Beseitigung und Verwertung toter Tiere:Rohes Geschäft

TIERKÖRPERBESEITIGUNGSANLAGE RÖTZ

Fleisch und Knochen werden zerkleinert, erhitzt, sterilisiert, getrocknet und entfettet.

(Foto: DPA/DPAWEB)

Enthäuten und zerkleinern: Von Schlachtabfällen allein kann ein Tierkörperverwerter heute kaum noch leben. Eine Firma aus der Nähe von München hat deswegen ihr Portfolio erweitert - um Salat, Orangen und Joghurt.

Von Stephanie Kundinger

Der orangefarbene Lastwagen setzt sich in Gang. Das Fahrzeug, das aussieht wie ein Müllauto, verlässt die graue Halle. Die Ladung hat der Fahrer da gelassen und auf einem Haufen verteilt, mit einem Durchmesser von ungefähr drei Metern. Die Ware schimmert in den Farben Rosa und Dunkelrot, vielleicht Blutrot, es riecht nach Fleisch.

"Das sind jetzt überwiegend Schweinedärme, ein paar Lungen sehe ich auch", sagt Rainer Berndt. Der 49-Jährige beobachtet die Szene durch ein Fenster in seinem Büro, hier in der Tierbeseitigungsanlage der Firma Berndt in Oberding, unweit des Münchner Flughafens. Die Großeltern des heutigen Geschäftsführers bauten die Firma im Zweiten Weltkrieg, das ehemalige Wohnhaus steht noch neben den silbernen Dampfkesseln auf dem Betriebsgelände.

Damals, vor siebzig Jahren, haben rund zehn Mitarbeiter die toten Tiere aus dem Umkreis verarbeitet. Sie haben sie im Schlachthaus enthäutet, zerkleinert und Tiermehl oder Tierfett hergestellt. Mittlerweile arbeiten im Unternehmen mehr als 170 Menschen, die Firma ist nach eigenen Angaben Marktführer in Bayern, mit vier Standorten. Berndt blickt noch immer aus dem Fenster, sieht die eine von zwei Annahmehallen.

Zehn Tonnen pro Stunde

Tierkörper verarbeitet die Firma hier nicht mehr. Am Hauptsitz kümmern sich die Mitarbeiter nur noch um Produkte der Kategorie drei. Dazu zählen Fette und Innereien, die nach dem Schlachten übrig bleiben und grundsätzlich ungefährlich sind. Zu den Kategorien eins und zwei gehören etwa Tierkörper oder Nebenprodukte, die möglicherweise verseucht sind. "Sie werden an anderen Standorten verarbeitet", erklärt Berndt.

Von der Halle aus gelangt die Rohware mit einem Förderband in die Fabrik: Dort werden Fleisch und Knochen zerkleinert, erhitzt, sterilisiert, getrocknet und entfettet. Rund zehn Tonnen pro Stunde verarbeiten die Maschinen, zweieinhalb Stunden dauert der Prozess. Am Schluss ist aus Schweinedärmen oder Lungen "Verarbeitetes Tierisches Protein" für Heimtiernahrung geworden oder Tierfett, das dem Biodiesel beigemischt wird.

Die Tierbeseitigungsanlage ist privat organisiert. In dieser Größe eher ein Exot: Im Freistaat kümmern sich hauptsächlich Betriebe des öffentlichen Rechts um die Beseitigung toter Tiere oder ihrer Innereien. In Gunzenhausen etwa, wo sich fünf Landkreise und eine kreisfreie Stadt zum Verarbeitungsbetrieb tierischer Nebenprodukte (VTN) zusammengeschlossen haben.

Zweites Standbein mit Obst und Gemüse

Verantwortlich sind diese Betriebe in erster Linie für Produkte aus den Kategorien eins und zwei. "Dieses Geschäft ist eingefahren", sagt Berndt. Wegen des öffentlichen Auftrags gebe es in der Sparte kaum Expansionsmöglichkeiten für seine GmbH. "Das interessantere Geschäft liegt in der Kategorie drei." Hier sind die Waren frei handelbar - aber die Bedingungen härter geworden, sagt Berndt. Denn die Nachfrage halte sich derzeit in Grenzen. In der kalten Jahreszeit verwenden die Hersteller weniger Tierfett im Sprit. Das sei eine saisonale Schwankung, auf die sich der Unternehmer im Winter einstelle. Hinzukomme, dass die Nachfrage nach Biodiesel generell niedrig geblieben ist - und nun befände sich auch der Fettpreis im Sinkflug. "Wir sind in einer Phase, in der es sehr viel Palmöl gibt", sagt der Geschäftsmann. Tierfett sei deshalb unbeliebter.

Und auch die Schlachthöfe geben immer weniger ab, seitdem sie Innereien für teures Geld nach China verkaufen können. "Nach Schweinepfoten oder Schulterknorpeln sind die Chinesen verrückt", sagt Berndt, der zugleich Vorsitzender des bayerischen Landesverbandes für Tierkörperbeseitigung und Schlachtnebenprodukteverwertung (LTS) ist. Doch die Ware fehle letzten Endes in seinem Betrieb.

Metzger bekommen niedrigen Fettpreis zu spüren

In Oberding liefern die orangefarbenen Lastwagen deshalb nicht nur Schlachtabfälle, sondern auch Salatköpfe, Orangen oder Joghurts. Berndt hat sich im Familienunternehmen vor gut 20 Jahren ein zweites Standbein aufgebaut: Die Firma kümmert sich auch um die Verwertung von Speiseresten, etwa aus Gaststätten oder Supermärkten. Frittierfette oder Butterreste werden zum Teil ebenfalls zu Sprit verarbeitet, aus anderen Produkten entsteht ein Gärsubstrat, aus dem später Biogas gewonnen wird. Rund 34 Prozent der Gesamtrohwaren sind mittlerweile Speisereste - so viel wie die Produkte der Kategorien eins und zwei aus den anderen Standorten.

Es sei sein Expansionsdrang gewesen und der Rückgang der Rohstoffe bei den Schlachtabfällen, weshalb Berndt und der zweite Geschäftsführer Konrad Meier die Verwertung von Speiseresten ausgebaut haben. "Wir waren damit glücklicherweise recht schnell am Markt", sagt er, und mustert einen Haufen mit Rohwaren in der Lagerhalle, der mit einer gelblich-klebrigen Masse überzogen ist. Berndt fängt an zu lachen: "Da wollte wohl jemand tricksen." Ein Kunde hat vermutlich schwere Knochen und Schlachtabfälle unter das Tierfett gemischt. Den niedrigen Fettpreis bekommen auch die Metzger zu spüren.

Rainer Berndt hat zum 75.Geburtstag seines Vaters ein Buch geschrieben: "Entsorgen. Recyceln. Erzeugen. Ein Dreiklang aus 170 Jahren Unternehmensgeschichte"; Eigenverlag; ISBN 978-3-00-039873-5.

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