Britische Firma übernimmt S-Bahn-Betrieb:"Kein guter Tag für Nürnberg"

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Rote S-Bahn in Nürnberg - wenn das britische Unternehmen den Betrieb übernimmt, könnte sich auch optisch etwas ändern. (Foto: dpa)
  • Ein britischer Konzern übernimmt künftig den S-Bahn-Betrieb in Nürnberg. Die Reaktionen darauf sind verhalten bis kritisch.
  • Bei der Deutschen Bahn Regio in Nürnberg ist die Rede von "Untergangsstimmung".
  • Kritiker befürchten negative Auswirkungen für die Beschäftigten der DB Regio, andere für die Fahrgäste in Franken.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Nein, Tobias Richter will nicht feiern. Er erklärt das so: Natürlich hätte er als Geschäftsführer der Deutschlandtochter des britischen Verkehrsunternehmens National Express Rail (NX) allen Grund zum Jubeln. Immerhin ist es das erste Mal, dass das Unternehmen in Bayern zum Zug kommt, und dann gleich beim zweitwichtigsten S-Bahn-Netz im Freistaat. Andererseits gehe es ihm da so, "als wenn Miro Klose gegen Polen ein Tor schießt".

Richter hat nicht nur bei der Deutschen Bahn sein Handwerk gelernt, er war mal ordentlicher Bundesbahnbeamter und als solcher Jahre lang im Großraum Nürnberg beschäftigt. "Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie es den Kollegen bei der DB Regio jetzt geht." Dort, bei der DB Regio in Nürnberg, wird das so bestätigt, die Rede ist von "Untergangsstimmung".

"Bayerischer Ausschreibungswahnsinn"

Gejubelt wird auch deshalb nicht, weil der britische Konzern sich nach den ersten Reaktionen aus Nürnberg auch ganz allgemein nicht übermäßig willkommen fühlen muss. Für Oberbürgermeister Ulrich Maly "ist das leider kein guter Tag für den ältesten Bahnstandort in Deutschland". Er finde "diese Entscheidung überhaupt nicht lustig". Martin Burkert, SPD-Bundestagsabgeordneter aus Nürnberg und Bahngewerkschafter, spricht von "bayerischem Ausschreibungswahnsinn" und befürchtet, dass die "Leidtragenden dieser Entscheidung die Beschäftigten der DB Regio" sein werden.

Wieder andere befürchten, dass vor allem für Fahrgäste in Franken von Dezember 2018 an unrunde Zeiten anstehen könnten. Denn wie war das 2010 im verkehrstechnisch komplexen Ballungsraum Nürnberg, als die Bahn das S-Bahn-Netz verdreifachte und als großen Wurf anpries? So ziemlich nichts funktionierte reibungslos zunächst. Damals aber hieß der Betreiber vorher und nachher: DB Regio.

Das pünktlichste Schienenverkehrsunternehmen auf der Insel

Richter arbeitete mal im Pressebüro der Bahn, mit Kritik und etwas harscher vorgetragenen Bedenken lernt man da umzugehen. National Express hat in Deutschland noch nicht mal das Laufen, geschweige denn Fahren gelernt, schließlich wird der Konzern Ende des Jahres gerade mal zwei Regionalexpressbahnen übernommen haben - die eine von Krefeld nach Münster, die andere von Wuppertal nach Bonn? Mag so sein, sagt Richter, aber auf der Insel gelten die Briten als pünktlichstes Schienenverkehrsunternehmen überhaupt und da sei man immerhin im Großraum London unterwegs, verkehrstechnisch doch eine etwas andere Liga als Nürnberg/Fürth.

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Woher aber das Personal nehmen? Die DB-Regio-Mitarbeiter - betroffen sind im Großraum Nürnberg etwa 500 - werden dem Konzern willkommen sein, sagt Richter, und wenn er nun Unkenrufe über "Lohndumping" höre, könne er nur schmunzeln. "Es gibt quasi keine arbeitslosen Zugführer, so was können wir uns doch gar nicht leisten." Tarifverträge? Strebe man an, allen Horrorszenarien zum Trotz.

Kollateralschäden für Fahrgäste

Die Triebwagen? Sollen aus Tschechien kommen, gar nicht weit von Nürnberg entfernt, von Škoda. Zusammen mit Lohnkosten und Netzgebühren spreche man über ein Investitionsvolumen von 1,3 Milliarden Euro bis 2030. Die Wartung der neuen Wagen? Man hoffe - wie in Nordrhein-Westfalen - mit der DB über eine Nutzung der bestehenden Werkstätten überein zu kommen, die Infrastruktur dafür sei gut in Nürnberg. Der Übergang im Jahr 2018? Den strebe man nicht als einen an, der sich "an einem Stichtag eine Stunde nach Mitternacht" vollziehe. Sondern schrittweise, aber auch das natürlich nur, falls die DB da in drei Jahren mitspiele, sagt Richter.

Betriebswechsel binnen drei Jahren? Man werde das genau beobachten, reibungslos sei so ein Übergang nie zu bewerkstelligen gewesen, sagt der Abgeordnete Burkert. Und Oberbürgermeister Maly schwant schon ein "Übergang ohne vorher möglichen Laborversuch". Die zu erwartenden "Kollateralschäden würden dann die Fahrgäste unmittelbar betreffen".

© SZ vom 04.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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