Bergkirchweih in Erlangen:Wenn der Bierberg ruft

Pinke Mini-Dirndl, Felsenkeller und "subbergoudes frängisches Bier": Die Franken, aber auch viele andere finden, dass die Bergkirchweih in Erlangen das bessere Oktoberfest ist. Denn hier herrscht noch Gemütlichkeit, hier ist alles eins.

Beate Wild, Erlangen

Aus dem Autoradio tönt Blasmusik, live in der Sendung stemmen zwei Burschen die Maßkrüge. Ein regionaler Sender bereitet schon vor auf das, was kommt: "Berg-Challenge" nennt es der Moderator. Hinter dem Ortsschild Erlangen sind plötzlich unglaublich viele Menschen in Tracht unterwegs. Ortsunkundige brauchen nicht nach dem Weg zu fragen, es genügt, sich von der Masse mitreißen lassen, aufwärts, hinauf zu den Felsenkellern.

In diesen Tagen gibt es in Erlangen nur ein Ziel. Und das heißt Berch, wie die Franken sagen. Berch steht für Berg, und Berg steht für Bergkirchweih, das Volksfest des Jahres in Mittelfranken.

Die Mehrzahl trägt Dirndl respektive Lederhosen - das war vor einigen Jahren noch ganz anders, wollte man sich hier in Franken doch stets vom oberbayerischen München und seinem Oktoberfest abgrenzen. Doch nun hat offenbar ein Gesinnungswandel stattgefunden.

Bei den Damen sind Rosa und Pink die bevorzugten Dirndlfarben und die Rocklänge reicht bis maximal zum Knie - bei traditionellen Trachtlern ist das eigentlich verpönt. Bei den Männern gibt es ebenfalls zwei Varianten: rot- oder blaukarierte Hemden zu hellbraunen Krachledernen. Die meisten Outfits sind noch nagelneu und ähneln sich derart, dass man den Verdacht nicht los wird, ein örtliches Trachtenfachgeschäft habe durch ein lukratives "Bergkirchweih"-Angebot seinen Umsatz in schwindelerregende Höhen geschraubt.

Endlich kommt man oben am Berch an, mehr geschoben denn geschritten, und stellt um drei Uhr nachmittags fest, dass die Mehrzahl der Feiernden schon mehr als nur Spezi getrunken hat. Ein paar Herrschaften schwanken beträchtlich. Alle örtlichen Brauereien, insgesamt 17, sind vertreten und die überall feilgebotene Erdbeerbowle und der Frankenwein tun ihr Übriges.

Seit 1755 gibt es die "Berch-Kerwa" in der fränkischen Universitätsstadt. Damals hatte der Magistrat beschlossen, die verschiedenen Jahrmärkte und Kirchweihen aus der Altstadt zu verlegen. Das Gelände am Burgberg eignete sich hierfür hervorragend, schließlich lagerten die Brauereien dort in den kühlen Felsenkellern ihr Bier. Für Nachschub für die durstigen Kehlen war also gesorgt.

"Des subbergoude frängische Bier"

Am Burgberg entlang reihen sich heute nicht nur Bierkeller, sondern auch insgesamt 90 Schausteller und zahlreiche Imbissbuden. Auf einer Bude steht: "Dou gibd's des subbergoude frängische Bier". Die Franken schämen sich nicht für ihren Dialekt - im Gegenteil. Es gibt Pizza, Pommes, Eis, Schnaps, Caipi, "drei im Weckla" (drei Bratwürste in der Semmel), "Putenkeule like USA" und mittlerweile sogar Bubble-Tea. Das Teegetränk mit den bunten Perlen kommt bei den Erlangern gut an - obwohl es alkoholfrei ist.

Eroeffnung der Erlanger Bergkirchweih

Bei wem der Rausch noch nicht zu groß ist, der zieht um 23 Uhr weiter zum "After-Berch" in die Altstadt.

(Foto: dapd)

Die Maß Bier kostet am Berg höchstens 7,50 Euro, seit drei Jahren ist der Preis stabil. Da könnten sich die Wiesn-Wirte in München ein Beispiel nehmen. Überhaupt der Vergleich mit dem Oktoberfest, dem kann die Bergkirchweih locker standhalten. Nicht nur dass es billiger ist, hier zu feiern. Auch die Biergärten unter freiem Himmel, unter den Schatten spendenden Kastanienbäumen, sind so viel idyllischer als die dampfigen, überhitzen Bierzelte. Die Stimmung schwappt von einem Garten zum nächsten über, hier oben am Berg ist alles eins. Da gibt es keine separierenden Bierzelte und keine Türsteher, die einen wegen Überfüllung nicht hineinlassen.

Zur jährlichen Bergkirchweih kommen keine Touristen aus Australien oder China, dafür viele Franken aus dem Umland, die 30.000 Erlanger Studenten und viele Ehemalige. Es soll sogar Einheimische geben, die sich dafür extra Urlaub nehmen und täglich zum heiligen Berg hinaufpilgern. Insgesamt werden eine Million Besucher erwartet - bei der Wiesn sind es sechs Millionen. Am Berg weiß man trotzdem noch, was Gemütlichkeit bedeutet.

Wenn um 23 Uhr die Biergärten schließen und überall am Berg der Gute-Nacht-Song "Lili Marleen" erklingt, feiern diejenigen, bei denen der Rausch noch unter Kontrolle ist, beim "After-Berch" in der Altstadt weiter. Galileo, Papa Joe's oder E-Werk heißen die einschlägigen Locations, in denen man noch bis in die frühen Morgenstunden weitertanzen kann. Und wer nicht mehr zu ohrenbetäubender Musik seine Hüften bewegen will, der lässt sich einfach wieder hinabtreiben und bleibt irgendwo an einer Döner-Bude auf ein Absackerbier hängen.

Aber noch ist es nicht Nacht. Eine Live-Band covert gerade "Under the Bridge" von den Red Hot Chilli Peppers. Alle stehen, schunkeln, singen. Ein einziges wogendes rot- und blaukariertes Trachtenmeer mit pinken Tupfern dazwischen. Es herrscht Ausnahmezustand im sonst so beschaulichen Erlangen.

Die Bergkirchweih geht bis einschließlich 4. Juni, Informationen unter www.berch.info und www.der-berg-ruft.de.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: