Bildung:Der letzte Ausweg

In Volksschulen droht Unterrichtsausfall - Junglehrer anderer Schularten sollen helfen

Von Anna Günther

Die Grippewelle vom Februar 2017 hatte zu so vielen Unterrichtsausfällen geführt, dass Schulleiter vom schlimmsten Jahr seit Dekaden sprachen. An normalen Unterricht war wochenlang nicht zu denken und zeitweise wurden 1000 der 30 000 Klassen an den 2400 Grund- und 900 Mittelschulen anders versorgt. Aktuell meldet das Kultusministerium: Alle Stellen sind besetzt. Aber diesmal will es auf alles vorbereitet sein. Zum Halbjahr wird es eine neue Runde Nachqualifizierungen von angehenden Gymnasial- und Realschullehrern geben - und für diese bis zu 500 Euro mehr Geld. Über die Universitäten werden sogar Lehramtsstudenten für das zweite Schulhalbjahr angeworben, die das Studium zwar beendet, aber ihre praktische Lehrerausbildung noch nicht einmal begonnen haben.

Insider beschreiben diesen Schritt als "letzte Notmaßnahme" - alles, damit sich die Notlage nicht wiederholt. Verschärft wurden die Auswirkungen der Grippewelle 2017 von der hohen Zahl der Pensionierungen. Auf einen Schlag waren im Februar 2017 etwa 400 Stellen neu zu besetzen, mehr als 300 davon aufgrund von Pensionierungen. Drei Viertel der Lehrer waren früher in Ruhestand gegangen. Der Versuch, den Antragsruhestand wegen der Personalknappheit für 2018 auszusetzen, löste im vergangenen Sommer so extreme Proteste unter den Lehrern aus, dass Ministerpräsident Horst Seehofer die Idee sofort wieder verwarf - bloß kein Stress im Wahljahr.

Insider glauben, dass Ende Februar ähnlich viele Lehrer in Pension gehen wie 2017. Diese Personallücke ist systemimmanent: Lediglich an Gymnasien werden auch zum Halbjahr Referendare fertig und Lehrer eingestellt. Wenn also an Grund-, Mittel- und Förderschulen im Februar mehrere Hundert Lehrer in Pension gehen, gibt es niemanden, der ihre Arbeit übernehmen könnte. Die Wartelisten für Volksschullehrer sind nicht erst seit den Integrationsklassen für Flüchtlinge abgeräumt.

Mit der Nachqualifizierung sollen angehende Gymnasial- und Realschullehrer parallel zum Unterricht an den Volksschulen fortgebildet werden. Denn dort fehlen Pädagogen, während an Gymnasien und Realschulen selbst die besten Referendare keine Stelle bekommen. Insgesamt 1220 angehende Realschul- und Gymnasiallehrer schulen um. Auch die Junglehrer- und Referendarsvertreter der Verbände loben diesen Weg. Weil trotzdem bis zu ein Viertel der potenziell Geeigneten die zugesagten Stellen nicht antrat, legt die Staatsregierung nun Geld drauf.

Geht es nach der SPD, den Grünen, dem Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) sowie der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), müssten ohnehin alle Lehrer den gleichen Sold bekommen. Momentan macht der Unterschied zwischen Grundschul- und Gymnasiallehrern (ledig, vor Steuern) im ersten Berufsjahr monatlich 674 Euro aus.

BLLV, GEW und die beiden Oppositionsparteien fordern auch eine Modernisierung des Lehramtsstudiums. Eine einheitliche Ausbildung soll Personalengpässe verhindern und mehr Flexibilität bieten. Schulminister Ludwig Spaenle lehnt dies - wie die Vertreter der Realschulen und Gymnasien - kategorisch ab. Sie fürchten, dass mit dem einheitlichen Studium auch die Unterschiede zwischen den Schularten und letztlich das gegliederte Schulsystem nivelliert werden.

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