Biber in Bayern:Frei zum Abschuss

In Bayern ist der Biber streng geschützt - doch nur dann, wenn er ganz bestimmte Tabuzonen nicht betritt. Die lässt Umweltminister Marcel Huber jetzt flächendeckend ausweisen. Tierschützer sind empört

Christian Sebald

Zwischen den Umweltverbänden und Umweltminister Marcel Huber (CSU) ist heftiger Streit um den Schutz des Bibers entbrannt. "Aus Angst vor den Bauern und Teichwirten lässt Huber flächendeckend Tabuzonen für die streng geschützten Biber ausweisen, in denen sie einfach abgeschossen werden dürfen", sagt Hubert Weiger, der Chef des Bundes Naturschutz (BN). "Das ist ein verheerendes Signal." Auch der Vogelschutzbund ist alarmiert. "Ob Kormoran, Gänse oder der Biber, es ist stets ein Trauerspiel", sagt Andreas von Lindeiner vom LBV, "wenn die Leute die Tiere weghaben wollen, erlauben die Politiker immer noch mehr Abschüsse."

Charmeoffensive für den Biber

Ein fleißiger Nager, der sich nicht nur Freunde macht: Viele Landwirte sind alles andere als glücklich über die Aktivitäten des Bibers - insbesondere dann, wenn die Tiere durch ihre Dämme die Äcker unter Wasser setzten.

(Foto: dpa)

Der Grund für die Angriffe ist ein Schreiben des Umweltministeriums an alle Landratsämter von Ende März. Darin lässt Huber die Kreisbehörden anweisen, flächendeckend "erheblich schadensgeneigte Gebiete" auszuweisen, in denen Biber ohne weitere Genehmigung "entnommen" werden dürfen. Letzteres ist die bürokratische Umschreibung dafür, dass man die Tiere dort abschießen darf.

Bislang ist dies nur im Bereich von Kläranlagen und Wasserkraftwerken sowie an Stauwehren und Hochwasserdämmen möglich. Künftig soll dies auch im Umfeld von Fischteichen, entlang von Be- und Entwässerungsgräben sowie an Straßen und Wegen der Fall sein können - überall dort also, wo bisher Einzelgenehmigungen für jeden Abschuss üblich waren.

Huber will damit - auch das steht offen in der Anweisung - den immer höheren Ausgleichszahlungen Herr werden, die sein Ministerium an Land- und Teichwirte leisten muss, die Biberschäden beklagen. Für 2011 sind diese auf knapp 600 000 Euro hochgeschnellt, noch 2010 hatten sie knapp 400 000 Euro betragen.

Experten können sich die regelrechte Explosion der Schäden freilich nicht recht erklären. Denn die Zahl der Biber in Bayern ist seit Jahren mit etwa 14 000 Exemplaren so gut wie konstant. Allerdings beschweren sich immer öfter Bauern und Teichwirte, dass die Biber angeblich Gräben und Bäche aufstauen, bis die Felder überflutet sind, Röhren und Gänge unter Äckern graben, so dass schwere Maschinen einbrechen, und anderes mehr anrichten. In Mittelfranken haben die Klagen fast schon Kampagnencharakter.

Auch deshalb kritisieren die Naturschutzverbände die Ausweitung der Abschusspraxis so massiv. "Als Naturschutzminister sollte sich Huber für den Schutz des Bibers einsetzen", sagte Weiger. "Stattdessen lässt er sich vor den Karren der Bauern spannen." Beim LBV sieht man das genauso. "Der Biber macht nur in wenigen Regionen Probleme", sagt Lindeiner. "Aber statt die Leute aufzuklären und Schutzkonzepte mit speziellen Zäunen zu forcieren, reagiert Huber wie gehabt: Er lässt mehr schießen."

Überhaupt sind die Umweltverbände sehr enttäuscht von Huber. Dabei hatten sie zunächst hohe Erwartungen in den Umweltminister gesetzt, der jetzt ein knappes halbes Jahr im Amt ist. "Bislang hat sich Huber aber vor allem durch sein offensives Eintreten für den Ausbau der Wasserkraft profiliert", sagt Weiger, der auch diese Pläne strikt ablehnt.

Den Spatenstich, den der Umweltminister am Freitag für den Weiterbau der A 94 durch das Isental gesetzt hat, begreifen die Umweltverbände ebenfalls als Affront - die Isental-Trasse zählt zu den umstrittensten Verkehrsprojekten Bayerns. "Ich verstünde ja, wenn der Innenminister zum Spatenstich gekommen wäre", sagt Weiger. "Aber ausgerechnet der Umweltminister! Und jetzt die Ausweitung der Abschusspraxis für den Biber!" Im Umweltministerium versteht man die Verärgerung nicht. "Wir haben nur die Landratsämter aufgefordert, bestehende rechtliche Möglichkeiten zu nutzen", sagt ein Sprecher. "Die Vorgaben des Artenschutzes werden strikt gewahrt."

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