Buchvorstellung:Traunsteiner Kurznachrichten

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Das Stadtarchiv verwahrt 7200 Plakate. Vor allem die Exemplare aus der Vorkriegszeit sind historische Quellen ersten Ranges

Von Hans Kratzer, Traunstein

Die bevorstehende Bundestagswahl prägt zurzeit das öffentliche Leben. Wo man auch geht und steht, der Blick stößt an fast jeder Ecke, an jedem Laternenmast und auf jeder Anschlagtafel unweigerlich auf Wahlplakate. Zwar sind die meisten recht buntscheckig gestaltet, aber nach altem Brauch sind sie inhaltlich wenig originell und deshalb überwiegend mit Köpfen aller Art versehen. Immer mehr Politiker setzen in puncto Eigenwerbung inzwischen auf die Wirkmächtigkeit von Facebook und Twitter, aber nach allgemeiner Auffassung gilt das Wahlplakat für die Verbreitung einer schlichten politischen Botschaft nach wie vor als unverzichtbar.

Plakatwand am Traunsteiner Stadtplatz, um 1900. (Foto: Stadtarchiv Traunstein)

Mit zunehmender Leidenschaft machen sich auch Unkultivierte und Zerstörer an Wahlplakaten zu schaffen, indem sie diese überkleben, verunstalten oder sogar anzünden. So betrachtet, sind Plakate ein treffender Spiegel der Gesellschaft. Sie verraten viel über ihre Zeit, und nicht selten sind darin spannende Geschichten abzulesen. Nicht umsonst hegt der Archivar des Traunsteiner Stadtarchivs, Franz Haselbeck, ein Faible für historische Plakate. Die Plakatsammlung des Stadtarchivs bietet diesbezüglich eine ergiebige Quelle. Die papierenen Relikte dokumentieren Veranstaltungen und Feste aller Art, dazu sportliche und politische Ereignisse jeglicher Couleur. Die auf das Stadtgebiet begrenzte Sammlung umfasst derzeit gut 7200 Objekte, wobei der Bestand jährlich um etwa hundert Blätter wächst. Am interessantesten sind die gut 400 historischen Dokumente, die vor 1945 erschienen sind, sie sind eine Geschichtsquelle ersten Ranges. Einen Teil davon hat Haselbeck jetzt medial so bearbeitet, dass er ihn in einem opulent gestalteten Bildband präsentieren kann. Vor allem der zum Teil schlechte Erhaltungszustand hat den Archivar zu dieser zeitintensiven Maßnahme bewogen. Denn ältere Plakate, die zumeist gebraucht überliefert sind, reagieren infolge ihrer Größe und vor allem wegen der schlechten Papierqualität sensibel. Schon das Heraussuchen und die Vorlage im Lesesaal kann ihnen kleinere und manchmal größere Schäden zufügen. Nach Abschluss der Inventarisierung dürfen die Originale nun in ihren Umschlägen aus säurefreiem Karton verbleiben, sicher verwahrt in den Spezialschränken des voll klimatisierten Magazins. Für eine normale Benutzung reichen die hochauflösenden digitalen Farbbilder vollkommen aus, sagt Haselbeck.

Die große Zeit der Plakate begann mit der Industrialisierung um 1860

Seit wann es Plakate gibt, ist nicht hundertprozentig geklärt. Sicher ist nur, dass schon die Kulturen des Altertums Waren und Dienstleistungen durch Aushänge angepriesen haben. Erst der Buchdruck ermöglichte die massenhafte Vervielfältigung eines Aushangs. Zum Durchbruch verhalf dem Plakat der von Alois Senefelder entwickelte Steindruck (1798). Um 1860 herum begann die große Zeit der Plakate als Massenmedium. Mit ihrer Hilfe wurde um Wählerstimmen gebuhlt, warben Theater und Kinos für ihr Programm, lockten Kaufhäuser Kundschaft an, und auch die Staatsmacht bediente sich dieses Mediums, um dem Volk erzieherische Botschaften zu vermitteln.

Stark beschädigtes und unsachgemäß restauriertes Plakat über den Tod LudwigsII. vom 14. Juni 1886. Herausgeber: Königliches Regierungspräsidium. (Foto: Stadtarchiv Traunstein)

Davon kündet auch das älteste Exponat der Traunsteiner Sammlung, eine in 19 Paragrafen gestückelte Bekanntmachung "im Namen Seiner Majestät, des Königs von Bayern, die Handhabung der Policei auf öffentlichen Straßen betreffend", vom 24. Februar 1846. Der Text dieses Plakats macht deutlich, wie lohnenswert die Lektüre eines solchen bleiwüstenhaft aufbereiteten Textes letztlich sein kann. "Der Inhalt verrät einiges über das Leben in der damaligen Zeit", sagt Haselbeck. Unter anderem zeigt sich, welche Probleme und Phänomene die gleichen geblieben sind. Ein Rauchverbot gab es zum Beispiel damals schon, aber weniger im Wirtshaus als auf hölzernen Brücken. Das Tabakrauchen und andere feuergefährliche Unternehmungen waren an solchen Orten verboten. Ein Verstoß war "mit 3 Thaler Strafe policeilich zu beahnden."

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(Foto: Stadtarchiv Traunstein)

Gesunde Eltern - gesunde Kinder! Plakat der NS-Volkswohlfahrt, um 1934.

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(Foto: Stadtarchiv Traunstein)

Ankündigung der Flugshow des Fliegers Ernst Udet in Traunstein, 1926.

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(Foto: Stadtarchiv Traunstein)

Plakat des Verbandes der Deutschen Berufsgenossenschaften, ca. 1928.

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(Foto: Stadtarchiv Traunstein)

Herausgeber dieses Plakats aus dem Jahr 1950 war der Skiclub Schleching.

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(Foto: Stadtarchiv Traunstein)

Ankündigung der Skimeisterschaft in Traunstein 1928.

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(Foto: Stadtarchiv Traunstein)

Ein Plakat aus dem Kriegsjahr 1918: Brennesseln als Baumwollersatz.

Der Bildband umfasst zum Teil grandios gestaltete Plakate zu Themen wie Volksfest, Theater, Politik, Kunst, Brauchtum, Sport und städtisches Leben. Am markantesten wirken die Wahl- und Alltagsplakate aus der Weimarer Republik, am erschreckendsten die Bilder der NS-Propaganda.

Franz Haselbeck, Öffentlicher Anschlag - Plakate als Spiegel der Traunsteiner Stadtgeschichte", hrsg. vom Historischen Verein für den Chiemgau zu Traunstein, 29,80 Euro. Zu beziehen über den örtlichen Buchhandel und über das Rathaus Traunstein. Auf Wunsch wird der Bildband auch zugeschickt.

© SZ vom 13.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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