Berlin/München:Am ersten Eckpunkt links

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CSU-Bundestagsabgeordnete kritisieren Volksentscheide im neuen Grundsatzprogramm

Von L. Schnell, W. Wittl, Berlin/München

Ort und Zeitpunkt waren kein Zufall. Am Dienstag trat Markus Blume, Chef der CSU-Grundsatzkommission, mit CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer in Berlin an die Öffentlichkeit, um ein paar Eckpunkte des neuen Grundsatzprogramms vorzustellen. Wenig Konkretes, eher die großen Linien: Der gesellschaftliche Zusammenhalt solle gestärkt werden, die soziale Marktwirtschaft fit gemacht mit Blick auf eine globalisierte Welt, der Staat müsse durchsetzungsfähig bleiben, solche Sachen. Im Land gebe es eine Sehnsucht nach Orientierung, sagte Blume vor dem Auftritt. Und dass man das Profil der Union insgesamt schärfen wolle. Daher wohl auch der Auftritt in der Bundeshauptstadt und nicht in München - zudem punktgenau in einer Phase, in der CDU und CSU so heftig wie nie um gemeinsame Positionen ringen.

Weiteren Druck auf die Schwesterpartei CDU aufzubauen, so lautete also mindestens ein Ziel. Doch der Druck entlud sich in eine völlig andere Richtung.

Am Abend zuvor unterrichtete CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt die CSU-Bundestagsabgeordneten über die Pläne der Grundsatzkommission. Zur Sprache kam auch Blumes Vorschlag zur Einführung von Volksentscheiden bei Grundgesetzänderungen. Daran entzündete sich rasch eine heftige Debatte darüber, wie viel direkte Demokratie der Bevölkerung zugestanden werden soll. Die beiden Lager standen nach Berichten von Teilnehmern schnell fest: auf der einen Seite Generalsekretär Scheuer als einsamer Verteidiger des neuen Programms mit stärkerer Beteiligung der Menschen, auf der anderen Seite alle anderen.

Einerseits werfe man der CDU Linkslastigkeit vor, andererseits betreibe man mit Volksentscheiden dann selbst linke Politik, kritisierte etwa der parlamentarische Geschäftsführer Max Straubinger. Die CDU sei hier ja wohl konservativer als die CSU. Auch andere Abgeordnete argumentierten in diese Richtung, am wortreichsten der Münchner Hans-Peter Uhl.

Er sehe gleich mehrere "Widersprüchlichkeiten", sagte Uhl am Dienstag der SZ. Zunächst wäre es schön gewesen, wenn man die eigentlich für die Gesetzgebung zuständigen Abgeordneten vorher in die Pläne eingeweiht hätte. Aber auch inhaltlich übte Uhl Kritik. Das Volk solle in Plebisziten zwar sogar das Grundgesetz ändern dürfen, nicht aber einzelne Gesetze? Was passiere, wenn die derzeit zuständigen Gremien Bundestag und Bundesrat anders entschieden als die Bürger, wer habe dann recht? Und würde das Volk wirklich stärker teilhaben? Studien belegten, dass sich an Plebisziten vor allem die Oberschicht beteilige, sagte Uhl. Man schaffe also nur mehr Mitsprache für Eliten.

Es gebe bei dem Thema "noch Diskussionsbedarf", sagte Hasselfeldt diplomatisch. Aber man stehe ja erst am Anfang der Diskussion über das neue Grundsatzprogramm. Darin ist sich auch Blume mit der Landesgruppe einig. Man wolle eine Politik auf Augenhöhe mit dem Bürger, sagte er, entschieden sei aber noch nichts. Das letzte Wort hat der Parteitag im November.

© SZ vom 08.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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