Bürgerentscheid zu Olympia 2022:Argumente am Alpenrand

Umwelt, Verkehr, Tourismus: Was am Alpenrand für eine Münchner Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2022 spricht - und was dagegen.

Von Heiner Effern

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Vierschanzentournee Garmisch-Partenkirchen - Martin Schmitt

Quelle: dpa

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Umwelt, Verkehr, Tourismus: Was am Alpenrand für eine Münchner Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2022 spricht - und was dagegen.

Sportstätten

Die Stadien, Pisten und Schanzen am Alpenrand sind großteils vorhanden. Der Eiskanal am Königssee wurde für die Weltmeisterschaft 2011 modernisiert, ebenso das Biathlonzentrum in Ruhpolding für die Welttitelkämpfe 2012. Die Abfahrtspisten in Garmisch-Partenkirchen wurden auch für die alpine WM 2011 auf den neuesten Stand des Rennsports gebracht. Und die dortige neue Großschanze ist seit Dezember 2007 in Betrieb. Sie kostete zwar viel mehr als geplant, ist aber architektonisch und sportlich weltweit angesehen. Dauerhaft neu gebaut werden müsste direkt daneben eine sogenannte Kleine Schanze. Weiter müssten für Snowboard und Skicross noch einige Pisten am Hausberg umgestaltet werden. Komplett als Provisorium entstünde in Ruhpolding ein Langlaufzentrum. Das Stadion auf einer Wiese unterhalb des Unternbergs soll 4000 Sitzplätze bieten, die Zahl der Stehplätze steht noch nicht fest. Trotz der modernen Sportstätten zeigt die Erfahrung: Die olympischen Standards für 2022 werden noch so manche Ertüchtigung nötig machen. Wie diese exakt aussehen und was sie kosten, ist derzeit noch nicht abzusehen.

Winterferien Bayern

Quelle: Sven Hoppe / dpa

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Verkehr

Den größten Nutzen hätte auch 2022 wieder Garmisch-Partenkirchen. Wie 2018 stehen vier neue Tunnel im Verkehrskonzept. Für etwa eine halbe Milliarde Euro würde die Umgehung durch den Kramer fertig- und durch den Wank neu gebaut. Dazu kämen Tunnel an Oberau vorbei und durch den Auerberg am Ende der Autobahn. Im Chiemgau könnte der kleine Ort Eisenärzt zwischen der Autobahn und Ruhpolding eine Umgehung erhalten. Ausdrücklich nichts mit Winterspielen zu tun hätte der Ausbau der Salzburger Autobahn, betonte der Berchtesgadener Landrat Georg Grabner (CSU). Auch ein Tunnel um Reichenhall herum sei kein Thema. Die vielen Gegner dieser Projekte sollen offensichtlich nicht zu Olympiagegnern werden. Auf den Autobahnen von München bis Garmisch und bis zum Inntaldreieck wird bei Winterspielen je eine Fahrspur für die olympische Familie reserviert. Weiter draußen auf dem Land soll es sogenannte Olympic Routes geben, Teilsperrungen sind dort möglich. Anwohner sollen nicht betroffen sein. Zudem sind einige Verbesserungen im Schienennetz geplant. Ziel ist es, möglichst viele Zuschauer in öffentlichen Verkehrsmitteln zu transportieren.

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Quelle: Hartmut Pöstges

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Ökologie

84 Prozent der Sportstätten stehen schon, sagen die Befürworter. 180 Millionen Euro sollen für Nachhaltigkeitsprojekte zur Verfügung stehen. Eine neue Ära von Winterspielen könne beginnen, so grün und nachhaltig würden die Spiele in Oberbayern. Die Gegner führen die enormen Kosten für Strom und Wasser an, die allein für die Beschneiung nötig wären. Die Veranstalter müssten Schneesicherheit garantieren, das sei angesichts des Klimawandels nur mit enorm schlagkräftigen Beschneiungen hinzubekommen. Da würde noch viel nachgerüstet bis 2022. Zudem würde trotz aller Beteuerungen enorm viele Fläche verbraucht und geschädigt, das ginge weit über die Sportstätten hinaus. Parkplätze, neue Straßen, Materiallager, Sicherheitszäune, Sanitäranlagen und vieles mehr sorgten für Schäden. Und beim temporären Langlaufstadion glauben die Gegner nicht, dass dafür keine Befestigung der Loipen nötig wären. Fauna und Flora würden so geschädigt, dass der jetzige Zustand nicht mehr erreicht werden könnte. Zudem erzeugten Winterspiele Unmengen an Müll. Auch sei unklar, ob alle Kläranlagen das Abwasser während der Spiele bewältigen könnten.

Euroscheine

Quelle: dpa

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Finanzen

Die Partner Münchens am Alpenrand eint vor allem eines: Sie sind finanziell mehr oder weniger abgebrannt. Das Berchtesgadener Land und Garmisch-Partenkirchen sind in der Wirtschaftskraft stets Kandidaten für den letzten Platz unter den oberbayerischen Kreisen. Deshalb hoffen sie am Alpenrand: möglichst viel abstauben, möglichst wenig zahlen. Denn das reiche, aber an Wintersportkompetenz arme München braucht die Partner in den Bergen. Schon die Beteiligung an den Bewerbungskosten ist gedeckelt: 394.000 Euro müssen die beiden Kreise, 1,18 Millionen Euro muss Garmisch-Partenkirchen maximal zu den veranschlagten 29 Millionen Euro beitragen. Die Garantien für ein olympisches Minus übernahmen schon bei der vergangenen Bewerbung die Stadt München, Freistaat und Bund. Auch 2022 wird das so sein müssen. Trotzdem sind die Gegner überzeugt, dass Winterspiele den klammen Orten mehr schaden als nutzen. Viele versteckte Kosten würden hängenbleiben, wie etwa der Ausbau von Gemeindestraßen. Und das zu Lasten der Schwachen: Nicht ohne Grund hätte Garmisch für sein neues, WM-taugliches Skigebiet viele Sozialwohnungen verkaufen müssen.

Deutschland Wanderer Wandern Berchtesgaden Kneifelspitze Watzmann

Quelle: dpa

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Wirtschaft

Olympische Winterspiele sind für die Befürworter ein wirtschaftlicher Segen und die Rettung für den an den Alpen kränkelndem Tourismus in einem. Vom überragenden Werbewert schon der Bewerbung und natürlich der Spiele ist die Rede. Und von den vielen sanierten oder gar neuen Hotels, die zahlreiche Handwerker aus der Region beschäftigen werden. Die Wertschöpfungskette soll bis in die hintersten Winkel der beteiligten Landkreise reichen. Gegner fragen sich, warum eine Region, deren Wintertourismus auch wegen des kommenden Klimawandels wenig Zukunft hat, ausgerechnet mit einem Wintersportgroßereignis für sich werben soll. Sie sehen das Potenzial im Tourismus vom Frühjahr bis in den Herbst. Angelockt werden sollen schließlich nicht Partygäste wie etwa im Skiort Ischgl, sondern Menschen, die in intakter, ruhiger Natur Erholung suchen. Die würden aber über Jahre hinweg Baustellen auf den Straßen und in den Urlaubsorten erleben, Dreck und Lärm würden sie auf Dauer vertreiben. Und die heimische Gastronomen sollten sich nicht zu früh freuen: Die Olympische Familie trinke und esse ausschließlich die Produkte ihrer eigenen Sponsoren.

© SZ/afis
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