Totenbretter-Kult in Bayern:Hupfer aus dem Fegefeuer

das Wegkreuz bei Schödling mit Totenbrettern, Gmd. und Pfarrei Teisendorf

Zum Gedenken an die Verstorbenen werden in manchen Gegenden Bayerns, wie hier im Berchtesgadener Land, Totenbretter aufgestellt.

(Foto: Rosi Fürmann)
  • Der Totenbretter-Kult ist in einigen Teilen Bayerns bis heute verbreitet.
  • Zum Gedenken an einen Verstorbenen werden Bretter meist an landschaftlich schönen Orten angebracht.
  • Diese Relikte sind Zeugnisse des alten Volksglaubens, wonach die armen Seelen erst dann aus dem Fegefeuer hüpfen, wenn das Brett verwittert ist.

Von Hans Kratzer, Bodenmais

Früher war das Leben vom Tod weitaus enger umschlungen als heute. Das alte bayerische Totenbrauchtum sollte dem Tod sogar durch Verbreitung von Heiterkeit und Frohsinn den Stachel ziehen. Jeder kennt die einschlägigen Grabsprüche, etwa von der Art: "Hier liegt Martin Krug, der Kinder, Weib und Orgel schlug". Solche Scherze stammen aus einer Gesellschaft, in der die Menschen mit dem Tod viel natürlicher umgegangen sind als die heutige Gesellschaft, die den Tod zum anonymen Begleiter macht und ihn ins Krankenhaus abschiebt.

Um wie viel natürlicher kam der Tod daher, als die Menschen noch zu Hause starben, in der eigenen Fletz aufgebahrt und dort ohne Scheu betrauert wurden. Der Tod war Bestandteil des öffentlichen Lebens. Die Totenwache wurde mit Gebeten, Gesängen und einer Trauerkultur zelebriert, die das Kartenspiel und das fröhliche Wort nicht ausgeschlossen hat.

Auch in der Landschaft wurde der Mensch stets an seine Vergänglichkeit erinnert. In einigen Landschaften Niederbayerns, der Oberpfalz und Oberbayerns sind Reste dieser Kultur nach wie vor sichtbar, vor allem in der Gestalt von Totenbrettern. Diese Relikte sind eindringliche Zeugnisse des alten Volksglaubens, wonach die armen Seelen erst dann aus dem Fegfeuer hüpfen, wenn das Brett verwittert ist. Obwohl kaum noch jemand an die Fegfeuerlehre glaubt, lebt der Totenbretter-Kult in manchen Gegenden munter weiter.

Der Brauch war an vielen Orten verbreitet

Im 19. Jahrhundert war dieser Brauch weit verbreitet. Selbst in Köln ist er dokumentiert, darüber hinaus in ganz Bayern, im alemannischen Raum und in Österreich. Nur im Passauer Gebiet ist er nicht nachweisbar, warum auch immer. Um den Ursprung der Totenbretter zu ergründen, muss man in jene Zeit zurückblicken, in der die Toten noch auf sogenannten Bahrbrettern aufgebahrt wurden. Vor der im 17. Jahrhundert aufkommenden Sargbestattung wurden die Bretter entweder mit dem in ein Leinentuch gewickelten Leichnam vergraben oder aufs Grab gelegt. Später wurden die Bahrbretter als Gedenktafeln in der weiten Flur aufgestellt. Oft geschah dies am Rande von alten Kirchenwegen, wo die mit den Namen der Verstorbenen beschrifteten Bretter den Passanten ermunterten, für den Toten zu beten.

Lustige Verserl waren die Ausnahme. "Durch einen Ochsenstoß, kam er in Gottes Schoß. Er fand die ewige Ruh, durch dich, oh Rindviech, du!" So klingen die auf Totenbrettern formulierten Zeilen ganz selten, wie der Volkskundler Reinhard Haller feststellte, der diesen Brauch umfassend dokumentiert hat. "Da waren fast nur ernste Sentenzen über Tod und Vergänglichkeit zu lesen", sagt Haller.

Wie Vereine den Brauch pflegen

Gebrauchslyrik, die von Pfarrern, Lehrern und Schreinern verfasst wurde: "Frommer Christ, steh still / ein Vaterunser ist nicht viel / bet's mit heller Stimm / weil ich so früh gestorben bin." Oder: "Ich lieg im Grab und muss verwesen / was ihr jetzt seid / bin ich gewesen / was ich jetzt bin, das werdet ihr / geht nicht vorbei und betet mir!"

Fast immer schwingt die flehende Bitte mit, für die arme Seele zu beten und sie aus dem Fegfeuer zu erlösen. Den Vorfahren war es ein elementares Anliegen, die Toten aus ihrer Not zu befreien. Deshalb griffen sie zunächst auf einfache Bretter zurück. Dahinter steckte der Glaube, dass der Mensch erst erlöst werde, wenn das Totenbrett verrottet war. Deshalb landete so manches Totenbrett in einem Feuchtgebiet oder an einem Bach, damit es sich schnell auflöste. Erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Totenbretter bemalt und an geschützten Orten aufgestellt, etwa unter einem Dach oder in einer Kapelle, wo sie länger erhalten blieben.

Viele Totenbretter im Bayerischen Wald

Die meisten Totenbretter sind in der Gegend von Regen und Viechtach im Bayerischen Wald zu finden. Hier hat Reinhard Haller auch die ältesten noch existierenden Exemplare dokumentiert. "Tausende waren es noch vor 30, 40 Jahren", sagt Haller, aber auf seinen letzten Kontrollfahrten hat er feststellen müssen, dass bereits gut zwei Drittel des Altbestands verschwunden sind. Trotzdem erlebt der Brauch eine gewisse Renaissance. Zwar stellen nur noch wenige Familien und Privatleute Totenbretter auf, dafür kümmern sich nun die Vereine um den Fortbestand des Brauchs. Stirbt ein Vereinsmitglied, wird ihm zu Ehren häufig ein Totenbrett gespendete, an manchen Plätzen sind auf diese Weise bereits ganze Bretterwände entstanden.

Stets lauert auch die Gefahr des Kitschs. Der Fotograf Herbert Pöhnl dokumentiert auch die komische Seite des Brauchs. Er lichtete im Bayerischen Wald Totenbretter ab, die wie billige Werbeplakate an einer Wand befestigt sind, persifliert durch eine daneben hängende Aufschrift "Eintritt für Unbefugte verboten". Mit Lackfarbe konserviert, mutieren diese Totenbretter zur hochglanzpolierten Realsatire.

Meistens aber begegnet man diesem Brauch an Wanderwegen und schönen Landschaftsplätzen, wo das Holz aber aller Konservierung zum Trotz oft schnell verwittert. Schon nach kurzer Zeit sind die Namen der Toten nicht mehr zu lesen, womit der Brauch zu seinem Ursprung zurückkehrt. Aber nur, weil die modernen Industriefarben nicht annähernd die Beständigkeit der Farben aus früheren Handwerkszeiten besitzen.

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