Bildung:Neuer Ärger für Minister Spaenle und sein G 9

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Die Eltern der letzten G-8-Generation sind verärgert. (Foto: Marijan Murat/dpa)
  • Offiziell startet das G 9 im September 2018, inoffiziell vollzieht sich die Rückkehr zu neun Jahren aber schon in diesem Jahr.
  • Die Eltern der letzten G-8-Schüler sind unzufrieden. Es werden Stimmen laut, die sofort die Einführung des G 9 wollen.
  • Aus Sicht des Ministeriums gibt es gute Gründe, dies nicht zu tun.

Von Anna Günther und Melanie Staudinger, München

Mit der Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium wollen Ministerpräsident Horst Seehofer und Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) die jahrelangen Diskussionen ums G 8 beenden und Ruhe an den Schulen einkehren lassen. Viele Eltern und Lehrer sind zufrieden, doch seit dem Beschluss Anfang April fühlen sich einige Eltern benachteiligt, deren Kinder die letzten G-8-Schüler sein werden. Offiziell startet das G 9 im September 2018, inoffiziell vollzieht sich die Rückkehr zu neun Jahren aber schon in diesem Jahr. Die Fünftklässler, die im Herbst 2017 ans Gymnasium kommen, werden wieder neun Jahre Zeit bis zum Abitur haben, denn ein Jahr später beginnt für die fünften und die sechsten Klassen zugleich das G 9.

Das Murren von Eltern der letzten G-8-Schüler ist überall in Bayern zu vernehmen. Das bestätigen Schulleiter und auch in der Landeselternvereinigung (LEV) wurden Stimmen laut, die sofort das G 9 wollen. "Aber das wäre nicht richtig. Das würde die Schulen wieder in heilloses Chaos stürzen. Außerdem können alle Kinder, die mehr Zeit brauchen, das Flexijahr nutzen", sagt die LEV-Vorsitzende Susanne Arndt. Alle, mit denen sie gesprochen habe, hätten das eingesehen. In München aber begehren die Eltern nun auf - dabei war es in der Landeshauptstadt während der Debatten still. Kein Gymnasium wollte sich am Pilotversuch Mittelstufe Plus beteiligen. Die deutlich steigenden Anmeldezahlen und der Druck auf die CSU kamen aus allen anderen Ecken Bayerns.

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Jetzt formiert sich Widerstand: Spricht die Münchnerin Sabine K. über die Schulzeit ihres Sohnes, dann fällt oft das Wort Druck. Gerade in Latein sei der Druck hoch, meint sie. Jede Stunde komme neue Grammatik dran, anders würden die Lehrer den Stoff nicht durchbringen. Selbst am Nachmittag nach acht oder neun Stunden Unterricht stünde ihr Sohn noch unter Druck. Dabei sei der Bub erst in der fünften Klasse. Entschleunigung würde sie sich wünschen, sagt die Mutter. Im G 8 sei das aber nicht möglich.

Umso mehr ärgert sie, dass ihr Sohn genau ein Jahr zu alt sein soll. Würde der Bub erst in diesem Herbst aufs Gymnasium wechseln, könnte er das Abitur nach 13 Schuljahren ablegen. "Wir überlegen, ob wir unseren Sohn die fünfte Klasse wiederholen lassen sollen", sagt die Mutter. Dafür ist das freiwillige Wiederholen natürlich nicht gedacht. Und K. ist nicht die Einzige, die solche Pläne schmiedet. Aber sie spricht offen darüber. Damit der Sohn keine Nachteile hat, wird ihr Name hier abgekürzt.

Die Landtagsopposition hat das Thema erkannt: Martin Güll, der bildungspolitische Sprecher der SPD, will, dass alle G-8-Schüler von den Verbesserungen eines G 9 profitieren. Die Freien Wähler gehen weiter: Michael Piazolo springt den Eltern zur Seite und fordert, dass auch die jetzigen fünften und sechsten Klassen dem G 9 beitreten dürfen, wenn sie wollen. "Die Lernzeitverlängerung wird von Eltern, Lehrern und Schülern mehrheitlich als die bessere Form der gymnasialen Ausbildung erachtet", erklärt Piazolo. Er stellte einen entsprechenden Antrag und schaltete eine Online-Petition.

Auf der Plattform Open Petition bekommt Piazolo viel Zuspruch, die Unterzeichner kommen aus ganz Bayern - und viele fordern, auch die aktuellen Siebtklässler ins G 9 wechseln zu lassen oder gar den bisher an 47 Schulen durchgeführten G-9-Versuch Mittelstufe Plus auf ganz Bayern auszudehnen und damit auch den Achtklässlern mehr Zeit zu ermöglichen.

Aus Sicht des Ministeriums gibt es gute Gründe, diese Kinder vom G 9 auszuschließen. Die Umstellung eines Schulsystems ist ein komplizierter Akt: Lehrpläne müssen umgeschrieben, Schulbücher angepasst und teils sogar Gebäude umgebaut werden. Um die Umstellung vollziehen zu können, muss ein Jahrgang der letzte sein. Und Schulminister Spaenle hatte stets betont, dass er niemanden überrumpeln werde. Das sei seine Lehre aus der überstürzten Einführung des G 8 vor 13 Jahren. Damit Lehrpläne und Schulbücher diesmal fertig sind, wenn die fünften und sechsten Klassen im G 9 beginnen, arbeiten die Experten auf Hochtouren. Die Änderungen für alle höheren Klassen sind laut Spaenle komplizierter. Das wäre nicht zu schaffen.

Große Erfolgsaussichten hat Piazolos neue Initiative derzeit nicht. Seit Mitte April haben knapp 3800 Menschen die Online-Petition unterzeichnet. "Dabei sollten die Schüler froh sein, dass sie die letzten im G 8 sind", sagt ein erfahrener Schulleiter, "wie beim letzten G-9-Jahrgang werden Politik und Pädagogen alles tun, damit diese Schüler ihr Abitur bekommen."

© SZ vom 06.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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