Bewährungsstrafe für Tobias Schley:Gericht verurteilt CSU-Stadtrat

Einst galt er als Hoffnung der CSU, dann attackierte der Augsburger Stadtrat einen Taxifahrer und beschimpfte einen Koalitionspartner als Arschloch. Jetzt wurde Tobias Schley wegen Beleidigung und versuchter räuberischer Erpressung verurteilt. Der Fall macht auch Parteichef Seehofer Sorgen.

Stefan Mayr und Frank Müller

Prozess gegen umstrittenen CSU-Politiker Schley geht weiter

Wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt: Der umstrittene CSU-Politiker Schley.

(Foto: dapd)

Tobias Schleys schwarzes Sakko, sein weißes Hemd und seine grüne Krawatte sitzen perfekt, seine Hände hat er scheinbar ruhig vor sich auf dem Tisch gefaltet. Scheinbar. Denn tiefe Falten auf der Stirn verraten die Anspannung des Augsburger CSU-Stadtrates, während er regungslos dem Plädoyer der Staatsanwältin zuhört. Sein Schlusswort benützt er, um ein feierliches Ehrenwort auszusprechen: "Bei Gott und bei meinem Vater schwöre ich, dass ich die Wahrheit gesagt habe." Er ist der umstrittenste Mann der Augsburger CSU sowie der Stadtregierung, aber er ist sich keiner Schuld bewusst. Vielmehr fühlt er sich als Opfer einer Intrige.

Das Amtsgericht Augsburg nahm ihm das nicht ab, es verurteilte ihn am Dienstag wegen Beleidigung und versuchter räuberischer Erpressung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr.

Die Augsburger Verwerfungen machen inzwischen auch CSU-Parteichef Horst Seehofer Sorgen. Er ging klar auf Distanz: "Das Urteil sagt alles. Wenn einer ein Jahr auf Bewährung kriegt, sollte er nicht im Stadtrat bleiben", sagte er der SZ. Anlass zu einem persönlichen Eingreifen in den Augsburger Bezirksverband sehe er zwar nicht, er deutete aber an, dass die örtliche CSU sich von Schley trennen solle. Das zeigte noch am Dienstag Wirkung. CSU-Bezirkschef Johannes Hintersberger forderte Schley zum freiwilligen Verzicht auf sein Mandat auf: "Ich erwarte von Tobias Schley, dass er nach diesem Urteil die notwendigen Schritte macht."

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Schley in einer Dezember-Nacht gegen 5.20 Uhr morgens die Zeche nach einer Taxifahrt prellte, den Taxifahrer körperlich attackierte und danach sowohl den Chauffeur als auch zu Hilfe kommende Türsteher einer Diskothek beleidigte. Außerdem sah Amtsrichter Michael Nißl den 41-Jährigen der Beleidigung gegen seinen Stadtratskollegen Rudolf Holzapfel überführt. Während der vier Prozesstage vor den stets vollbesetzten Zuhörerplätzen im Schwurgerichtssaal hatten zwei Stadträte im Zeugenstand bestätigt, dass Schley den Vertreter des Koalitionspartners Pro Augsburg als "Arschloch" beschimpft habe. Schley streitet diesen Vorwurf strikt ab.

"Offensichtlich unter Druck gesetzt"

Laut Gemeindeordnung verliert ein Stadtrat bei einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder länger automatisch sein Mandat. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, Schleys Anwalt will nun prüfen, ob er in Berufung geht.

In seiner Urteilsbegründung bezeichnete Richter Nißl den Angeklagten als "Lügner", dessen Verhalten "von Amigotum geprägt" sei. Schleys Einlassungen - er stritt fast alle Vorwürfe ab - seien "schlichtweg nicht zu glauben" und "unsäglich" gewesen. Angesichts der Zeugen-Aussage eines CSU-Stadtrats, der von Drohungen aus der Partei berichtete, wollte sich der Richter auch einen Seitenhieb gegen die Augsburger CSU nicht verbeißen: "Wenn jemand die Wahrheit sagt und dabei einen Parteikollegen trifft, dann wird er offensichtlich unter Druck gesetzt."

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten gefordert. Zudem beantragte sie, Schley ein Anti-Aggressions-Training zu verordnen: Ein solches habe er "dringend nötig", weil er sich "verbal nicht im Griff" habe. Diesem Antrag folgte das Gericht. Schleys Anwalt Richard Bayer hatte dagegen zu fast allen Vorwürfen auf Freispruch plädiert, nur zwei Beleidigungen gegen Türsteher ("Taugenichtse", "Pappnasen") räumte er ein.

"Wie Menschen im Dritten Reich"

Bezüglich des Beleidigungs-Vorwurfs des Stadtratskollegen fragte der Anwalt: "Was muss in diesem Stadtrat eigentlich vorgehen, wenn man so etwas nicht intern regeln kann?" Er erhielt keine Antwort. Außerdem berichtete Bayer davon, dass die Rockband "Die Ärzte" bei ihrem jüngsten Auftritt in Augsburg zum Abschluss eine "Augsburg-Hymne" ankündigte und dann das sogenannte "Arschloch-Lied" spielte. Sehr zum Gaudium des Publikums - aber wohl nicht zur Begeisterung der Stadtoberen.

Schley galt einst als Hoffnung der CSU, wurde als künftiger Bundestags- oder Landtagsabgeordneter gehandelt. Derzeit ist er vor allem eine Belastung für Partei, für die Stadtratsfraktion und für die Regierungskoalition. Denn der Prozess legte zunächst vor allem zutage, wie zerstritten die CSU-Fraktion sowohl intern als auch mit Kooperationspartner Pro Augsburg ist. Obendrein stellt das Verfahren sowohl die CSU als auch die Koalition vor eine Zerreißprobe: Viele, allen voran Oberbürgermeister Kurt Gribl, fordern schon länger mehr oder weniger deutlich eine Distanzierung von dem streitbaren Schley.

"Jetzt sind die Vorsitzenden von Partei und Fraktion am Zug", sagte OB Gribl unmittelbar nach dem Urteil. Andere Parteimitglieder solidarisieren sich dagegen mit Schley und kritisieren die Fraktionschefin des Koalitionspartners Pro Augsburg scharf. Beate Schabert-Zeidler hatte im Prozess als Zeugin ausgesagt, nach der Aufstellung der Stadtratsliste habe sie sich gefühlt, "wie Menschen im Dritten Reich, wenn sie an die Wand gestellt wurden, ohne zu wissen warum".

Diese Aussage belastet die Koalition enorm, die Zeichen standen am Dienstag mehr denn je auf Trennung. Im Vorfeld des Urteils fordert das Schley-Lager der CSU vehement eine Entschuldigung Schabert-Zeidlers sowohl bei der Partei als auch bei Tobias Schley. Auch CSU-Fraktionschef Bernd Kränzle und Bezirkschef Johannes Hintersberger verurteilen Schabert-Zeidlers Äußerungen scharf und fordern eine zeitnahe Entschuldigung.

Schabert-Zeidler ihrerseits bat zwar mit einer schriftlichen Erklärung bei NS-Opfern und ihren Angehörigen für ihren "unpassenden Vergleich" um Entschuldigung, betonte aber gleichzeitig: "Eine Entschuldigung bei der CSU wird es nicht geben." Damit ist sie auf einer Linie mit ihrer Fraktion und dem Verein Pro Augsburg. "Wenn die CSU den Koalitionsvertrag kündigt, werden wir das so hinnehmen", sagt Pro Augsburg-Stadtrat Rudolf Holzapfel. Zudem deutet er eine weitere potentielle Bruchstelle an: "Wir fragen uns schon, ob die CSU nach diesem Urteil weiterhin Herrn Schley die Stange halten wird, und welche Konsequenzen das haben wird."

Schleys zwei Mittäter wurden vom Gericht ebenfalls zu Bewährungsstrafen von neun und elf Monaten verurteilt. Der Konflikt mit dem Taxifahrer hatte sich übrigens an einer Summe von drei Euro entzündet.

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