Blockierte Gleise:"Gonzalo" stört die Bahn

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(Foto: N/A)

Äste auf den Schienen, Bäume, die Oberleitungen abreißen: Wenn im Freistaat ein Gewittersturm wütet, dann sind immer die selben Bahnstrecken blockiert. Die Bayerische Eisenbahngesellschaft fordert nun Nachbesserungen, die Bahn gibt sich kleinlaut - und schiebt die Schuld auf die Baumbesitzer.

Von Sarah Kanning, München

Äste auf den Schienen, Bäume, die Oberleitungen abreißen: Wer in diesen Tagen mit Bahn oder S-Bahn nach Oberammergau, Mittenwald oder auch nur nach Wolfratshausen fahren muss, ist zu bedauern - und das nicht zum ersten Mal. Wenn im Freistaat ein Gewitter wütet, sind es immer die selben Strecken, auf denen danach nichts mehr geht.

Auch am Donnerstag konnten keine Züge auf den Strecken Tutzing-Seeshaupt, Murnau-Oberammergau und auf der S-Bahn-Linie S 7 von Baierbrunn nach Wolfratshausen fahren, nachdem die Ausläufer des Orkans Gonzalo in der Nacht zum Mittwoch über den Freistaat gefegt waren. Insgesamt ein Dutzend Streckenabschnitte musste die Bahn in Bayern sperren, viele davon liegen in Waldgebieten.

Die Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG), die die Nahverkehrsstrecken in Bayern vergibt, fordert jetzt Nachbesserungen von der DB-Netz: Die Bäume und Pflanzen an den Gleisen müssten dringend zurückgeschnitten werden. "Wir haben die DB-Netz mit Nachdruck aufgefordert, umgehend Maßnahmen einzuleiten, damit die Zahl der betroffenen Streckenabschnitte weniger wird", sagte BEG-Geschäftsführer Johann Niggl. Denn auf allen Abschnitten, auf denen Bäume zu nahe an den Gleisen stehen, dürfen Züge schon bei Windstärke 8 nur noch mit einer Höchstgeschwindigkeit von 80 Kilometern in der Stunde fahren.

180 Strecken sind im Freistaat betroffen

Und das betrifft im Freistaat fast 180 Strecken, dabei ist Windstärke 8 nach der Windwarnskala des Deutschen Wetterdienstes ein "stürmischer Wind". Er kann Zweige von Bäumen reißen, aber erst ab Windstärke 10 kann ein Baum brechen. Von allen derartig betroffenen Strecken in Deutschland befindet sich das Gros in Bayern. Die Folge: Es gibt zahlreiche und erhebliche Verspätungen im bayerischen Regionalverkehr.

Unwetter in Bayern
:"Gonzalo" bringt Chaos und Schnee

Umgestürzte Bäume, abgedeckte Hausdächer, ein Stromausfall: Ein Unwetter hat Millionenschäden in Bayern verursacht, nebenbei den Verkehr lahmgelegt - und Schnee gebracht. Eine Bilanz.

Am Donnerstag räumte die Bahn die Vorwürfe ein: An vielen bayerischen Strecken stünden Bäume zu nah am Gleis, sagte Bahnsprecher Franz Lindemair dem BR. Aber erst bis Ende 2017 könnten alle Bäume auf den Nebenstrecken so zurückgeschnitten sein, dass sie bei einem Sturm nicht in den Schienenbereich stürzen. Nicht jeder private Waldeigentümer wolle seine Bäume hergeben, heißt es bei der Bahn. Doch wie der Fahrgastverband Pro Bahn aus Weilheim-Schongau mitteilte, wurde vor allem in der Ära des ehemaligen Bahnchefs Hartmut Mehdorn an den Gleisen "ein gewisser Wildwuchs zugelassen".

Bahnsprecher Lindemair kündigte an, dass die Bahn für die nächsten Jahre mehr Zuschüsse für den Streckenunterhalt vom Bund erhalten werde. "Gott sei Dank", kommentierte der Fahrgastverband. Das Thema diskutiere man schon seit längere Zeit. Gerade im Werdenfelser Land sei die Situation "katastrophal". Nach Gonzalo waren gleich drei Streckenabschnitte in diesem Gebiet nicht mehr befahrbar. "Früher kümmerten sich die Bahnmeistereien darum, dass die Strecken rechtzeitig freigeschnitten sind. Heute arbeitet die Bahn nicht mehr präventiv sondern korrektiv - und das ist meist zu spät", ärgerte sich Kreisgruppenchef Norbert Moy.

Es gibt eine Liste von geeigneten Pflanzen

Selbst beim Bund Naturschutz sieht man die Rückschnitt-Ankündigung gelassen: "Die Bahn muss ihrer Verkehrssicherungspflicht nachkommen, auch wenn der wilde Wuchs momentan ökologisch schön aussieht", sagte Bund-Verkehrsexperte Werner Reh. Zudem gebe es Alternativen zum Kahlschlag an den Trassen: "Es gibt eine Liste, welche Pflanzen geeignet sind, an Bahngleisen zu wachsen."

Für die Bahn ist die Sicherheit des Bahnverkehrs nach eigener Aussage "das oberste Ziel". "Besser einmal langsamer fahren, als hinterher lange Streckensperrungen zu riskieren", sagte Lindemair. Die BEG fordert eine Nachbesserung der Richtlinie über das Langsamfahren bei Sturmwarnung, da sie "in der Praxis unverhältnismäßig hohe Auswirkungen auf die Pünktlichkeit des bayerischen Regionalverkehrs" habe.

Dass die Bahn auf präzisere Wetterinformationen hofft, kann man beim Deutschen Wetterdienst nur bedingt nachvollziehen: "Bei Sturm sind unsere Voraussagen relativ präzise, wir haben 7500 Ballonaufstiege im Jahr, Wettersatelliten, Radar und Wetterstationen", sagt Uwe Kirsche. Momentan fänden die Voraussagen auf Landkreisebene statt, "es ist die Frage, inwiefern man das intensivieren kann".

© SZ vom 24.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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