Bernau:Wenn junge Polizeipiloten zum ersten Mal ins Gebirge fliegen

Bernau: Mit Blick auf die Chiemgauer Alpen trainieren die jungen Polizisten das Fliegen in den Bergen.

Mit Blick auf die Chiemgauer Alpen trainieren die jungen Polizisten das Fliegen in den Bergen.

(Foto: Matthias Köpf)

Zwischen Watzmann und Wendelstein lernen sie, wie sich ihre Helikopter in Extremsituationen verhalten - und warum ihre Kollegen in den Bergen besonders gefordert sind.

Von Matthias Köpf, Bernau

Rüdiger Baden hält in hohem Tempo schräg auf die nassen Wiesen des Rottauer Filzes zu, zieht die Maschine neben dem Heustadel knapp über den Waldrand steil nach oben und lässt sie in einer scharfen Rechtskurve nach unten abkippen, sodass kurz der Chiemsee kopfüber durchs Seitenfenster scrollt.

So eine Super Puma ist eigentlich eine Art Lastesel und wiegt voll beladen um die achteinhalb Tonnen. Für die Bundespolizei trägt sie sonst Löschbehälter am Haken oder Material zum Dämmeflicken, sie bringt Mannschaften in den Einsatz und hat zuletzt auch die Kanzlerin durch den Wahlkampf geflogen. Aber ein bisschen Achterbahn geht eben schon auch, wenn es sein muss.

Und Hubschrauberpiloten müssen wissen, was geht. Nicht nur Rüdiger Baden, der Ausbildungsleiter der Luftfahrerschule für den Polizeidienst in St. Augustin bei Bonn ist und mit seinen 55 Jahren rund 10 000 Flugstunden auf dem Buckel hat. Auch seine 15 jungen Kollegen, die in den vergangenen 18 Monaten durch Badens Schule gegangen sind und Ende Oktober ihre Lizenzen überreicht bekommen werden.

Sie und fünf weitere Piloten, die zur Fortbildung hier sind, sollen sich und ihre Maschinen in den bayerischen Bergen an ihre Grenzen bringen. Sie sollen erfahren, was sie mit ihrer Maschine noch machen können, wenn die Luft dünner wird und deswegen nicht nur der Auftrieb der Rotorblätter nachlässt, sondern auch die Kraft der beiden Motoren, die in den Standardmodellen der Polizei, der EC 135 und der EC 145, jeweils verbaut sind.

Acht solcher Maschinen dröhnen über das weite Moor bei Bernau, die A 8 ist nicht weit, und aus der nahen Justizvollzugsanstalt kommen auch keine Beschwerden wegen des Lärms. Von hier aus geht es in die Berge zwischen Watzmann und Wendelstein, danach zieht die Gruppe für einige Tage nach Ohlstadt bei Murnau und ins Allgäu weiter.

Viele junge Piloten waren noch nie in den Bergen

Für junge Piloten wie den 25-jährigen Kim Reimann ist das Gebirgstraining anstrengend und "ziemlich fordernd", aber auch "ein krönender Abschluss". Der Bundespolizist kommt aus Mühlheim an der Ruhr, in den Bergen war er noch nie. Während des G-7-Gipfels 2015 auf Schloss Elmau, der für die Fliegergruppe der Bundespolizei der bisher größte Einsatz überhaupt gewesen ist, war Reimann noch kein Flieger, aber als normaler Bundespolizist immerhin zur Unterstützung in Rosenheim stationiert.

Doch auch ohne solche Großereignisse ist sind die Helikopter der Bundespolizei seit 2015 im Süden besonders gefordert. Vom Standort Oberschleißheim aus fliegen sie die Grenzen ab oder unterstützen die Beamten, die Güterzüge vom Brenner auf Migranten absuchen, mit Wärmebildkameras aus der Luft.

Früher flogen die Piloten den Eisernen Vorhang ab

Zu so einem Einsatz werden die Kollegen gleich wieder abheben, die ihre Maschine gerade für einige Zeit hier abgestellt haben. Sie haben auf der rechten Brustseite kein leeres Klettband am Overall, sondern die Schwingen der fertigen Flieger, und am Oberarm das Wappen der Oberschleißheimer Staffel mit dem Steinbock und den fünf Bergspitzen.

Der Pilot hat seine eigene Ausbildung 1978 beim damaligen Bundesgrenzschutz begonnen und ist noch in grünen Helikoptern den Eisernen Vorhang auf und ab geflogen. Die Maschinen sind längst blau wie die jetzige Bundespolizei, aber Grenzeinsätze sind wieder wichtig geworden, auch wenn die Kontrolle der Güterzüge für die Bundespolizei offiziell als bahnpolizeilicher Auftrag gilt.

Bernau: Piloten-Azubi Kim Reimann (links) bekommt einen Auftrag von Ausbildungsleiter Rüdiger Baden.

Piloten-Azubi Kim Reimann (links) bekommt einen Auftrag von Ausbildungsleiter Rüdiger Baden.

(Foto: Matthias Köpf)

Neben solchen Kontroll- und Streifenflügen sucht die Bundespolizei aus der Luft Vermisste, transportiert Material und Menschen für die Bergwacht und birgt Verunglückte aus den Bergen - oft auch deren Leichen, denn die Rettungshubschrauber werden eben für Überlebende gebraucht. Zwei davon, Christoph 14 in Traunstein und Christoph 17 in Kempten, fliegt ebenfalls die Bundespolizei, doch bis zu so einem Dienst müsste Kim Reimann noch weit mehr als die 190 Flugstunden sammeln, die neben 650 Stunden Theorie und einiger Praxis am Boden für die Grundausbildung nötig waren.

Zuvor musste er ohnehin seine zweieinhalbjährige Polizeiausbildung beendet haben. Für Kim Reimann und für viele seiner Mitschüler war der Polizeidienst eine Chance, einmal Helikopter fliegen zu können, doch allzu groß ist diese Chance nicht: Von meistens um die 80 Bewerbern pro Ausbildungsjahrgang werden nach einem dreistufigen Auswahlverfahren inklusive Medizincheck nur zehn genommen. Von 206 Piloten für die 84 Helikopter der Bundespolizei sind nur sieben weiblich, die einzige Frau im aktuellen Kurs kommt von einer Landespolizei.

Diese schicken ihre angehenden Piloten seit 2009 ebenfalls alle nach St. Augustin. Stefan Dreymann etwa war auch noch nie in den Bergen, und wahrscheinlich wird er hier später nicht viel fliegen. Er kommt aus Hamburg. Von der Elbe bis zur Mündung einmal abgesehen, wird er sein Einsatzgebiet später in ziemlich genau vier Minuten komplett durchflogen haben, denn die Maschinen haben eine Reisegeschwindigkeit von 120 Knoten, etwa 220 Kilometern pro Stunde. In so einer Stunde verbrauchen sie dafür knapp 200 Kilogramm Sprit, weshalb die Bundespolizei hier in Bernau neben dem Funkwagen mit den hohen Antennen auch einen eigenen Tankwagen und ein Löschfahrzeug vorgefahren hat.

Kim Reimann ist von seinem Übungsflug zurück. Er habe sich "an die Berge rangearbeitet", sagt er. Landungen am Berg, vielleicht sogar in Schräglagen oder nur halb mit einer Kufe, kommen später. Im Heustadel markieren zwei Fluglehrer auf der Karte die Watzmann-Ostwand.

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