Bundespräsident Gauck in Bayern:Keine Probleme? "Das ist ja ein Ding"

Bundespräsident Gauck in Bayern

Bundespräsident Gauck beim Eintrag ins Gästebuch der Staatsregierung. Seine Lebensgefährtin und das Ehepaar Seehofer schauen zu.

(Foto: dpa)

Bei seinem Antrittsbesuch im Freistaat wird Joachim Gauck schnell deutlich gemacht, in welch besonderem Land er sich hier befindet. Einen Grund, nach dem Rechten zu sehen, den gäbe es für den Bundespräsidenten jedenfalls nicht, versichert der Ministerpräsident. Dafür muss Seehofer sich eine spitze Bemerkung gefallen lassen.

Von Mike Szymanski und Susi Wimmer

Für einen Bürgerpräsidenten, wie Joachim Gauck oft auch genannt wird, beginnt der Staatsbesuch in Bayern am Dienstagmorgen mit verhältnismäßig wenigen Bürgern. Es wäre gar nicht nötig gewesen, im Hofgarten hinter der Staatskanzlei Absperrbänder zu ziehen. Denn es sind nur ein paar Dutzend Schaulustige gekommen, die ihren Bundespräsidenten und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt in München an diesem kalten Wintertag begrüßen wollen.

Einige winken, andere applaudieren. Es wäre ein fast schon merkwürdig stiller Empfang für das sonst so beliebte Staatsoberhaupt geworden, wenn in diesem Moment nicht das Musikkorps der Polizei anfangen würde zu spielen. Die Ehrenhundertschaft der Polizei steht stramm, als Gauck jetzt mit ernster Miene an der Seite von Ministerpräsident Horst Seehofer den roten Teppich abschreitet.

Es ist nicht Gaucks erster Besuch im Freistaat. Ende Januar hielt er bei einer Gedenkveranstaltung für die Widerstandsgruppe "Weiße Rose" eine Rede in München. Kurz zuvor hatte er in Nürnberg das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Bundesagentur für Arbeit besucht. Dies aber ist sein offizieller Antrittsbesuch. Gauck besichtigt Bayern, wenn man so will. Er spricht mit Abgeordneten im Landtag, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt erwartet ihn, am Abend reist er nach Regensburg - ein wenig ein Laptop- und Lederhosenprogramm. Der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog hatte diesen Ausspruch, der Leitmotiv der Staatsregierung wurde, 1998 bei seinem Bayernbesuch geprägt.

Was bringt Gauck heute mit?

Es ist eine etwas seltsame Mischung aus leichter Distanz, Neugierde und viel Nachdenklichkeit.

Bayern besuchen ist nicht das gleiche wie mal eben nach Mecklenburg-Vorpommern fahren oder nach NRW. Im Kuppelsaal der Staatsregierung macht ein launiger Seehofer gleich in seiner Begrüßung Gauck darauf aufmerksam, dass Bayern im Ausland ja gerne mal für unabhängig gehalten werde und viele meinten, "es handelt sich beim Freistaat Bayern nicht um einen Teil der Bundesrepublik Deutschland." Seehofer muss auf Intervention von Gauck dann zwar kurz versichern, dass sich Bayern nicht sofort für unabhängig erklären wird. Aber einen wirklichen Grund für Gauck, im Freistaat nach dem Rechten zu sehen, sieht Seehofer auch nicht. Bei der Fahrt vom Flughafen zur Staatskanzlei habe er Gauck auch gleich gesagt: "Wir haben hier keine wesentlichen Probleme."

Gauck nennt das wenig später einen "irgendwie auch bayerisch-glanzvollen Empfang" und bemerkt spitz, er werde jetzt nicht zu einer "zweistündigen Würdigung des bayerischen Wesens im Allgemeinen" anheben. Stattdessen: Keine Probleme? "Das ist ja ein Ding!"

So kurz geht es aber dann doch nicht. Hier im Kuppelsaal der Staatskanzlei wie auch später auch im Gespräch mit den Abgeordneten des Landtags, hat er viel Lob für die Bayern. Die vielen Ehrenamtlichen und politisch Aktiven seien die "eigentliche Prominenz unseres Landes" - überall dort, wo er auf solche Menschen treffe, fühle er sich "glücklich und zuhause". Und in Zeiten in denen diskutiert werde, wie viel Zuwanderung nötig und möglich sei, sende Bayern ein Signal "offener Arme und offener Herzen" aus.

Gauck spricht von einer "elementaren Angst" der Bürger

Mit der Neugründung von Hochschulen in früheren Jahren habe Bayern begriffen, das Traditionen zwar das Herz wärmten, aber das Land auch zukunftsfähig gemacht werden müsse. So einen Bundespräsidenten empfängt Seehofer natürlich gerne. Vorgänger Christian Wulff hatte bei seiner Antrittsrede vor zwei Jahren noch beklagt, Bayern müsse bei Zuwanderung und im Kampf gegen den Fachkräftemangel besser werden.

Vor den Abgeordneten des Landtags und Schülergruppen sinniert Gauck über den Sinn von mehr Bürgerbeteiligung: "Ich erlebe eine Bevölkerung, die entscheidungsmüde geworden ist." Und er kommt auf die wachsende Skepsis der Bevölkerung gegenüber der EU in der Schuldenkrise zu sprechen. Eine "elementare Angst" sei zu spüren, die Bevölkerung stehe vor einer Schwelle. "Die tatsächliche Situation entspricht aber nicht der Sorge, ob wir eventuell umkehren müssen", macht er Mut.

"Auf geht's"

Am Freitag hält er im Schloss Bellevue die erste Grundsatzrede seiner Präsidentschaft, das Thema lautet: "Perspektiven der europäischen Idee". "Ich werde Treue zu Europa einfordern", verrät er im Landtag. Eine knappe halbe Stunde Zeit hat er für die Abgeordneten. "Jeder hätte gerne mehr Zeit mit Ihnen gehabt", sagt Landtagspräsidentin Barbara Stamm.

"Auf geht's", hatte Gauck zu Beginn seiner Bayernreise gesagt. Jetzt sitzt er schon wieder im Auto.

Einen Ort hatte der Bundespräsident für seinen Antrittsbesuch in Bayern selbst aussuchen dürfen. Regensburg. Im Ost-West-Zentrum der Universität informiert er sich am Abend über die prämierte Arbeit des Europaeums, das sich dem fächerübergreifenden Austausch zwischen ost- und westeuropäischen Studenten verschrieben hat. Die Annäherung zwischen Ost und West, für die Gauck bisher unermüdlich warb, weitet er offenbar auf Europa aus. Gaucks ausdrücklicher Wunsch war es, möglichst viel aus erster Hand zu erfahren, er diskutierte mit Studenten und dem Leiter des Europaeums, Professor Walter Koschmal, über Projekte, von denen bereits der frühere EU-Kommissar Günter Verheugen sagte, dass sie der Politik weit voraus seien. Nach einem Eintrag ins Goldene Buch der Stadt steht im Historischen Reichssaal ein Empfang von Seehofer auf dem Programm, zu dem 300 Gäste geladen sind. So endet der Tag für den Bürgerpräsidenten: unter Bürgern.

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