Betrugsfall im Landkreis Regensburg:Gescheiterte Provinz-Amigos

Gerade erst ist der Bürgermeister von Wenzenbach für seine Verdienste ausgezeichnet worden - nun wird gegen ihn ermittelt. Zusammen mit seinem Verwaltungschef soll er die Gemeinde um einen sechsstelligen Betrag geprellt haben. Die Stimmung im Ort schwankt zwischen Empörung und Verständnis.

Von Wolfgang Wittl, Wenzenbach

Ein gelungenes Timing ist manchmal Glückssache: Am vergangenen Samstag war im Amtsblatt von Wenzenbach ein Bericht über Josef Schmid zu lesen, der vom Freistaat mit der kommunalen Verdienstmedaille ausgezeichnet wurde. 30 Jahre habe Schmid sich unermüdlich für das Wohl der Allgemeinheit eingesetzt, zuletzt zwölf Jahre als Bürgermeister. Maßgeblich habe er an allen Projekten zur Entwicklung von Wenzenbach mitgewirkt, die dann auch alle für sich aufgelistet werden. Nur von den etwa 150 000 Euro, die der Gemeinde allein in den vergangenen drei Jahren unter Schmids Ägide abhanden gekommen sind, davon ist nichts zu erfahren. Aber vielleicht war das Amtsblatt ja auch nur bereits gedruckt.

Ein paar Tage zuvor hatte der Wenzenbacher Gemeinderat in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen, den früheren Bürgermeister Schmid und drei Verwaltungsbeamte zur Kasse zu bitten. Sie stehen unter Verdacht, die Gemeinde im Norden von Regensburg um einen sechsstelligen Betrag geprellt zu haben. Von erschreckender Selbstbedienungsmentalität ist die Rede, von Sumpf und von Verwaltung nach Gutsherrenart. Die Staatsanwaltschaft Regensburg hat inzwischen Vorermittlungen eingeleitet. Doch der Reihe nach.

Wenzenbach

Im Landkreis Regensburg sind ein Bürgermeister und sein Verwaltungschef allzu unbürokratisch mit öffentlichen Mitteln umgegangen.

(Foto: Armin Weigel)

Fragwürdige Auszahlung an den Verwaltungschef

Ins Rollen kam die Sache, als im Frühjahr 2013 das Finanzamt im Rathaus vorstellig wurde. Es ging um eine unrechtmäßige Auszahlung an Hans E., den Geschäftsleiter der 8400 Einwohner großen Gemeinde. E. ist neben Schmid die Schlüsselfigur der Geschichte. Seit fast 40 Jahren versieht der Verwaltungsbeamte seinen Dienst, keiner kennt sich im Rathaus besser aus. Beim Starkbier-Derblecken wurde das Verhältnis zwischen Schmid und E. so beschrieben: Als Postbote geboren / Bürgermeister geworden / doch regieren tut der E. Hans / denn der kann's.

Wenzenbach

Rathaus-Beziehungen: Unerlaubte Prämien, erhöhte Fahrtkosten, ausbezahlte Urlaube - so lauten die Vorwürfe gegen Beamte und den früheren Bürgermeister.

(Foto: Armin Weigel)

Damals fanden das noch alle lustig, heute lacht fast keiner mehr. Als das Finanzamt im April dieses Jahres seinen Bericht vorlegte, war bereits der Bayerische Kommunale Prüfungsverband in Wenzenbach tätig. Die in einem ersten Entwurf festgehaltenen Unregelmäßigkeiten entpuppten sich als derart schwerwiegend, dass die endgültige Fertigstellung bis Oktober dauerte.

Was den Männern vorgeworfen wird

Wenzenbach

Nachfolger Sebastian Koch will aufklären.

(Foto: Armin Weigel)

Im Kern geht es um drei Vorwürfe: Erstens um eine monatliche Fahrtkostenpauschale des Bürgermeisters von 480 Euro, die etwa dreimal so hoch ausfalle wie nötig, allerdings vom Gemeinderat genehmigt wurde. Man habe sich auf Schmids Angaben verlassen, sagen Mitglieder heute. Zweitens um eine Leistungsprämie für Beamte. Hier wurden gleich mehrere Vorgaben missachtet: Die Regeln sahen vor, dass nur einer der Beamten eine Prämie bekommen durfte - maximal ein Prozent des Bruttogehalts, und dies keine zwei Jahre hintereinander, um Gewöhnungseffekte zu vermeiden. In Wenzenbach wurden alle drei Beamte bedient, Jahr für Jahr, offenbar mit einem höheren Betrag als erlaubt.

Drittens: Am gravierendsten dürfte die vom Finanzamt beanstandete Zahlung an Hans E. zu bewerten sein. Der Geschäftsleiter bekam seinen Urlaub ausgezahlt - angeblich mehr als 100 Tage - was nach Beamtenrecht nicht gestattet ist. 22 000 Euro sollen so angefallen sein. Um die Zahlung zu kaschieren, wurden die Beträge gestückelt. Über Summen bis 12 000 Euro durfte Schmid ohne Zustimmung des Gemeinderats verfügen. Da E.s Urlaub zudem steuerfrei bezahlt wurde, mahnte das Finanzamt weitere 9000 Euro an, die ebenfalls von der Gemeinde entrichtet wurden.

"Eine Mischung aus Größenwahn, Dummheit und Gier"

Einer der drei Beamten soll die Leistungsprämie inzwischen zurückerstattet haben. Der frühere Bürgermeister Schmid befindet sich im Krankenstand und äußert sich nur über einen Anwalt, der derzeit keine Stellung nehmen will. Geschäftsleiter E. ist, seit er vom Gemeinderat vorläufig vom Dienst freigestellt wurde, trotz mehrerer Anfragen nicht erreichbar.

Gemeinderäte wollen sich nur äußern, wenn ihr Name ungenannt bleibt. Eine Mischung aus Größenwahn, Dummheit und Gier müsse Schmid und E. wohl angetrieben haben, sagt einer, der sich auskennt. Lauthals würde das niemand behaupten, denn die Stimmung im Ort ist so explosiv wie diffus. Sie schwankt zwischen Empörung und Verständnis.

Freundlich, aber ohne Überblick

Vor allem Schmid (Freie Wähler), der im März nach zwölf Jahren nicht mehr angetreten war, aber noch im Regensburger Kreistag sitzt, genießt weiterhin Sympathien. Ein freundlicher Mann, der Amtsblätter sogar persönlich ausgefahren hat, wenn die Leute zu weit draußen wohnten, so reden die Menschen. Ein Mann mit Visionen, der die Gemeinde vorangebracht habe. Als früherer Postbote habe Schmid vielleicht nicht jeden Verwaltungsakt im Detail überblickt, doch dafür gab es ja Hans E. Schmid und E. hätten einen regelrechten Code vereinbart, erzählt man sich: War ein Schriftstück mit Stempel versehen, bedeutete das, E. hatte es gelesen. Schmid musste dann nur noch unterschreiben.

Vom Geschäftsleiter heißt es, er sei fleißig, durchsetzungsstark und seit jeher geschäftstüchtig - aber auch sozial engagiert. Dass Wenzenbach vom Flüchtlingsrat für die Betreuung von Asylbewerbern explizit gelobt wurde, sei sein Verdienst. Auch finanziell stehe Wenzenbach gut da. Andere beklagen, mit solchen Sätzen werde eine systematische Misswirtschaft verharmlost. Die 150 000 Euro seien nur die Spitze des Eisbergs, wenn erst die weiteren sieben Jahre zuvor geprüft würden. Die Verjährungsfrist beträgt zehn Jahre.

Wer die Aufklärungsarbeit vorantreibt

Der Mann, der die Aufklärung vorantreiben darf, ist Schmids Nachfolger Sebastian Koch (SPD) - mit 27 Jahren Bayerns zweitjüngster hauptamtlicher Bürgermeister. Sein Auftrag sei es nicht, Inhalte aus nicht öffentlichen Sitzungen mitzuteilen, entgegnet Koch Kritikern. Vielmehr habe er die Pflicht, im Interesse der Steuerzahler alle unrechtmäßig geflossenen Beträge zurückzufordern. Der Vorgang müsse lückenlos aufgeklärt werden, schon um nicht selbst angreifbar zu werden. Die Gemeinde hat sich deshalb einen Anwalt genommen, das Landratsamt Regensburg prüft ein Disziplinarverfahren gegen Schmid.

Als der sich im April als Bürgermeister verabschiedete, schrieb er im Amtsblatt auch den Satz: "Es ist mir nicht alles gelungen." Drei Seiten vorher stand ein Hinweis auf den Termin für die Steuererklärung.

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