Lehramtsstudium:Die Schranke fällt

Lehramtsstudium: Ab auf die Straße: Angehende Lehrer demonstrieren für mehr und sicherere Stellen beim Staat. Hunderte sind nach dem Referendariat arbeitslos.

Ab auf die Straße: Angehende Lehrer demonstrieren für mehr und sicherere Stellen beim Staat. Hunderte sind nach dem Referendariat arbeitslos.

(Foto: Robert Haas)
  • Das bayerischen Lehrerbildungsgesetz soll geändert werden: Demnach wird es Zulassungsbeschränkungen für das Referendariat geben.
  • In anderen Bundesländern ist eine Quote für bestimmte Fächer und Kombinationen schon lange die Regel.

Von Anna Günther

Die Zulassungsbeschränkung zum Referendariat kommt schon 2016 - wenn alles nach Plan läuft, wovon man bei den Mehrheitsverhältnissen im Landtag ausgehen kann. Die Änderung des bayerischen Lehrerbildungsgesetzes soll zum 1. April 2016 in Kraft treten, der Entwurf liegt den Verbänden jetzt vor. Bis Mitte November haben sie Zeit, Stellung zu nehmen.

Bayern hat anders als die meisten Bundesländer noch keine Regelung für den Zugang zum Referendariat. Bisher dürfen alle Studenten nach dem ersten Staatsexamen das Referendariat machen. Das wird sich ändern: Schon 2014 kündigte Kultusminister Ludwig Spaenle die Schranke an, vor drei Wochen gab der Ministerrat grünes Licht.

Plätze sollen nach Note und Wartezeit verteilt werden

Wenn der Landtag die Änderung so beschließt, dürfen Lehramtsstudenten überlaufener Fächerkombinationen erst nach einer Wartezeit von bis zu drei Jahren ihr Referendariat machen. Ausgeschlossen wird niemand, das wäre ein Verstoß gegen das Grundrecht auf freie Berufswahl. Die Schranke soll verhindern, dass jedes Jahr Hunderte angehende Lehrer auf der Straße stehen. Der Landtag soll individuell nach Fächern oder Fachkombinationen entscheiden. Eine der ersten könnte Deutsch-Geschichte fürs Gymnasium sein.

Fünf Prozent der Plätze gingen an diejenigen, für die Warten "außergewöhnliche Härte" bedeuten würde. Was unter diese Härte fällt, dürfte aber noch zu Diskussionen führen. Die übrigen Plätze davon werden zu 70 Prozent nach Note und zu 30 Prozent nach Wartezeit verteilt. Die Neuregelung richtet sich vor allem an junge Realschul- und Gymnasiallehrer, die seit Jahren besonders schlechte Jobaussichten haben. Heuer wurden drei Prozent der Realschullehrer vom Staat eingestellt, an den Gymnasien waren es elf Prozent.

Zwar informiert das Ministerium regelmäßig über den Bedarf, aber die Situation ändert sich kaum. An Grund- und Mittelschulen gibt es noch Stellen, die unbesetzt sind, obwohl Realschul- oder Gymnasiallehrer derzeit umschulen können. Erst am Mittwoch versprach Ministerpräsident Horst Seehofer angesichts des anhaltenden Flüchtlingszuzugs 3000 zusätzliche Stellen, wovon mindestens 1000 an die Schulen gehen sollen.

Die Empörung ist groß

Die Entrüstung über den Gesetzesentwurf ist bei den Verbänden erwartungsgemäß groß, zumal Bildungsforscher die Schranke für wirkungslos halten. Eher sollte über zusätzliche Qualifizierungsmaßnahmen und alternative Abschlüsse nachgedacht werden. Nach dem ersten Staatsexamen haben Lehramtsstudenten in Bayern bisher keinen Abschluss. Zwar unterstützt das Ministerium 13 Hochschulen, die Alternativen finden sollen, aber an der Gesetzesänderung hält Spaenle fest.

"Das ist das falsche Signal zur falschen Zeit", sagt Klaus Wenzel, der Sprecher des Forums Bildungspolitik und Ehrenpräsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands. Gerade jetzt brauche Bayern Hunderte Lehrer. Die Schranke löse das Problem der Überproduktion bei gleichzeitigem Lehrermangel nicht, es verschärfe sich eher. "Wir fahren großes Risiko, wenn wir uns auf Wartelisten verlassen und die Leute nach einem Jahr nicht mehr zu Verfügung stehen", sagt Wenzel. Integration der Flüchtlinge, Inklusion und Ganztag könnten nur mit deutlich mehr unbefristeten Stellen gemeistert werden. Er schrieb Anfang der Woche einen feurigen Brief an Spaenle, einstimmig von 46 Bildungsorganisationen des Forums abgenickt. Antwort kam bisher keine.

Referendare wehren sich

"Wir brauchen intelligente Lösungen anstatt eines Verschiebebahnhofs für die bestehenden Probleme!", sagt auch Lisa Fuchs, die Vorsitzende der Referendare und Junglehrer im Philologenverband. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft initiierte eine Petition gegen die Zulassungsbeschränkung. Bisher haben sich gut 1750 Menschen im Internet und analog eingetragen. Bis Ende März 2016 läuft die Frist.

Die Einführung des Gesetzes bedeute nicht, dass es gleich greife, sagte Kultusminister Spaenle. Auch sein Ministerialdirektor Herbert Püls betont im Brief an die Verbände, dass "zu gegebener Zeit gesondert zu entscheiden ist, ob von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird". Die ersten Studenten könnten im Herbst 2019 betroffen sein. Klaus Wenzel hält das Gesetz für "ausschließlich politisch motiviert", es solle die Arbeitsmarktstatistik schönen. Damit steht er nicht alleine. Einige munkeln, dass die CSU-Fraktion treibende Kraft sei. Die Abgeordneten hätten keine Lust mehr, sich in ihrem Wahlkreis jedes Mal Unfähigkeit vorwerfen zu lassen, wenn wieder junge Lehrer ohne Job demonstrieren.

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