Brauchtum:Wo Prozessionen zu Fronleichnam Tausende Schaulustige anlocken

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In der Pfarrei Seehausen am Staffelsee wird an Fronleichnam der seltene Brauch einer Seeprozession gepflegt. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die Pracht des katholischen Brauchs fasziniert bis heute - auch wenn immer weniger Menschen noch etwas mit dem Anlass anfangen können.

Von Hans Kratzer und Klaus Ott, München

"Wer das katholische Bayern in seinem Kern ergründen will, der kommt nicht umhin, bei einer Fronleichnamsprozession mitzumarschieren." Das sagt der Kabarettist Bruno Jonas, der einst im Passauer Katholizismus sozialisiert worden ist und deshalb die Kraft der alten Bräuche bestens kennt. Andererseits weiß mittlerweile ein rasant wachsender Teil der Bevölkerung mit Festen wie Fronleichnam nichts mehr anzufangen. Heutzutage werden die religiösen Bedürfnisse der Menschen eher vom Fußball gestillt als von kirchlichen Traditionsfesten wie Fronleichnam, die einer Reihe von Bundesländern immerhin einen zusätzlichen Feiertag bescheren.

Dass das althochdeutsche Wörtlein "fro" (Herr) den Schlüssel für die Bedeutung von Fronleichnam (Leib des Herrn) bildet und dass dieses Fest europaweit schon seit 1264 alljährlich am zweiten Donnerstag nach Pfingsten gefeiert wird, tangiert nur noch eine Minderheit. Gleichwohl locken die farbenfrohen Fronleichnamsprozessionen Tausende Schaulustige an, sei es die Seeprozession am Staffelsee oder die Prozession mit den drei eisernen Rittern in Landshut. In einer intensiven Pracht hat sich der alte Fronleichnamskult auch in Bamberg erhalten. Die dortige Prozession, eine der größten in Bayern, führt vom Domplatz aus kilometerlang durch die Altstadt und wieder zurück.

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Auch die Bamberger Gärtner werden sich wieder in die Prozession einreihen. Wie immer werden sie die Figur ihrer Schutzheiligen Maria Magdalena mittragen. In der Weltkulturerbestadt Bamberg ist Fronleichnam eine Mischung aus Religion, Tradition und Touristen-Attraktion. Die Prozession spiegelt die alte gesellschaftliche Ordnung in der Stadt wider. Mittendrin sind die Gärtner. Die seien in der Prozessions-Ordnung entsprechend ihrem Status seit dem Mittelalter "immer weiter nach vorne gerutscht", erzählt Hubertus Habel. Er ist der Leiter des Gärtner- und Häckermuseums, wo die Geschichte der Bamberger Gärtnerstadt erzählt wird, eines urbanen Anbaugebiets, umgeben von Häuserreihen. Im Museum werden auch die Heiligenfiguren verwahrt, die zur Prozession herausgeholt und durch die Stadt getragen werden, allen voran die Gottesmutter Maria. Die Gärtner betrachten Fronleichnam als die fünfte Jahreszeit, wichtiger als Weihnachten. "Weil da der Herrgott in die Straßen kommt."

Die Bamberger Prozession ist noch voller barocker Farbenpracht. Sie bietet einen Reigen von Festgewändern, Fahnen, Statuen und Kreuzen, von denen manche so schwer sind, dass sie zwischendurch abgestellt werden müssen. Auf eigens mitgetragenen kleinen Gerüsten, die wie große Stühle wirken, und von eigenen Trägern mitgeführt werden. Die Stuhlträger unter den Gärtnern waren ehedem auch eine Art Brautwerber. Sie überbrachten nach der Prozession dem Mädchen, auf das ein Bursche ein Auge geworfen hatte, einen Blumenstrauß. Aber wehe, jemand aus der unteren Gärtnerstadt wollte in die obere einheiraten oder umgekehrt. Da habe es früher schon mal Prügel gegeben, erzählt Museumsleiter Habel. Das seien "geschlossene Heiratszirkel" gewesen.

Diese Zeiten sind längst vorbei, die Gärtner aber laufen beim Fronleichnamsumzug immer noch mit. Zusammen mit Geistlichen, Ministranten und Ordensleuten, mit Innungen und Vereinen, mit Vertretern von Behörden, Universität und sonstigen Institutionen, mit Frauenverbänden, Bruderschaften und Kirchenverwaltungen. Die Reihenfolge ist streng geregelt. Auch der Domchor gehört dazu. Er marschiert nicht weit hinter dem Domkreuz, das mit 16 Zentnern Gewicht das schwerste Stück des Umzugs ist und von 18 Männern getragen wird. An Freiwilligen für die schweißtreibende Tätigkeit herrscht angesichts der Bedeutung von Fronleichnam in Bamberg kein Mangel. Die Geschichte der Prozession reicht immerhin bis 1390 zurück.

Die wirtschaftliche Bedeutung von Fronleichnam in Bamberg

Im Laufe der Jahrhunderte wurde aus dem Kirchenfest auch ein weltliches Ereignis. Bereits 1810 hat sich der Pfarrer von St. Gangolf in Bamberg über "Unandächtigkeiten" beklagt. Gemeint war das "verordnungswidrige" Aufstellen von Viktualienbuden und Bratwurstständen, schreibt Angela Treiber, Professorin für Europäische Ethnologie und Volkskunde an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Treibers Aufsatz aus dem Jahr 2004 trägt den Titel "Lokalkultur und Tourismus". Darin ist nachzulesen, ein "Verein zur Hebung des Fremdenverkehrs" habe frühzeitig die wirtschaftliche Bedeutung von Fronleichnam in Bamberg erkannt, mit "Frühkneipe in der Weinrestauration", Mittagstisch und Konzerten. Auch in diesem Jahr werden Tausende Besucher erwartet. Wem das nicht genügt, der kann am Sonntag nach Fronleichnam noch die kleine "Bratwurscht-Prozession" in der Gärtnerstadt besuchen, wie das dort genannt wird.

18 Männer tragen in Bamberg das 16 Zentner schwere Domkreuz durch die Stadt. Zuschauer säumen die Straßen. (Foto: Hendrik Steffens/Pressestelle Erzbistum)

"Auch die Fronleichnamsprozessionen zeigen eine Tendenz zur Säkularisierung und Verweltlichung", sagt Michael Ritter vom Landesverein für Heimatpflege. Bei Spektakeln wie in Bamberg werden mehr Zuschauer als aktive Teilnehmer gezählt. Aber auch auf den Dörfern geht die Zahl der Prozessionsteilnehmer spürbar zurück. "Die Menschen fahren lieber als Zuschauer zu Prozessionen und Umritten, um andere bei der Ausübung eines Brauchs zu beobachten", sagt Ritter.

Es gibt sogar Prozessionen auf dem Wasser

Das Zuschauen ist aber auch zu verlockend. Fronleichnamsprozessionen, die schon seit dem Mittelalter praktiziert werden, gelten gerade in Bayern als die schönste Selbstdarstellung der katholischen Kirche in der Öffentlichkeit. Es gibt sogar Prozessionen auf dem Wasser, wenngleich die berühmteste Seeprozession, jene auf dem Chiemsee, 1972 eingestellt wurde. In Seehausen am Staffelsee existiert sie noch. Hier besteigen die Gläubigen blumengeschmückte Boote und Kähne und folgen dem Schiff mit dem Traghimmel und dem Allerheiligsten. Fast erdrückt vom Touristenstrom, fällt es den Seehausenern aber nicht leicht, die Prozession als Zeugnis gelebter Frömmigkeit zu erhalten.

In der Aufklärungszeit wurden die barocken Prachtprozessionen, bei denen es durchaus zu Auswüchsen kam, verboten oder gestutzt. Wie eine penibel geordnete Prozession ausgesehen hat, ist in alten Kupferstichen in Landshut überliefert. Noch heute ist diese Pracht zu spüren. In Landshut wird die Prozession wie eh und je von drei eisernen Rittern angeführt.

© SZ vom 14.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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