Bayreuth vor den Festspielen:Wahnsinn mit Wahnfried

Das Haus Wahnfried kann man als Bayreuth-Tourist getrost vergessen: Das verstaubte Museum ist derzeit geschlossen. Und die Richard-Wagner-Gedenkstätte erinnert an eine Toilettenanlage. Das ist blöd, immerhin ist bald Festspielbeginn. Von wegen Weltkulturerbe Bayreuth.

Olaf Przybilla, Bayreuth

An der Richard-Wagner-Straße in Bayreuth steht seit Kurzem ein zweites Museum. Natürlich: Richard Wagners früheres Wohnhaus findet sich in der Straße seit jeher, und wer Bayreuth besucht hat und nicht in dem ehrwürdigen Anwesen namens Wahnfried war, der hatte wohl einen ziemlich bescheuerten Reiseführer. Das neue Museum an der Wagner-Straße aber sieht ganz anders aus, es wirkt, als seien dort mal städtische Toiletten untergebracht gewesen. Aber dazu später.

Bayreuth feiert 2013 den 200. Geburtstag von Richard Wagner

Stolzes Haus, doch derzeit leider für den Besucherverkehr geschlossen: die Villa Wahnfried.

(Foto: dapd)

Das Haus Wahnfried kann man als Bayreuth-Tourist in diesen Tagen getrost vergessen: Denn das Museum, verstaubt bis unters Dach, ist derzeit geschlossen, wegen Renovierung. Das ist blöd, immerhin ist Bayreuth gerade zum Welterbe erklärt worden, und am Mittwoch beginnen die Festspiele mit dem "Holländer" - da sind nun wirklich sehr viele Gäste in der Stadt.

Die Bayreuth-Besucher sollten sich auch ursprünglich damit trösten können, dass da gerade neben Wahnfried ein Anbau entsteht und dieser schmale Glasriegel im Garten des Hauses - so war der Plan - bis zur nächsten Spielzeit eröffnet werden könnte. Daraus aber wird nichts werden: Zwar feiert Bayreuth 2013 das große Wagner-Jubiläum. Das schöne neue Wagner-Museum aber, das ist jetzt schon sicher, wird es bis dahin nicht geben.

Zurück in die Wagner-Straße, aber eben nicht zu Wahnfried, sondern auf die andere Straßenseite. Dort ist kürzlich das besagte zweite Museum eröffnet worden, die Stadt nennt es "Info-Point Bau.Schau.Stelle". Es handelt sich um eine Art Richard-Wagner-Gedenkstätte für zwischendurch, eingepfercht in einem Häuschen an der Straße und wie gesagt: einer Toilettenanlage nicht unähnlich. Wer es betritt, begegnet einer sehr freundlichen Frau an der Kasse, die freimütig gesteht, sie sei dort als eine Art Kummerkasten stationiert worden: für Touristen, aber auch für Einheimische, die ihren Frust loswerden wollen.

Etwa darüber, wie saumäßig es noch bis vor Kurzem auf dem Grundstück gegenüber, bei Wahnfrieds im Garten, aussah. Und darüber, dass das Museum auf der anderen Straßenseite schon seit mehr als einem Jahr geschlossen ist, an etwas Neues aber, die Fertigstellung der Sanierung oder gar die Eröffnung des Anbaus, noch nicht zu denken ist - ein Jahr vor dem Jubiläum. Im Gästebuch finden sich diverse Eintragungen, Begriffe wie "Scham" und "Schande" spielen eine gewisse Rolle darin.

Die Frau im Häuschen schaut hinüber zu Wahnfried und sagt: Wenigstens habe man dort jetzt mal Gras gemäht, die gröbsten Bauhügel im Garten beseitigt. Jetzt, wo doch Frau Merkel bald in der Stadt ist.

Von Raumchoreografie ist die Rede

Wer nicht versteht, wie das alles kommen konnte: Wie es sein kann, dass über ein neues Museum seit mehr als zehn Jahren gesprochen wird in Bayreuth, und man nun, ein Jahr vor dem Jubiläum, lediglich ein paar abgeholzte Bäume im Garten sieht und ein Schild, das darauf hinweist, dass Wahnfried leider geschlossen bleiben muss. Wer also überhaupt keine Idee hat, wie etwas laufen muss, damit es am Ende so erbärmlich ist, der findet im provisorischen Museum wichtige Anregungen.

In der "Bau.Schau.Stelle" - der Name verspricht ungefähr das, was dieses Museumchen tatsächlich hält - liegen hübsch gestaltete Handzettel aus, die erklären sollen, was gegenüber so alles geplant ist: "Ein neues Museum im historischen Garten des Hauses Wahnfried zu verorten, ohne die solitäre Wirkung des Bestandes zu beeinträchtigen, die Idee der Gartenanlage erlebbar zu belassen und trotzdem den neuen Eingriff in Erscheinung treten zu lassen", in diesem Stil liest sich das.

Von Raumchoreografie ist die Rede, "welche die bestehenden Elemente Allee, Vorplatz und Garten stärkt und inszeniert". Und vom Ausstellungsbereich, der "großzügig verglast von der atmosphärischen Qualität der historischen Gartenanlage" profitieren soll. Zuletzt wirbt der Zettel mit dem Museumscafé, von dem aus sich "ein Ausgang in den Garten und zum Grab Richard Wagners" anbiete.

Willkommen in der Realsatire

Willkommen in der Realsatire: Der "Info-Point" der Stadt informiert wenige Tage vor Beginn der Festspiele über ein Museum, das zum Jubiläum keinesfalls fertig sein wird. Und über ein Museumscafé gleich neben dem Wagner-Grab, das der Stadtrat an dieser Stelle längst verwerfen musste: Nachdem sich Iris Wagner über eine Verunglimpfung des Angedenkens an ihren Urgroßvater beschwert hatte.

"Mich laust der Affe" hat Christian Thielemann - er wird am Mittwoch den "Fliegenden Holländer" dirigieren - zu Protokoll gegeben, als er neulich den übel zugerichteten Garten vor dem Haus Wahnfried besucht hat. Sogar einen "handfesten Skandal" glaubte der Dirigent erkannt zu haben, angesichts des desaströsen Zustands der Baustelle. Hätte Thielemann die dargereichten Informationen im städtischen "Info-Point" eingesehen, seine Formulierungen wären womöglich deutlich weniger zurückhaltend ausgefallen.

Wer ist schuld am Debakel? Auch wer sich lange umhört in Bayreuth, wird sich am Ende schwertun, jemanden zu benennen. Zunächst wurde jahrelang an einer "kleinen Lösung" gearbeitet, für sechs Millionen Euro: im Wesentlichen eine Sanierung von Wahnfried. Als der Plan fertig war, lehnte ihn der Stiftungsrat als "Schneckenhauslösung" ab.

Alles neu also, die ganz große Lösung mit europäischem Architektenwettbewerb, für 15 Millionen Euro. Erster Ärger mit dem Museumscafé, das nicht dahin sollte, ins benachbarte Siegfried-Wagner-Haus nämlich, wo einst Hitler aus und ein ging. Danach zweiter Ärger mit dem Museumscafé, auch Ärger mit einem unterirdischen Gang, dazwischen Warten auf Förderbescheide und zuvor: Kommunalwahl in Bayreuth.

"Schon betrüblich"

Sie endete mit einer Überraschung: Nach nur einer Amtszeit wurde der CSU-Amtsinhaber abgewählt, und viele sagen, das unwürdige Gewürge an Wagners Grabstätte sei nicht der geringste Grund dafür gewesen. Man habe wohl zu spät angefangen mit den Planungen, sagt die neue Oberbürgermeisterin.

Wer nun weiß, dass dieses Haus seit 2001 geplant wurde - der bekommt eine Ahnung davon, was für einen Atem man braucht, um an Bayreuths Wagner-Institutionen etwas zu ändern.

Und der Hügel? Findet die Sache mit dem Museum unten in der Stadt, so kurz vor der Festspieleröffnung, "schon betrüblich", wie ein Festspielsprecher formuliert. Man wolle sich aber raushalten, man wisse schließlich, wie lange Wagner-Baustellen brachliegen können. Auch die Sanierung des Festspielhauses und der Bau einer neuen Probebühne werden seit Jahren debattiert. Unterm Strich bisher: ohne Ergebnis.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: