Bürgerbeteiligung:Bahnbrechend

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Am Sonntag entscheiden die Bürger, ob der Kreis Erlangen-Höchstadt sich weiter an den Planungen für eine Straßenbahn zwischen Nürnberg, Erlangen und Herzogenaurach beteiligen soll. Gewinnen die Gegner, steht das wichtigste Infrastrukturprojekt in der Region auf der Kippe

Von Katja Auer und Olaf Przybilla, Nürnberg

Wie es ausgeht am Sonntag, darüber wagt Ludwig Wahl keine Prognose. Aber dass die Bürger überhaupt abstimmen dürfen, nennt er schon einen Erfolg. Es geht um eines der größten Infrastrukturprojekte in der Region: Seit fast 30 Jahren gibt es Pläne, Nürnberg, Erlangen und das Umland - Herzogenaurach vor allem - mit einer Straßenbahn zu verbinden. Wahl will das verhindern. Der Bürgermeister von Röttenbach hat mit seinen Freien Wählern, der FDP und einer Bürgerinitiative genügend Unterschriften für einen Bürgerentscheid zusammengetragen. Am Sonntag sollen die Bewohner im Landkreis Erlangen-Höchstadt darüber abstimmen, ob ihr Kreis dem geplanten Zweckverband beitritt, der die Bahn planen, bauen und betreiben soll. Es ist nicht weniger als eine Abstimmung über das Projekt mit dem sperrigen Namen "Stadt-Umland-Bahn".

Der Bürgerentscheid kommt zu einer Zeit, in der es eigentlich gut ausgesehen hatte für das Millionenprojekt. Denn die zwei prominentesten Gegner der Bahn sind nicht mehr im Amt. Der Erlanger Oberbürgermeister Siegfried Balleis (CSU) wurde vom jungen SPD-Mann Florian Janik abgelöst, der das Schienenprojekt gleich zu einem Wahlversprechen erhoben hat. Und statt des SPD-Landrats von Erlangen-Höchstadt, Eberhard Irlinger, ist nun der CSU-Mann Alexander Tritthart im Amt, der die Bahn ebenfalls haben will.

Erste Ideen, Erlangen und Nürnberg per Straßenbahn zu verbinden, gehen auf das Jahr 1911 zurück. Seit den frühen Neunzigerjahren wurden die Pläne konkret. (Foto: Stadt Erlangen)

Wie es überhaupt ein großes politisches Bündnis aus CSU, SPD und Grünen gibt. Neben den Oberbürgermeistern von Nürnberg und Erlangen machen sich vor allem die CSU-Minister Joachim Herrmann aus Erlangen und Markus Söder aus Nürnberg für die Bahn stark und haben eine Millionenförderung versprochen. Söder hat unlängst vorgeschlagen, dem Projekt einen anderen Namen zu verpassen. "Metropolbahn" würde er die Stadt-Umland-Bahn, die StUB, gerne genannt wissen, ein nachvollziehbarer Gedanke. Immerhin soll sie zur Hauptschlagader der zweitstärksten Industrieregion in Bayern werden und nicht einfach Städte mit ihrem Umland verbinden. 90 Prozent der Investitionskosten sollen übernommen werden, 60 Prozent vom Bund, 30 Prozent vom Freistaat.

Gerade für den Erlanger Landkreis könnte die Bahn eine neue Ära einläuten. Für Teile zumindest, Herzogenaurach vor allem. Der Stadt mit den Hauptsitzen dreier Weltkonzerne - Adidas, Puma, Schaeffler - ist bisher nur mit Auto oder Bus zu erreichen. Am Werktag pendeln nach Herzogenaurach mehr als 15 000 Arbeitnehmer, eine immense Zahl für eine Kommune mit 24 000 Einwohnern. Auf eine weitere Besonderheit weist Bürgermeister German Hacker (SPD) hin: Aus Herzogenaurach heraus in den Ballungsraum Nürnberg-Fürth-Erlangen mit seinen 750 000 Einwohnern fahren täglich lediglich 5000 Pendler. Also genau andersrum, als man es bei einer Kleinstadt am Rand der Metropole erwarten würde. Dass der heftigste Widerstand gegen die Tram trotzdem aus dem Erlanger Land kommt, findet Hacker da besonders ernüchternd: "Das tut schon weh", sagt er. Immerhin ist Herzogenaurach der Motor des Kreises, die Stadt, in der das Geld verdient wird und die den Kreis zu einem der wohlhabendsten in Bayern macht. Dass gerade internationale Konzerne auf eine gute Anbindung angewiesen sind, müsste eigentlich jedem verständlich zu machen sein, findet Hacker.

(Foto: N/A)

Aber es gibt eben auch den anderen Teil im Landkreis, den weniger prosperierenden um Höchstadt herum, wo sich manche Bürger fragen, was ihnen eine Bahn bringt, die in Uttenreuth enden soll. Gar nichts, meint Ludwig Wahl. Vor allem sei das Projekt viel zu teuer. "Steuermittelverschwendung", sagt er. Und unnötig noch dazu, mit dem Geld ließe sich der Busverkehr verbessern, dann hätten auch alle Landkreis-Bewohner etwas davon, nicht nur die an der Trasse der neuen Straßenbahn.

365 Millionen Euro soll das Projekt nach heutigem Stand kosten, 76 Millionen will die Staatsregierung beisteuern, 152 Millionen der Bund. Blieben insgesamt 137 Millionen für Nürnberg (22,9), Erlangen (82,2) und den Kreis Erlangen-Höchstadt (32,1).

Für Ulrich Maly, Nürnbergs OB, und seinen Erlanger Kollegen Janik (beide SPD) gibt es keine Alternative zur Tram. Zumal sie die neue Kernachse zwischen drei Städten bilden und mit regionalen Bussystemen ergänzt werden soll. Und mit der Bahn würde nicht nur Nürnbergs Flughafen besser mit der Region vernetzt, vor allem aber soll auch der neue Erlanger Siemens-Campus an den Ballungsraum angeschlossen werden. Siemens investiert eine halbe Milliarde Euro in den Campus, das Projekt gilt als größtes Bauvorhaben des Konzerns weltweit, mit dem internationales Publikum nach Franken gelockt werden soll. Da wäre eine gute Anbindung, auch an einen Flughafen, hilfreich.

Busse als Alternative zur Bahn? Bürgermeister Hacker findet das lächerlich. Immerhin baue Nürnberg längst einen neuen Straßenbahnstrang in Richtung Erlangen. "Da wäre ein weiteres System doch absurd", sagt der SPD-Mann. Und wenn sich der Landkreis trotzdem dagegen entscheidet? Dann müsse man am Sonntag neu überlegen, sagt er. Aber beerdigt wäre die Tram deshalb trotzdem nicht, ist Hacker überzeugt. Womöglich würden mit Erlangen und Nürnberg dann erst mal nur zwei Kommunen weiterplanen. Vorläufig.

© SZ vom 16.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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