Bayern:Flüchtlinge bekommen weiterhin Bargeld statt Sachleistungen

Grenzdurchgangslager Friedland

Wenn es nach der Regierung im Freistaat geht, sollen Flüchtlinge nur noch Sachleistungen bekommen.

(Foto: dpa)
  • Flüchtlinge sollen nach dem Willen der Staatsregierung möglichst nur noch Sachleistungen erhalten, allenfalls noch Gutscheine, aber kein bares Geld mehr.
  • In die Tat umsetzen lässt sich die gesetzliche Regelung offenbar schwerer als gedacht.
  • In bayerischen Erstaufnahmeeinrichtungen wird nach wie vor Bargeld ausbezahlt.

Von Jakob Wetzel

Bargeld für Flüchtlinge? Ginge es nach der bayerischen Staatsregierung, gäbe es das zumindest in Erstaufnahmeeinrichtungen schon lange nicht mehr. Flüchtlinge sollen möglichst nur noch Sachleistungen erhalten, allenfalls noch Gutscheine, kein bares Geld. So steht es auf Betreiben der Union seit Oktober 2015, als das "Asylpaket I" in Kraft trat, im Gesetz.

Doch in die Tat umsetzen lässt sich das offenbar schwerer als gedacht: Fast ein halbes Jahr später wird in bayerischen Erstaufnahmeeinrichtungen wie in der früheren Münchner Bayernkaserne nach wie vor Bargeld ausbezahlt.

Konkret geht es um das sogenannte Taschengeld in Höhe von 143 Euro im Monat. Damit sollen sich Flüchtlinge Dinge für ihren persönlichen Gebrauch kaufen können, die über Unterkunft, Ernährung, Kleidung und Gesundheitspflege hinausgehen: also zum Beispiel Guthaben fürs Handy, ein Busticket, einen Kaffee am Imbiss oder auch den Eintritt ins Schwimmbad.

In den Augen der CSU ist dieses Geld vor allem ein "Fehlanreiz": Es locke Flüchtlinge an und verleite sie dazu, aus anderen europäischen Staaten nach Deutschland zu ziehen. Die Union wollte deshalb im vergangenen Herbst ein Signal setzen.

Und jetzt? Die Umstellung sei im Detail schwierig und daher bislang "nicht abgeschlossen", teilt die Regierung von Oberbayern mit, die für die Erstaufnahme zuständig ist. Schriftlich heißt es, die Behörde würde damit "beginnen", die Umstellung "einzuleiten". Bis dahin gibt es das Taschengeld in bar weiterhin.

Der Aufwand ist riesig

Schwierig ist vor allem der zusätzliche Aufwand für Verwaltung und Logistik. Bislang setzt sich das Taschengeld aus Pauschalen für verschiedene Bereiche zusammen, zum Beispiel für Kommunikation, Verkehr oder "Gaststättendienstleistungen". Jetzt aber müssen die Behörden klären, was im Einzelnen nötig ist, und diese Leistungen müssen sie effektiv bereitstellen.

Es gibt mehrere denkbare Varianten: Behörden wie die Regierung von Oberbayern könnten Bestelllisten entwerfen, anhand dieser die Waren erst zwischenlagern, dann an die Flüchtlinge verteilen. Oder die Behörden arbeiten mit Gutscheinen, wofür sie Verträge mit Mobilfunkfirmen, Verkehrsbetrieben oder Gaststätten abschließen müssen. Erst danach dürfen sie das Taschengeld um entsprechende Beträge kürzen.

Flüchtlinge haben Anspruch auf ein "soziokulturelles Existenzminimum"

Denn auf dem Papier dürfen die Flüchtlinge nach der Reform nicht schlechter gestellt werden. Das Geld dürfe nicht erheblich unter die Sätze für Sozialhilfe-Empfänger sinken, urteilte 2012 das Bundesverfassungsgericht: Flüchtlinge hätten genauso wie Einheimische Anspruch auf ein "soziokulturelles Existenzminimum". In der Urteilsbegründung wandte sich das Gericht gar explizit gegen "migrationspolitische Erwägungen" wie die der CSU: Da heißt es, "Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden", sei kein legitimer Grund, um Leistungen zu kürzen.

Sozialverbände halten die Umstellung auch aus diesem Grund für problematisch: "Den Menschen soll das Leben schwer gemacht werden", indem man ihnen beim "sowieso knapp bemessenen Betrag für den persönlichen Bedarf" keine freie Wahl mehr lasse, klagt die katholische Münchner Caritas. "Ein Rückschritt" und "viel zu kompliziert", heißt es von der evangelischen Inneren Mission, die den Sozialdienst für Flüchtlinge in der Bayernkaserne leitet. Der Bayerische Flüchtlingsrat hält die Umstellung ohnehin für "menschenunwürdig" und "ein Unding".

Probleme sieht selbst das bayerische Sozialministerium - allerdings nicht beim Ziel, das Taschengeld abzuschaffen, sondern auf dem Weg dorthin. So ist ein Teil des Geldes etwa dafür gedacht, dass Flüchtlinge Restaurants, Cafés oder einen Imbiss besuchen können. Das könne "mangels praktischer Umsetzbarkeit" kaum als Sachleistung funktionieren, teilt ein Sprecher mit. Ähnliches gelte für Freizeit, Unterhaltung und Kulturangebote.

Eine mögliche Lösung sei aber schon in Sicht, heißt es: Derzeit sei ein Modellprojekt ausgeschrieben, das mit sogenannten Sachleistungskarten arbeite, ein ähnliches System gibt es bereits in Baden-Württemberg. Dabei erhalten die Flüchtlinge Wertkarten, mit denen sie einkaufen können; sie können aber nichts mehr ansparen, um es zum Beispiel in die Heimat zu schicken.

Der Freistaat drängt auf die Umstellung

Grundsätzlich pocht das Sozialministerium auf die Reform: Sie entspreche der "politischen Grundentscheidung in Bayern". Wo es möglich sei, dränge der Freistaat weitaus intensiver als alle anderen Bundesländer darauf, auf Sachleistungen umzustellen; und man sehe keinen Grund, davon abzuweichen - "auch wenn dies teilweise zu Protesten führt". Kritik war zuletzt etwa in Nürnberg aufgekommen: Dort beendete die Stadt Initiativen, Flüchtlingsunterkünfte mit Wlan zu versorgen, weil den Bewohnern sonst 36 Euro vom Taschengeld abgezogen worden wären.

Gespräche über Wlan in den Gemeinschaftsunterkünften gibt es auch in München, und auch hier werde, sollte es eingeführt werden, wohl das Taschengeld gekürzt, heißt es aus dem Sozialreferat. Es gibt aber zugleich Entwarnung. 36 Euro betrage der monatliche Gesamtetat je Flüchtling für Kommunikation, nicht nur für Internet. Wenn in München gekürzt werde, dann letztlich "nur um ein paar Euro".

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