Bayern-SPD:Magets bittere Analyse

Nach der Wahlniederlage 2008 stellte sich die Bayern-SPD neu auf. Seitdem haben Landeschef Florian Pronold und sein Team keinen Stein auf dem anderen gelassen. Nun sorgt ein Papier des ehemaligen Spitzenkandidaten Franz Maget für Aufruhr in der Partei. Traut er seinen Nachfolgern den Neuanfang nicht zu?

Mike Szymanski

Es war ruhig geworden um Franz Maget. Nach seinem Rückzug aus der ersten Reihe der Bayern-SPD hat sich der zweimalige Spitzenkandidat und frühere Fraktionschef voll auf seinen Job als Landtagsvizepräsident konzentriert. Er hat nach der Wahlniederlage 2008 Schritt für Schritt die anderen machen lassen, die Neuen in der SPD: Fraktionschef Markus Rinderspacher, Generalsekretärin Natascha Kohnen, Landeschef Florian Pronold.

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Franz Maget wollte einen Anstoß liefern. Jetzt grübeln alle.

(Foto: Johannes Simon)

Maget hat zugeschaut, wie sie keinen Stein in der Partei auf dem anderen ließen und ihre Anhänger um Geduld baten: Die SPD sei eine Baustelle. Maget wollte aber offenbar nicht warten, bis sie die SPD wieder zusammengesetzt haben. Der 57-Jährige hat sich stattdessen hingesetzt und einen Aufsatz verfasst: "Der Weg der SPD".

Zehn Seiten ist das Papier lang, es ist eine Fehlersuche, die erklären soll, warum die SPD im Umfragetief verharrt. Es wird für Diskussionen sorgen, wenn Maget an diesem Sonntag zur "Tour de Franz 2011" aufbricht, seiner Fahrradtour durch den Münchner Norden. Nun fehlt es der Bayern-SPD wahrlich nicht an Fehleranalysen - aber diese kommt zur Unzeit.

Sie wirft die Frage auf, ob Maget den Neuen den Neuanfang womöglich nicht zutraut. Warum sonst überrascht er seine Partei mit einer derart bitteren Analyse? "Ist die Sozialdemokratie wirklich am Ende eines langen Weges angelangt oder gibt es Hoffnung auf einen neuen Aufschwung?", fragt er gleich in der Einleitung und dann nimmt er auch bald schon die Hoffnung: "Ein Aufstieg der SPD zu alter Größe (40 Prozent) ist nicht wahrscheinlich", schreibt er mit Blick auf die schwindende Bindungskraft der Volksparteien.

Maget beschreibt, wie sehr die Agenda-Politik von Gerhard Schröder der Partei zugesetzt habe, aber dies allein erkläre den Misserfolg nicht. "Kaum ein SPD-Ortsvereinsvorsitzender ist in der Lage, fünf oder sechs Erfolge sozialdemokratischer Regierungstätigkeit zu benennen, ihm falle aber sofort die doppelte Anzahl vermeintlich kapitaler Fehler ein", schreibt Maget an einer Stelle, an anderer: "Die Alltagsarbeit der Sozialdemokraten im Hamsterrad zerfällt normalerweise in Einzelprojekte und kleinteiliges Agieren."

Wenig schmeichelhaft für die Genossen ist auch jene Passage: "Wer eine Meinung vertreten möchte, die nicht dem entspricht, was in kleinen jakobinischen Führungszirkeln ausgebrütet wurde, gehört belobigt und nicht an den Pranger gestellt. Die ,Gremienwahrheit' muss nämlich nicht zwangsläufig die richtige sein."

"Armes Schwein"

Maget wirbt für die Vorschläge aus der Parteispitze in Berlin, etwa auch Nichtmitgliedern mehr Mitsprache zu ermöglichen. "Damit sind kein Sittenverfall und auch keine antisozialistische Verschwörung verbunden." Auch einen Leistungsnachweis für Abgeordnete schlägt er vor. "Es darf keinesfalls dabei bleiben, dass innerparteiliche (Gremien-)präsenz höher bewertet wird als Beliebtheit im eigenen Stimmkreis."

Seine Bayern-SPD reagiert verstört - die ganze Arbeit der vergangenen Monate war darauf angelegt, eben jenes Bild der SPD zu korrigieren, das Maget nun in seinem Aufsatz wieder befeuert. In der Parteispitze waren sie der Auffassung, auch ein gutes Stück vorangekommen zu sein.

Eigentlich müsste Maget wissen, wie sich seine Parteifreunde jetzt fühlen. Im Landtagswahlkampf 2008 nannte der Parteifreund und damalige DGB-Chef Fritz Schösser den Spitzenkandidaten Maget ein "armes Schwein", weil die Lage der Partei so desolat sei. In der Analyse war das zwar auch nicht unbedingt verkehrt, aber hilfreich war es nicht.

Bayerns SPD-Chef Pronold versucht das Papier kleinzureden. "Ich habe nicht den Eindruck, dass es ein großes Strategiepapier darstellt", sagt er. "Wir haben keinen Mangel an Analysen. Die spannende Frage ist doch, wie verändern wir die Praxis." Der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Harald Güller, sagt: "Ein Mutmacher-Papier ist das nicht, weil es zu wenig Lösungen anbietet."

Maget selbst beschwichtigt: "Der Aufsatz soll keine Streitschrift sein. Der Partei tut eine Diskussion gut." Dass seine Analyse in vielen Punkten die Genossen schmerzt, nimmt er in Kauf. "Die Bewertung ist vielleicht realistisch." Auf keinen Fall will er seinen Aufsatz als Angriff gegen das neue Führungspersonal verstanden wissen. "Das ist keine Kritik an dessen Linie", sagt er. Als Vizepräsident im Landtag habe er eine gewisse Distanz gewonnen und wollte einen Gedankenanstoß liefern.

Jetzt grübeln alle.

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