Bevölkerungsschwund:Die schlechten Jahre sind vorbei

Ausstellung 'Festungen - Frankens Bollwerke'

"Die Abwanderung ist gestoppt", meldet Landrat Klaus Löffler aus Kronach, dessen malerische Altstadt von der Festung Rosenberg bewacht wird.

(Foto: David Ebener/dpa)

In den Landkreisen Wunsiedel, Kronach und Hof werden künftig weniger Menschen leben, das sagt die Statistik. Dennoch sind die Landräte zufrieden. Denn die Prognosen waren schon viel schlimmer

Von Claudia Henzler, Nürnberg

Wenn man den statistischen Voraussagen Glauben schenkt, werden die Landkreise im äußersten Nordosten Bayerns in den kommenden 20 Jahren zwischen 13 und 15 Prozent ihrer Einwohner verlieren. Die Gegend mit dem größten Schwund ist demnach der Landkreis Wunsiedel, gefolgt von Kronach und Hof. Dort ist man trotz der neuesten Bevölkerungsvorausberechnung aber äußerst gut gelaunt: Denn die Prognosen sind längst nicht so schlecht, wie sie schon waren. Die schwierigen Jahren seien vorbei, sagen die Landräte, die Abwanderung sei gestoppt und damit ein drängendes Problem beseitigt. Auch in der Bevölkerung ist die Stimmung deutlich besser. Dem Wehklagen ist eine Aufbruchstimmung gewichen. "Es kommen wieder Menschen zurück", sagt Hofs Landrat Oliver Bär (CSU).

Im nordöstlichen Oberfranken hatten wirtschaftliche Probleme den demografischen Wandel wie ein Turbo beschleunigt: Nach dem Zusammenbruch der Porzellan- und Textilindustrie zogen viele jüngere Leute weg aus der Region, Hunderte pro Jahr. Die Landkreise Wunsiedel, Hof und Kronach haben deshalb in den vergangenen Jahren viel getan, um den Trend aufzuhalten. Mit Unterstützung von Bund, Land und EU wurden Dörfer schöner gemacht, Behörden verlagert, neue Hochschulen oder Studiengänge sowie Kompetenz- und Innovationszentren geschaffen. Kronach etwa wird bald Standort einer Finanzfachhochschule. Vor Kurzem erklärten die Landkreise außerdem ihre Absicht, dem Verkehrsverbund Großraum Nürnberg beizutreten. Damit soll nicht nur der öffentliche Nahverkehr besser, sondern auch deutlich werden, dass man sich nicht als bayerisches Randgebiet empfindet.

Wunsiedels Landrat Karl Döhler geht fest davon aus, dass sich die Prognosen des statistischen Landesamtes nicht erfüllen werden. Der CSU-Politiker ist seit zehn Jahren im Amt und erinnert sich, dass die Zukunft im Jahr 2008, als er zum ersten Mal gewählt wurde, geradezu "verheerend" aussah. Damals hatten die Statistiker dem Landkreis ein Minus von 21,4 Prozent vorausgesagt - Wunsiedel sollte bis 2028 ein Fünftel seiner Einwohner verlieren. Seitdem sei die Prognose im Prinzip jedes Jahr ein bisschen besser geworden, sagt Döhler. Inzwischen sei die Trendwende geschafft, im Jahr 2016 habe der Landkreis zum ersten Mal seit Jahren wieder ein kleines Plus bei den Einwohnerzahlen verzeichnet. 75 Leute nur, aber immerhin.

Döhlers Ziel ist es, die Einwohnerzahl auf dem jetzigem Niveau von 73 400 zu stabilisieren. Ob das gelingen kann, ist schwer einzuschätzen. Denn das Grundproblem, der demografische Wandel der Gesellschaft, wird sich in den kommenden Jahrzehnten verstärken: Die geburtenstarken Jahrgänge kommen ins Rentenalter, ihnen folgen schmale Generationen nach, weshalb die Bevölkerung ohne Zuwanderung schrumpfen und älter werden würde. Dass Bayern weiter wächst, ist hauptsächlich dem Zuzug aus dem Ausland zu verdanken. Der war in den vergangenen Jahren wegen der Eurokrise, der EU-Osterweiterung und der Zuwanderung von Flüchtlingen größer als erwartet. Deshalb sind die aktuellen Prognosen weniger pessimistisch als vor zehn Jahren.

Worauf die Kommunen Einfluss nehmen können, ist die Entscheidung, wo jene Menschen wohnen wollen, die nach Bayern ziehen oder dort geboren werden. Gerade der Nordosten ist dabei auch von der Wirtschaftslage abhängig. Im Landkreis Wunsiedel seien in den Jahren 1993 bis 2005 im Saldo 12 000 Arbeitsplätze verloren gegangen, sagt Landrat Döhler. Seit 2005 nehme die Zahl der Jobs wieder zu, seit 2012 ziehe die Bevölkerung nach. Ähnlich sah es in Hof aus: Vor fünfzehn Jahren sei die Arbeitslosenquoten noch zweistellig gewesen, berichtet Landrat Bär, inzwischen liege man in manchen Monaten sogar unter dem bayerischen Durchschnitt, im April etwa bei 2,8 Prozent. Für die Region ist das produzierende Gewerbe zwar noch immer bedeutend, aber nicht mehr auf wenige Branchen beschränkt.

In Kronach lobt Landrat Klaus Löffler (CSU) die enge Zusammenarbeit von Kommunen, Unternehmen und Ehrenamtlichen. So ist dort zum Beispiel ein außergewöhnliches Kinderbetreuungskonzept entstanden, das auf Bedürfnisse des Schichtbetriebs Rücksicht nimmt. Und mit einer Rückkehrer-Initiative versorgt der Landkreis etwa 1500 ehemalige Kronacher mit einem Newsletter, der über offene Stellen informiert und einmal im Jahr zur "Reunion Party" lädt. Hof und Wunsiedel werben aktuell mit hoher Lebensqualität und niedrigen Lebenshaltungskosten um junge Fachkräfte. Sie haben mit weiteren Nachbarn eine Marketingkampagne fürs Fichtelgebirge gestartet. Landrat Bär ist überzeugt, dass Digitalisierung ihnen langfristig bei diesen Bemühungen hilft.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: