Bildung:Bayerns neuer Schulminister stellt Islamunterricht in Frage

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Bei Schülern ist der Islamunterricht beliebt, er sorgt für ein friedliches Miteinander - hier an der Grundschule in Neumarkt in der Oberpfalz. (Foto: Peter Roggenthin)
  • Der Modellversuch Islamischer Unterricht läuft seit acht Jahren.
  • Lehrkräfte, Experten und Schüler würden den Unterricht gerne beibehalten, laut Schulminister Sibler soll der Versuch Ende Juli 2019 auslaufen.
  • Wie es danach weiter geht, ist noch unklar. Sibler kann sich auch einen verstärkten Ethikunterricht vorstellen. An den Schulen herrscht nun totale Verunsicherung.

Von Anna Günther, München

Bis zur Landtagswahl sind es noch sechs Monate, der Modellversuch Islamischer Unterricht endet 2019. Trotzdem erregt die Zukunft des Islamunterrichts seit Wochen die Gemüter. Dabei sollte dies unbedingt vermieden werden, jedenfalls wenn es nach Experten in Schulen, in der Politik und in den Verbänden geht. Zu viel Aufmerksamkeit könnte das Projekt gefährden, hörte man da. Widersprüchliche Signale kommen nun von der CSU. Sie lösen bei Schülern und Lehrern große Verunsicherung aus. Der geschasste Schulminister Ludwig Spaenle hatte zu Jahresbeginn erklärt, der Modellversuch Islamischer Unterricht könnte auch auf ganz Bayern ausgeweitet werden - wenn es nach ihm ginge. Kurz darauf setzte Ministerpräsident Markus Söder Spaenle ab und dessen Staatssekretär Bernd Sibler ein. Sibler zieht einen klaren Strich: Der Modellversuch wird am 31. Juli 2019 nach acht Jahren auslaufen.

Was danach kommt? Sibler möchte die wissenschaftliche Evaluation abwarten, dann werde entschieden. "Statt des Islamischen Unterrichts einen verstärkten Ethikunterricht anzubieten, ist eine Möglichkeit unter mehreren", sagt der neue Schulminister. Was das genau sein soll, sagt er nicht. Die Möglichkeiten würden nach der Evaluation geprüft. Für die Fachleute ist der Erfolg unbestritten, Islamunterricht gilt als guter Weg zur Integration, werde von Eltern und Kindern angenommen.

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Derweil bringt Ministerpräsident Söder eigene Sprachklassen mit Werteunterricht für Flüchtlings- und Migrantenkinder ins Gespräch. Dem flächendeckenden Ausbau des Modellversuchs hatte er schon vor Monaten eine Absage erteilt. Ziel ist bei beiden Unterrichtskonzepten die Integration von Zuwandererkindern - eigentlich. Die Freien Wähler fürchten, dass Söders Vorschlag zu einer "Zwei-Klassen-Gesellschaft" im bayerischen Schulsystem führe, zusätzliche Mittel müssten in den normalen Unterricht fließen. Für Thomas Gehring, den bildungspolitischen Sprecher der Grünen im Landtag, ist das ein "idealer Zeitpunkt" für eine grundsätzliche Offensive für Islam-, Religionsunterricht und Ethik.

Am kommenden Donnerstag werden mehrere Anträge Thema im Bildungsausschuss des Landtags sein. "Dass Sibler nun Spaenle abräumt, ist ziemlich heftig", sagt Gehring. Die Grünen wollen, dass Islamunterricht auch als Religionsunterricht gilt. Das wird die CSU nicht mittragen. Denn es gibt keine einheitliche Vertretung der Muslime in Bayern, die bei Lehrplänen oder Studium mitsprechen könnten. Also bleibt Islamischer Unterricht in Bayern ein Provisorium, nicht Religionsunterricht im Sinne der Verfassung.

Zurück bleiben im Wahlkampfgetöse diejenigen, die es betrifft: An vielen der 357 Schulen, die in Bayern Islamischen Unterricht anbieten, herrscht Verwirrung. Geht es nun weiter oder nicht, ist das Wahlkampf oder ernst? "Die Schüler werden das nicht verstehen", sagt eine Lehrerin. 95 staatlich ausgebildete Lehrer unterrichten derzeit 14 000 Kinder. Insgesamt lernen etwa 100 000 muslimische Buben und Mädchen im Freistaat. Für flächendeckenden Unterricht fehlen Lehrer und Klassen an weiterführenden Schulen. Bisher bieten vier Realschulen, drei Gymnasien und zwei Berufsschulen Islamunterricht an.

Fragt man in den Schulen nach, ist die Antwort klar: Es muss weitergehen. Am Pirckheimer Gymnasium in Nürnberg schreibt Direktor Benedikt Mehl dem Islamunterricht zu, dass es an seiner Schule seit der Einführung 2013 keine Konflikte mit muslimischen Eltern gebe, die ihre Töchter nicht zum Schwimmen oder ins Skilager ließen. Schüler und Eltern fühlten sich geschätzt. Die wenigsten Muslime belegten noch Ethik. Die Schüler gehen weiter: Die Islamstunden haben spirituelle Wirkung, sagt eine Zehntklässlerin mit Nasenpiercing und offenem Haar. Sie finde in den Stunden zu sich und lerne viel über ihre Religion. "Früher traute ich mich nicht, daheim kritische Fragen zu stellen, zur Kopftuchpflicht zum Beispiel. Der Vater sagt, es sei Pflicht. Die Mutter sieht es anders. Aber das Kopftuch bedeutet nicht automatisch, ein guter Muslim zu sein." Ihre Mitschülerin lässt sich von den Eltern nicht länger die Partnerwahl vorschreiben, "alle monotheistischen Religionen sind möglich", sagt die 16-Jährige. Ein Ende des Islamunterrichts ist für sie unvorstellbar.

Simone Fleischmann kennt die Fragen als Präsidentin des bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV). Wahlkampf auf dem Rücken der Kinder lehnt sie ab. Was Wertekunde, Deutschklassen und erweiterter Ethikunterricht konkret bedeuten sollen, wisse niemand. "Wenn das mehr Zeit, mehr Ruhe, mehr Stunden, mehr Qualität und mehr Förderung bedeutet, bin dabei", sagt sie.

© SZ vom 11.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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