sind die alten Bundestagshasen Claudia Roth und Ekin Deligöz auf Platz 1 und 3 nicht anzufechten. Bleiben nur noch drei Plätze für Frauen.

Dazu kommt der Regionalproporz, der mit Hofreiter und Janecek schon eine Schlagseite in Richtung Oberbayern hat. Für Wagner wird es also eng, denn Frau und aus Oberbayern sind noch zwei andere: Beate Walter-Rosenheimer und die Fraktionsvorsitzende Bause. Seitdem sie Anfang Januar bekannt gegeben hat, dass sie nach 30 Jahren in der bayerischen Politik nach Berlin will, ist für viele klar: Eine muss gehen. Nur welche?

Beate Walter-Rosenheimer

Beate Walter-Rosenheimer aus Fürstenfeldbruck sitzt seit Januar 2012 für die Grünen im Bundestag und ist Sprecherin für Jugendpolitik. Sie hat eher ein herziges Wesen.

(Foto: Günther Reger)

Neben dem Polit-Promi Bause gelten Wagner und Walter-Rosenheimer als Basis. Wagner vertritt mit Verteidigung ein grünen-untypisches Thema. Ein "Alleinstellungsmerkmal" sagt sie. Andere meinen, ein schwieriges Thema, von dem sie es nicht immer versteht, es für die Grünen richtig zu drehen. Walter-Rosenheimer hat es mit Jugendpolitik leichter. Doch mehr als die Themen entscheiden am Schluss die Persönlichkeit und die Verankerung bei der Basis.

Bis Dezember ist Wagner ausgebucht, Kreisverbände abtingeln, Aktionen mit der Grünen Jugend. Sie ist "fleißig", aber nicht fleißiger als Walter-Rosenheimer. Und die wird schon "die neue Claudia Roth" genannt. Wer nicht rechtzeitig flüchtet, wird umarmt und geherzt. Wagner dagegen gilt als eher nüchtern. Auch die größte Konkurrentin der zwei, Margarete Bause, ist nicht dafür bekannt, nur Warmherzigkeit zu verströmen. Dafür habe sie "ein klares Profil", sagt die Landtagsgrüne Ulrike Gote. Sie ist sich sicher: "Bause wird es auf jeden Fall schaffen." So eine eindeutige Aussage ist selten.

Wer gewinnt ist völlig offen

Horcht man in die Partei hinein, scheinen die Delegierten als unberechenbare Wesen, die Dynamik auf einer Aufstellungsversammlung nicht vorhersehbar. Ab Platz fünf beginnt bei den Frauen der Angriff, heißt es, wer gewinnt sei "völlig offen". Auch, weil aus anderen Bezirken noch mehr Frauen in den Kampf um die wenigen Plätze ziehen. Lisa Badum etwa aus Oberfranken. Oder Manuela Rottmann, auf die sich vielleicht die Unterfranken verständigen.

Sie ist ein neues Gesicht, aber das muss nicht unbedingt schlecht sein. Wenn es die Dynamik so will, kann ein No-Name bei den Grünen schon mal zum Helden des Abends werden, weil er gerade gut in Form war oder vielleicht einfach nur jung. Ihr Alter sei für Bause deshalb ihr größtes Risiko, heißt es. Sie gehört zum Establishment, eine Ur-Grüne aus einer Zeit, in der die CSU die Grünen am liebsten als sonderbare Spezies in den Zoo gesteckt hätte. Ihre Erfahrung ist aber auch ihr größter Trumpf.

Bause ist neben Claudia Roth das bekannteste Gesicht der Grünen in Bayern. Ihr Bild wird auf dem Grünen-Parteitag Mitte Oktober auf einer großen Stellwand zu sehen sein, sie wird im Mittelpunkt stehen, wenn die Grünen 30. Jubiläum feiern. Ob sie nach all dem, was sie in Bayern erreicht hat, jetzt auch noch nach Berlin muss, bezweifeln manche. Auch die Art und Weise, wie sie ihre Kandidatur in der Partei bekannt gab, stößt nicht nur auf Jubel.

Bundestagswahl: Doris Wagner tut sich mit ihrem Thema Verteidigung nicht unbedingt einen Gefallen, heißt es. Sie tingelt gerade übers Land, um es doch wieder in den Bundestag zu schaffen.

Doris Wagner tut sich mit ihrem Thema Verteidigung nicht unbedingt einen Gefallen, heißt es. Sie tingelt gerade übers Land, um es doch wieder in den Bundestag zu schaffen.

(Foto: Robert Haas)

Immer hieß es von ihr, sie habe sich noch nicht entschieden, und dann konnten Parteimitglieder die brisante Nachricht auf einmal in der Zeitung lesen. Trotzdem heißt es: Das eigene Spitzenpersonal nicht zu wählen, schade der Partei. Stichwahlen gewinne meist der oder die Bekannteste. Selbst Grüne, die ihr nicht gewogen sind, bescheinigen Bause deshalb "sehr gute Chancen".

Mit Fahnen und Trompeten wird sie in Berlin aber wohl nicht empfangen werden. Ihre Kandidatur habe man in der Hauptstadt "mit lässigem Desinteresse" verfolgt, heißt es. Vielleicht auch mit ein wenig Verstimmung bei Claudia Roth. Seit Jahren gilt sie als die Menschenrechtsbeauftragte der Grünen. Jetzt kündig Bause an, auch sie brenne für das Thema. Sie wird sich wohl auch damit anfreunden müssen, von einer bayerischen Spitzenpolitikerin zu einer einfachen Abgeordneten in Berlin zu schrumpfen. Welche Position sie in Berlin anstrebt, will sie noch nicht sagen, betont aber was sie alles mitbringt: "langjährige Erfahrung und strategische Kompetenz".

Nur, was machen sie in Bayern ohne so eine erfahrene Frau? Bei dieser Frage wirken auch die bayerischen Landtagsabgeordneten nicht mehr ganz so entspannt. Vor allem Katharina Schulze treibt es die Verlegenheitsröte ins Gesicht. Mit ihren 31 Jahren, gilt sie als Favoritin für Bauses Nachfolge. Sie sei "mit Abstand das größte junge Talent", Schulze würde der in die Jahre gekommenen Fraktion gut tun, heißt es. Zwar ist sie erst seit 2013 im Landtag, repräsentiere damit aber die Neuen in der Fraktion, immerhin die Hälfte. Sie sei "inhaltlich klar" - und natürlich in ihrer sprudelnden Begeisterung.

Keine schlechte Ergänzung zu Fraktionsvorsitzendem Ludwig Hartmann. Der hat an seinem Auftreten zwar gearbeitet. Er redet nicht mehr ganz so schnell, nuschelt nur noch gelegentlich, trotzdem wirken seine Gesten oft noch wie einstudiert. Außerdem gibt es kaum eine Alternative. Der lange als Konkurrentin gehandelten Einzelkämpferin Claudia Stamm fehlt es an der "integrativen Persönlichkeit", die sich die Fraktion wünscht. Sie hat wohl die Konsequenzen gezogen und sagt: "Für mich kommt das Amt im Moment nicht in Frage". Über so wenig Konkurrenz können Schulze die Anwärter auf die Bundestagsliste der Grünen nur beneiden.

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