Bürokratieabbau in Brüssel:Wie Stoiber für den Schnupftabak kämpft

Schnupftabak Brüssel Stoiber

Edmund Stoiber will sich für den Schmalzler starkmachen.

(Foto: dpa/dpaweb)

In Brüssel setzt sich Bayerns früherer Ministerpräsident Stoiber unverhohlen für den bayerischen Schnupftabakhersteller Pöschl ein. Kritiker bemängeln, er missbrauche sein Amt als Entbürokratisierer, um Lobbyarbeit für die Tabakindustrie zu betreiben.

Von Wolfgang Wittl

Wie ernst die Firma Pöschl Tabak ihre gesundheitspolitische Verantwortung zu nehmen vorgibt, zeigt bereits der Zugang zu ihrer Homepage. Nur wer die Altersgrenze von 18 Jahren überschritten hat, darf sich informieren. Daher soll der Besucher sein Geburtsdatum eingeben, Ehrlichkeit vorausgesetzt. Wer weiterklickt, erfährt erst einmal nichts zum Thema Tabak-Feinschnitt, sondern jede Menge über die Bedrohung eines bayerischen Kulturguts: Dem Schnupftabak werde in Brüssel der Garaus gemacht.

Retten soll ihn nun ausgerechnet jemand, der seinen Maßkrug schon einmal mit Kamillentee gefüllt hat und statt Weißwürsten lieber Akten frühstückt. Nun ist dieser Edmund Stoiber aber nicht nur der Mann, der die Hoffnungen des bayerischen Schnupftabak-Moguls beflügelt, sondern auch jener, der derzeit die Gegner eines jeglichen Lobbyismus Schlimmes ahnen lässt.

Zur Vorgeschichte: Schon im April 2012 schrieb die Geschäftsführung von Pöschl einen dreiseitigen Brief an den früheren Ministerpräsidenten, um ihn über die für das Familienunternehmen "sogar existenzbedrohenden Entwicklungen auf Ebene der Europäischen Kommission zu informieren", wie es in dem Schreiben heißt. Stoiber möge sich als Vorsitzender der sogenannten High Level Group of Independent Stakeholders on Administrative Burdens dafür verwenden, dass die geplante Tabakrichtlinie keine Arbeitsplätze vernichte.

Die Firma Pöschl in Geisenhausen bei Landshut beschäftigt fast 800 Mitarbeiter und ist nach eigenen Angaben mit einem Anteil von 95 Prozent absoluter Marktführer für Schnupftabak in Deutschland. Das Hauptgeschäft betreibt die Firma zwar mit Zigarettentabak, doch sieht sie "auch die Eliminierung jahrhundertealter kultureller Werte" bedroht. In Bayern weiß spätestens seit dem Siegeszug des Schmalzlers so ziemlich jeder, dass das Pulver "von solcher Kraft" ist, "dass es einem völlig den Verstand raubt".

Stoiber leitete das Anliegen der Firma an den damaligen Gesundheitskommissar John Dalli weiter - mit der Bitte, Pöschls "ernsthafte Bedenken bei dem weiteren Vorgehen der Kommission intensiv zu prüfen, um eine übermäßige Regelung zu vermeiden, die für die Erreichung des politischen Ziels nicht erforderlich ist". Für Lobbycontrol, einen Verein für mehr Transparenz in der Politik, hat Stoiber damit seine Grenzen als neutraler Experte überschritten.

Einfallstor für Lobbyisten

Unter dem Vorwand von Bürokratieabbau habe er seinen privilegierten Zugang zum Kommissar genutzt und sei als Fürsprecher der Tabakindustrie aufgetreten, kritisiert eine Sprecherin von Lobbycontrol. Überhaupt schieße Stoibers Gruppe "ständig über das Ziel der Entbürokratisierung hinaus" und öffne so "das Einfallstor für Lobbyisten". Denn nicht alle Bürokratie sei automatisch zu verdammen.

Die EU zeigt sich von derlei Vorhaltungen reichlich unbeeindruckt. Stoiber habe seine Aufgabe nur im erforderlichen Maße wahrgenommen, erklärte Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Wenn man so will, hat der Bayer Stoiber seine Pflicht also mit preußischer Gründlichkeit erfüllt. Etwa 30 Milliarden Euro an Einsparungen habe seine Gruppe bisher erzielt. Stoiber tue das, wofür er da sei: auf jegliche Art von Bürokratie hinzuweisen. Ob deren Abbau letztlich sinnvoll ist, diese Entscheidung obliegt dann im Einzelfall der Politik.

Die EU-Kommission habe "zu verqueren Theorien aus Absurdistan das Notwendige gesagt", lässt Stoiber ausrichten: "Dass es Leute gibt, die am liebsten noch mehr Bürokratie hätten, gehört zu den Erfahrungen in diesem Ehrenamt." Zuletzt befasste sich seine Gruppe etwa mit "Kennzeichnungspflichten bezüglich Lagerungskissen im Pflegebereich". Dass sie dies so leidenschaftlich tat wie in der Schnupftabakfrage, könnte nun mancher als Zeichen dafür deuten, dass bayerische Interessen bei Stoiber keinen Vorrang haben. Bei Pöschl etwa wird befürchtet, das geplante Verbot von Zusatzstoffen für Schnupftabak sei nur "der erste Schritt in eine totale Regulierung des individuellen Lebens".

Ganz Ängstliche meinen nun, dass derartige Vorschriften über kurz oder lang auch auf andere Genussmittel überschwappen - was Fragen wie diese aufwerfen könnte: Bier ohne Hopfen? Semmelknödel aus Knäckebrot? Auf Edmund Stoiber sollten sich bayerische Traditionalisten da nur bedingt verlassen. Der Mann schnupft bekanntlich noch nicht einmal.

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