Bildung:Die neue Heimat verstehen

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Erwachsene Flüchtlinge besuchen Kurse, in denen ihnen Deutsch gelehrt und die Kultur hierzulande erklärt wird. Für ihre Kinder gibt es das nicht. Das wollten zwei Studentinnen ändern. Sie entwickelten ein Buch mit 17 Seiten und kindgerechten Aquarellen. Nun fehlt nur noch ein Verlag

Von Gianna Niewel

Die Frau liegt auf einer Decke, sie trägt einen Bikini, auf der anderen Seite des Flusses: Menschen, die ihre Beine im Wasser kühlen, eine Mutter mit ihrem weinenden Kind, ein Paar, das sich küsst. "Deutschland ist für Ali manchmal ein sonderbares Land. Vieles ist neu und unbekannt", steht darüber in Druckbuchstaben.

Zwei Münchner Studentinnen haben sich das Bilderbuch ausgedacht und gemalt, "Schön, dass du da bist" heißt es, 17 Seiten, Aquarelle. Mit dem Buch wollen sie geflüchteten Kindern das Leben in ihrer neuen Heimat erklären, und auch die Werte. Dass manche Menschen hier an einen Gott glauben und manche an mehrere und wieder andere an gar keinen, und dass das in Ordnung ist. Dass man in Deutschland seine Meinung sagen darf, ohne dafür bestraft zu werden. Dass Frauen die gleichen Rechte haben wie Männer.

Tamara Stangl, 23, und Laura Kieblspeck, 24, haben sich an der Uni kennengelernt, gemeinsam haben sie zehn Semester Förderschullehramt in München studiert. Kieblspeck arbeitete nebenbei in einer Flüchtlingsunterkunft für unbegleitete Minderjährige, ihr fiel auf: Für die Erwachsenen gibt es Kurse, in denen sie nicht nur die Sprache, sondern auch die Kultur des Landes vermittelt bekommen. Aber was gibt es für Kinder? Die beiden setzten sich zusammen und überlegten sich verschiedene Themen: Gleichberechtigung etwa, Religionsfreiheit oder die Rechte von Kindern. Tamara Stangl malte, Laura Kieblspeck schrieb die Texte, nach fünf Monaten war ihr Buch fertig. Eine Dozentin der Ludwig-Maximilians-Universität in München half ihnen, ein didaktisch-methodisches Konzept zu erstellen. Darin steht, welche Aspekte auf welcher Buchseite wichtig sind.

Gerade werben die beiden Frauen um Sponsoren. Und sie suchen einen Verlag, der ihr Bilderbuch druckt. Denn letztlich, sagt Tamara Stangl, ist ja nicht das Buch an sich ihr Ziel gewesen, dass es in geringer Zahl gebunden wird und dann in ihrem Regal verstaubt. Sondern, dass geflüchtete Mädchen und Buben in Schulen, Kindergärten und Flüchtlingsheimen darin blättern, auf einzelne Bilder zeigen und dann erklärt bekommen, was das ganz praktisch bedeutet: ein Leben in Deutschland.

© SZ vom 10.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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