Berufungsprozess:Jahrelanger Streit um restaurierte Bilder

Berufungsprozess: Galerist Andreas Baumgartl verlangt Schadenersatz.

Galerist Andreas Baumgartl verlangt Schadenersatz.

  • Ein Galerist fordert von einem Restaurator Schadenersatz, weil der zu reinigende Bilder "verpfuscht" haben soll.
  • Der Restaurator allerdings sagt, die Bilder seien schon von vielen Kollegen traktiert worden. Er habe nur den schlechten Zustand der Originale offengelegt.
  • Gestritten wurde bereits vor Gericht in Traunstein, nun beschäftigt sich der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München mit dem Fall.

Von Matthias Köpf

Bierselige Mönche hat Eduard von Grützner im ausgehenden 19. Jahrhundert fast am Fließband gemalt in seinem Münchner Atelier, das Angebot ist also da. Zugleich sinkt die Nachfrage, denn für Grützner interessiert sich nur "eine zunehmend älter und kleiner werdende Anhängerschaft im süddeutschen Raum" - und am Mittwoch interessierte sich dafür auch der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München, der die Marktlage für Grützner-Gemälde in diesen Worten umrissen hat.

Grützners "Mönch mit zwei Bierkrügen und einem Krug" ist trotzdem noch das wertvollste der vier Ölbilder, die ein Restaurator aus dem Landkreis Rosenheim regelrecht verpfuscht haben soll. Der bekanntere Künstler als Grützner ist aber Carl Spitzweg, dessen kleinformatiger Skizze "Der Schreiber" die Restaurierung ebenfalls nicht gut bekommen sein soll. Das Landgericht Traunstein hat dem Auftraggeber deswegen 2017 einen Schadenersatz von mehr als 20 000 Euro zugesprochen. Das Oberlandesgericht als Berufungsinstanz fällte am Mittwoch noch keine Entscheidung.

Auf ein paar Wochen kommt es trotz des stetig sinkenden Grützner-Kurses allerdings auch nicht mehr an, denn schon der Weg durch die erste Instanz war weit: Der Galerist Andreas Baumgartl, einst prominent am Münchner Platzl ansässig, dann sieben Jahre in Prien am Chiemsee und seit 2016 wieder in München, hatte eine größere Privatsammlung aus dem Chiemgau übernommen und 2009 die vier Gemälde daraus dem Restaurator zum Reinigen übergeben.

Mit dem Ergebnis war er so unzufrieden, dass er 2011 in Traunstein Klage einreichte. Dort zog sich die Sache mit Vergleichsversuchen und Gutachterdeuteleien so lange hin, dass ein Sachverständiger irgendwann ausfällig wurde und als befangen ausscheiden musste. Erst 2017 erbarmte sich schließlich ein Traunsteiner Richter und fällte doch ein Urteil, gegen das der Restaurator nun vor der nächsten Instanz vorgeht.

Galerist Baumgartl, standesgemäß mit Schal, Einstecktuch und im keineswegs klein karierten blauen Anzug, hat erklärtermaßen "keine Lust mehr" auf einen langen Prozess und darauf, noch mehr Geld für Gutachter auszugeben. Die Kosten für all das mussten sich beide Parteien bisher teilen. Auch der Anwalt des Restaurators ist schon im Ruhestand und wickelt nur noch alte Fälle ab. Aber sein Mandant, inzwischen auch schon 80 Jahre alt, wollte von einem Vergleich bisher partout nichts wissen, denn ohne Fehler gebe es nichts zu vergleichen. Zur Verhandlung am Mittwoch ist er nicht erschienen und konnte schon deshalb keinem Vergleich zustimmen, wie ihn auch das OLG gerne gehabt hätte.

Ein Vergleich ist offenbar nicht erwünscht

Also ließ der 3. Senat erkennen, dass auch er den Gutachten aus der Vorinstanz folgen und auf einen unsachgemäßen Umgang mit den Bildern entscheiden könnte. Der Galerist will nur eine "Reinigung" der Bilder bestellt haben, also ein vorsichtiges Abtragen und Erneuern des alten, vergilbten Firnis, um die Farben wieder zum Leuchten zu bringen. Der Restaurator habe dann aber mit zu scharfen Lösungsmitteln einiges an originaler Substanz und malerischer Detailfülle vernichtet.

Dieser wendet aber ein, dass die Bilder schon von vielen Kollegen traktiert worden seien und er nun ältere Übermalungen entfernt und so nur den schlechten Zustand der Originale offengelegt habe. Allerdings weigert er sich zum Befremden des Gerichts strikt, seine Arbeitsschritte mit Fotos zu dokumentieren, wie es in der Branche üblich ist, denn er wolle seine handwerklichen Methoden nicht preisgeben.

Eines der Bilder, das "Chiemseeufer", das womöglich ein gewisser Ernst Kaiser gemalt haben könnte, hat schon das Landgericht als unbedeutend qualifiziert. Den "Schlafenden Mönch" von Alfons Spring, auch er ein Genre-Maler der Münchner Schule, fällt wegen des geringeren Werts kaum ins Gewicht. Was Grützners Mönch betrifft so hatte Baumgartl einen "Totalschaden" von mehr als 30 000 Euro beklagt. Das Landgericht hatte dem Totalschaden zugestimmt, ihn aber mit 12 000 Euro beziffert.

Die Bilder haben noch einen Restwert

Bei Spitzwegs "Schreiber" ist die Lage komplizierter, denn die Skizze kam dann trotz der Schäden in Köln für 5500 Euro unter den Hammer. Die Gutachter konnten das Bild nicht mehr untersuchen. Als ursprünglichen Wert nahm das Landgericht 12 000 Euro an, minus den Versteigerungserlös also einen Schaden von 6500 Euro. Gesehen hat das Bild in allen Zuständen nur der privat beauftrage Gutachter des Galeristen, den das Oberlandesgericht im Gegensatz zum Landgericht nun notfalls als Zeugen hinzuziehen will.

An der Traunsteiner Totalschadensberechnung rügten die Richter ansonsten nur, dass die betreffenden Bilder doch noch einen Restwert hatten, den Baumgartl sogar selbst bezahlt hat. Denn er hatte die Werke zunächst nur in Kommission verkaufen sollen.

Inzwischen hat er sie dem Erben der Sammlung aber allesamt selbst abgekauft. Den Einzelpreis für die betreffenden Bilder müsse er nun als Restwert von der Schadenssumme abziehen, obwohl er diesen Preis selbst gezahlt habe. Strittig bleiben inklusive des zurückgeforderten Restaurator-Honorars noch rund 17 000 Euro. Einigen sich beide Seiten bis Mitte Februar darüber nicht, müssen erst wieder die Sachverständigen sprechen und dann irgendwann endgültig die Richter.

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