Bildband zu Oberammergau:Passion eines Fotografen

Er wollte die Passionsspiele von Oberammergau dokumentieren, doch können Probenbilder von einem Jesus im Skianzug die Atmosphäre tatsächlich wiedergeben? Der Fotograf Christopher Thomas brach die Arbeiten für seinen Bildband ab - aber dann traf er eine grauhaarige Frau.

Sabine Buchwald

13 Bilder

Oberammergau Passionplay 2010 Rehearsal

Quelle: Getty Images

1 / 13

Er wollte die Passionsspiele von Oberammergau dokumentieren, doch können Probenbilder von einem Jesus im Skianzug die Atmosphäre tatsächlich wiedergeben? Der Fotograf Christopher Thomas brach die Arbeiten für seinen Bildband ab - aber dann traf er eine grauhaarige Frau.

Mehr als hundert Mal haben sie in Oberammergau die Passion gespielt im vergangenen Jahr. Schon bald nachdem Anfang Oktober das letzte Halleluja in einen tosenden Applaus aufgegangen war, verbreitete sich in dem Bergdorf eine merkwürdige Stimmung: eine Mischung aus Freude über den gemächlicheren Alltag, der zurückgekehrt war in das Leben der Oberammergauer, und ein Gefühl der Trauer über das Ende der 41.Passionsspielzeit. Der Bauer ist nun wieder nur Bauer, der Zahnarzt nur Zahnarzt und die Schneiderin keine Chorsängerin mehr, die im cremefarbenen Gewand auf der Bühne stehen darf. Was allen bleibt, ist die Erinnerung.

Passion Oberammergau

Quelle: Christopher Thomas

2 / 13

Die Passion sei auch sein eigener Leidensweg gewesen, erinnert sich Christopher Thomas. Wochenlang war der Fotograf die Kurven hinauf zu den Proben gefahren. Er wollte ein Buch machen über das Entstehen, über das Making-of des Passionsspiels unter Christian Stückl. "Mich hat interessiert, wie sich ein Landwirt zum Hohen Priester verwandelt", sagt Thomas.

Passion Oberammergau

Quelle: Christopher Thomas

3 / 13

Zigtausend Mal hat er den Auslöser gedrückt, während die Laien mit ihren Texten kämpften. Doch mit jedem Tag mehrten sich Zweifel bei Christopher Thomas, ob seine Arbeit sinnvoll sei, ob die Bilder vermitteln könnten, was er wirklich sucht: die Seele zu berühren.

Passion Oberammergau

Quelle: Christopher Thomas

4 / 13

Er brach das Projekt ab. "Es fehlt an Atmosphäre, wenn der Römer im Flanellhemd und der Jesus im Skianzug proben." Die Fahrten zum Passionsspielhaus waren dennoch nicht vergebens. Ein einziges Bild zeigte Christopher Thomas einen neuen Fokus, der dann doch zu einem Fotoband führte und jetzt, ein Jahr nach dem Ende der Passionsspielzeit, zu einer Ausstellung im Bayerischen Nationalmuseum.

Passion Oberammergau

Quelle: Christopher Thomas

5 / 13

Es ist das Gesicht der Theresia Fellner (Foto), das Christopher Thomas damals beeindruckt hat. Ihre Rolle im Spiel war keine große. Sie war eine von vielen im Volk, das sich um Jesus scharte, über den indigoblauen Bühnenboden lief mit den Tieren. Ihr graues Haar ist zurückgenommen und halb bedeckt, ihre Lippen liegen fest aufeinander, kein Lächeln, die Augen sind wach, das Kinn gehoben. Würde strahlt sie aus - und Demut.

Passion Oberammergau

Quelle: Christopher Thomas

6 / 13

Blättert man in Christopher Thomas' Buch (erschienen bei Prestel), das er schlicht "Passion" genannt hat, steigt auch nach einem Jahr noch ein starker Geruch in die Nase. Thomas hat auf Gardapat-Papier drucken lassen, das sich rau anfühlt wie eine Eierschale und schimmert wie gedämpftes Licht.

Passion Oberammergau

Quelle: Christopher Thomas

7 / 13

Seine Bilder sind dunkel, wie einst die Alten Meister malten, die Gesichter hüllen sich in Braun. Hie und da leuchten ein weißer Bart oder die Zähne eines gequälten Jesusdarstellers. Wie er die Helligkeit ohne Blitzlicht in die Gesichter brachte, bleibt Thomas' Geheimnis. Bekannt aber ist, dass er die Morgenstunden bislang für seine Arbeit bevorzugt hat.

Passion Oberammergau

Quelle: Christopher Thomas

8 / 13

Kurz vor Sonnenaufgang, wenn die Clubgänger gerade zu Hause, die Arbeiter noch nicht unterwegs und seine Kinder noch in den Betten sind, dann macht er sich sonst mit seiner Feldkamera auf den Weg. Mit langen Belichtungszeiten und viel Geduld entstanden so die "Münchner Elegien". Leere Biertische im sonst wurligen Hirschgarten, eine allein herrschende Bavaria, ein noch nie so friedlich erschienener Friedensengel - 2005 waren diese Bilder im Stadtmuseum zu sehen. Mit ihnen verbindet man Christopher Thomas' Namen und mit den New-York-Bildern, auf denen ebenfalls fehlt, was der Fotograf in Oberammergau auf eindrückliche Weise thematisiert: der Mensch und die Farbigkeit.

Passion Oberammergau

Quelle: Christopher Thomas

9 / 13

Die Stadtansichten von Thomas wirken so zeitlos wie die Porträts aus Oberammergau. Dass sie 2010 entstanden sind und nicht vor hundert oder mehr Jahren, mag man daran erkennen, dass die Kostüme prächtiger sind als je zuvor und die Darsteller, von Spielleiter Stückl besser ausgebildet, mehr wie echte Schauspieler agieren. "Ich kann den Christian gut nachvollziehen", sagt Thomas, "die Konzentration auf eine Sache ist für mich das angenehmste."

Passion Oberammergau

Quelle: Christopher Thomas

10 / 13

Mit Stückl verbindet den Fotografen nicht nur dasselbe Geburtsjahr, 1961, auch, dass er bairisch sprechen kann, dass er viel gereist und ein Bewahrer ist - und dass er nicht wartet, bis die Aufträge kommen, sondern sich Arbeit sucht.

Passion Oberammergau

Quelle: Christopher Thomas

11 / 13

Als Werbefotograf hat Thomas begonnen nach seiner Ausbildung an der Bayerischen Staatslehranstalt für Fotografie. Für deutsche Automarken war er oft unterwegs. Inzwischen gibt er den künstlerischen Arbeiten ebenso viel Raum wie der Werbung. Im kommenden Jahr wird ein Buch über Venedig erscheinen mit Gedichten von Albert Ostermaier.

Passion Oberammergau

Quelle: Christopher Thomas

12 / 13

Nun aber wieder Oberammergau. Seine Galeristen im Ausland haben die Ausstellungen vorerst abgelehnt - weil sie Angst haben, meint Thomas. Das Thema sei ihnen zu politisch. Bernheimer zeigt sie in Bayern, hier können sie als Momentaufnahmen einer Tradition verstanden werden. "Destillat" sagt Thomas. Porträts ohne symbolisch aufgeladene Beigaben. Im Nationalmuseum werden sie nun, umgeben von alter Kunst, durchaus eine Symbolkraft entfalten. Um die Wände nicht verändern zu müssen, sind die Arbeiten um Kuben gruppiert, dezent beleuchtet von Bernhard Dessecker.

Passion Oberammergau

Quelle: Christopher Thomas

13 / 13

Passion, Fotografien von Christopher Thomas, 14.Oktober bis 15. Januar, Bayerisches Nationalmuseum

© SZ vom 13.10.2011/tob
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: