Bayern:Söder gegen Seehofer: Der Streit belastet zunehmend die CSU

CSU lobt Merkels Selbstkritik

Horst Seehofer und sein Finanzminister Markus Söder.

(Foto: dpa)

Nach dem Seehofer-Rüffel für Markus Söder zeigt sich, wie sehr die Partei inzwischen in zwei Lager gespalten ist. Doch sollte es zur Machtprobe kommen, scheint die CSU einen klaren Favoriten zu haben.

Von Lisa Schnell und Wolfgang Wittl

Kleine Kinder bekämen die Spritze beim Impfen auch mal in den Oberschenkel gesetzt, sagt Gesundheitsministerin Melanie Huml. Weil Markus Söder aber schon ein 1,94 Meter großer Politiker ist, darf er den linken Oberarm frei machen. Dienstag, Fototermin im Finanzministerium, eine lange angekündigte PR-Aktion. Die ausgebildete Ärztin Huml wirbt mit Söder für die Grippeimpfung, doch das Interesse gilt einem anderen Thema: der jüngsten Eskalation im Dauerstreit zwischen Söder und Horst Seehofer, seinem Chef in der CSU und Ministerpräsident.

Mit allen erdenklichen Fragen versuchen die Journalisten, Söder einen Satz zu Seehofers Rüffel zu entlocken. Was mehr schmerze: Humls Spritze oder Seehofers Pikser? Er finde, Impfen sei eine wichtige Sache, sagt Söder lächelnd. Und dass sich das ganze Kabinett impfen lassen sollte. So geht es weiter, drei, vier Mal. Dann beendet Söder die Rateshow: "Das hab ich doch ganz gut gemacht, oder?" Und geht.

Ein Pikser? Es war ein massiver Eingriff, den Seehofer am Montag von Berlin aus vorgenommen hat. Er sei fest entschlossen, dass er "Privatstrategien nicht mehr zulassen" werde, schimpfte er bei einem Treffen der Spitzen von CSU-Landesgruppe und Landtagsfraktion. "Nur Zwietracht" werde so geschürt, und dass unter solch eigennützigen Aussagen das Wohl der ganzen Partei leide. Den Namen Söder nahm Seehofer nicht in den Mund, doch auch so war der Adressat seiner Wutrede klar: "Wer jeden Tag einen Förderbescheid überreicht, ist noch lange kein Stratege", spottete Seehofer. Kein Minister hat mehr Förderbescheide ausgestellt als Söder, allein zum Breitbandausbau 1000 in 20 Monaten. "Entsetzt" sei er gewesen, als er das gelesen habe, sagte Seehofer noch. So etwas habe er "nicht für möglich gehalten", zumal nur zwei Tage nach dem Parteitag.

Seehofers Zorn bezog sich auf ein Interview in der Passauer Neuen Presse, in dem Söder Parteifreunde angriff, die sich zuletzt für eine weitere Kanzlerschaft von Angela Merkel ausgesprochen hatten. "Einige aus der CSU sind bereits mit vorauseilendem Gehorsam nach vorn gegangen. Das war nicht gut", sagte Söder. Ansonsten wiederholte der Finanzminister Seehofers Positionen: Inhalte vor Personal, die Forderung nach konsequenter Rückführung von nicht anerkannten Flüchtlingen, sogar als "international hoch anerkannte Kanzlerin" lobte er Merkel. Man sei doch ganz auf Seehofers Linie geblieben, wunderten sich Söders Leute nach dessen Brandrede.

Seehofers Freunde sehen das anders. Ein Signal des Friedens sollte vom Parteitag ausgehen - unter den Mitgliedern wie auch gegenüber der Kanzlerin. Dass Söder bereits zwei Tage später Merkels Freunde in der CSU kritisiert habe, entspreche keineswegs dem Fahrplan, den sich Seehofer von den Delegierten absegnen ließ. Von Amtsanmaßung Söders ist die Rede, der Minister verfahre wohl nach dem Motto: "Wer unter mir Parteichef ist, ist mir egal."

Das Schema der Auseinandersetzung ist nicht neu: Söder prescht aus Seehofers Sicht ungebührlich vor, der Parteichef schlägt mit einer Wucht zurück, die in der Partei Staunen hinterlässt. Das war bei der Weihnachtsfeier 2012 so, als Seehofer Söder "charakterliche Schwächen" attestierte, weil der angeblich Parteifreunde diskreditiert hatte. Das war vor dem Parteitag im vergangenen Jahr so, als Söder einen fragwürdigen Tweet gegen Flüchtlinge absetzte und Seehofer ihn via Zeitungsinterview brüsk zur Ordnung rief. Und nun wieder.

Doch mit jeder Auseinandersetzung brechen die Fronten in der CSU mehr auf, die Seehoferianer und Söderisten stehen sich immer ablehnender gegenüber. Entsprechend rauer wird auch der Ton: Söder müsse endlich lernen, "die Klappe zu halten". Wenn er nicht aufhöre, Parteifreunde zu "bekriegen", werde er womöglich gar kein Amt bekommen. So reden die einen.

Andere schimpfen, der Seehofer gehe ihnen "gewaltig auf die Nerven", weil er sein "ganzes Trachten und Streben" darauf verwende, Söder zu verhindern oder schlecht zu machen. Seehofer habe sich auch jetzt wieder "als Streithansel offenbart", doch die Basis habe den Streit satt.

Offen äußern sich nur wenige in der Partei, wie Max Straubinger, der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Er habe "Verständnis dafür, dass einem der Grant übergeht, wenn wir bemüht sind, auf der sachpolitischen Ebene Lösungen zu erreichen, und dann möglicherweise unter eigensüchtigen Gesichtspunkten Politik betrieben wird", verteidigte er Seehofer im BR. Die Partei könne keine "Störfeuer" brauchen. Der Landtagsabgeordnete Alexander König hingegen sagt: "Ich halte dieses ständige Söder-Bashing für parteischädigend."

Gemischt sei der Applaus für Seehofers Rüge ausgefallen, hieß es. Der Parteichef bekräftigte seine Kritik abends vor der Landesgruppe erneut, ohne Söder zu nennen. Gemischt seien auch die Kräfteverhältnisse in der CSU, sagt einer, der keinem Lager angehört. Doch er schätzt: Wenn es hart auf hart käme, stünde die Partei mit 90 zu zehn hinter Seehofer. Denn ein 2007, als die CSU gegen ihren Chef putschte und danach ihre absolute Mehrheit verlor, wolle keiner wiederholen. "Jeder will Ruhe."

Zwei Wochen dauere es, bis die Impfung wirke, erklärte die Gesundheitsministerin. "Das werden spannende 14 Tage", sagte Söder. Der Schutz gegen die Grippe hält ein Jahr. Wie lange die Nebenwirkungen in der CSU zu spüren sind, weiß derzeit niemand.

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