Bayern:Die CSU steht "für ein Europa der Schlagbäume"

Erste Sitzung des neuen Kabinetts

Hier wird gearbeitet: Der Kabinettssaal in der Münchner Staatskanzlei mit dem neuen Chef in der Mitte.

(Foto: dpa)
  • Schon in der ersten Kabinettssitzung will die neue Staatsregierung unter Bayerns Ministerpräsident Söder Tatendrang demonstrieren und fällt Entscheidungen.
  • Der Freistaat bekommt eine eigene Grenzpolizei und ein eigenes Landesamt für Asyl.

Von Wolfgang Wittl

Nicht alles ändert sich unter dem neuen Ministerpräsidenten Markus Söder, manches aber doch. Um zehn Uhr eröffnet Söder am Freitag seine erste Kabinettssitzung, es ist wie am ersten Schultag, wenn Schüler ins Klassenzimmer strömen. Nur ist die Platzwahl für die 13 Minister und vier Staatssekretäre nicht frei, sondern fest vorgegeben. Söders Stellvertreterin Ilse Aigner sitzt jetzt nicht mehr gegenüber vom Ministerpräsidenten, sondern zu seiner Rechten. Und anders als sein Vorgänger Horst Seehofer will Söder in den Sitzungen inhaltlich klare Schwerpunkte setzen, das erste Thema ist dem Markenkern der CSU vorbehalten: "Wir wollen, dass Bayern beim Thema Sicherheit und Rechtsstaat die Nummer eins ist und bleibt", wird Söder nachher sagen.

Neu ist auch, dass die Kabinettsbeschlüsse nicht der Staatskanzleichef vorträgt, sondern der Ministerpräsident mit dem zuständigen Fachminister, in diesem Fall Innenminister Joachim Herrmann. Die Banner mit dem Slogan "Bayern. Die Zukunft" sind aus dem Pressekonferenzraum verschwunden, was insofern verständlich ist, weil die Zukunft aus Söders Sicht nun ja Gegenwart ist. "Bayerische Staatskanzlei" ist jetzt ganz nüchtern vermerkt. "Hallo", sagt Söder beim Reingehen, dann macht er das, worauf er seit Wochen gewartet hat: Er legt mächtig los.

Wie bei der CSU-Klausur im Januar bereits angekündigt, bringt die Staatsregierung eine eigene Grenzpolizei und ein Landesamt für Asyl auf den Weg - allerdings noch einmal erheblich aufgestockt. So sollen der Grenzpolizei mit Hauptsitz in Passau nicht 500, sondern 1000 Polizisten angehören. Sie sollen auch nicht hinter, sondern eigenverantwortlich und direkt an der Grenze zu Österreich und Tschechien kontrollieren können. Bislang ist die Bundespolizei für die Kontrollen zuständig, sie wird seit 15 Monaten von bayerischen Polizisten unterstützt. Herrmann kündigte an, mit dem neuen Bundesinnenminister Horst Seehofer, seinem CSU-Parteichef, Gespräche zu führen, damit auch die Landespolizei dauerhaft selbständig kontrollieren dürfe. Mit Widerstand von Seehofer dürfte nicht zu rechnen sein, eher wohl mit einer Reaktion, die Söder als "Doppelpass spielen" bezeichnet.

Mit 150 neuen Dienstfahrzeugen, Fingerabdruck-Scannern und Drohnen, die unübersichtliches Gelände aus der Luft überwachen sollen, wird die Grenzpolizei technisch umfassend ausgerüstet. Zum 1. Juli soll sie ihren Dienst antreten, als ihr Leiter ist der frühere Passauer Polizeichef Alois Mannichl vorgesehen. Mannichl geriet vor zehn Jahren unfreiwillig in die Schlagzeilen, als er vor seinem Haus niedergestochen wurde - von Tätern mit womöglich rechtsradikalem Hintergrund. Aufgeklärt wurde der Fall nie. Weitere 1000 Polizisten sollen die Präsenz im Freistaat stärken. Auch die Ausbildungskapazitäten der Bereitschaftspolizei sollen erhöht werden, damit die neuen Polizisten schneller ihren Dienst antreten können.

Zum 1. August soll das Landesamt für Asyl in Manching bei Ingolstadt seine Arbeit aufnehmen, ebenfalls mit 1000 Mitarbeitern. Die Staatsregierung verspricht sich kürzere Dienstwege, eine einheitliche Anwendung des Asylrechts in ganz Bayern sowie schnellere Verfahren. Abgelehnte Asylbewerber sollen "zeitnäher und konsequenter" abgeschoben werden, sagte Herrmann. Er betonte aber auch: Die Integration, für die künftig sein Haus und nicht mehr das Sozialministerium zuständig ist, werde nicht vernachlässigt. Die Zahl der Verwaltungsrichter soll um weitere 50 aufgestockt werden. Zudem plant Söder eine bayerische Bundesratsinitiative gegen Mehrfach-Ehen, sie sollen nach einer Änderung des Einbürgerrechts annulliert werden.

Die Opposition quittierte Söders erste Amtshandlungen mit scharfer Kritik: SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher sah "gleich zwei Misstrauensvoten" Söders gegen Seehofer. Zuständig für Grenzschutz und Asyl sei der Bund, nicht Bayern. Es brauche "keinen neuen Wasserkopf mit einer neuen Behörde", sondern mehr Schleierfahndung. Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze warf der CSU vor, sie stehe "für ein Europa der Schlagbäume". Eva Gottstein (Freie Wähler) sagte: "Wir brauchen die Polizei bei den Menschen und nicht in der Verwaltung."

Söder sprach von zentralen Entscheidungen "nach einer spannenden Woche". Die Trennung von fünf Ministern sei auch für ihn nicht einfach gewesen. Oft flossen Tränen, als Helmut Brunner (Landwirtschaft), Beate Merk (Europa), Emilia Müller (Soziales), Ulrike Scharf (Umwelt) und Ludwig Spaenle (Bildung) nach insgesamt mehr als 50 Dienstjahren in ihren Häusern verabschiedet wurden. Und doch fielen bereits die nächsten Personalentscheidungen, nun auf Mitarbeiter-Ebene.

An der Spitze der Staatskanzlei bleibt wie erwartet Karolina Gernbauer, die bereits als Söders Amtschefin im Umweltministerium gearbeitet hatte. Gernbauer gilt als ausgesprochen sachkundig und loyal. Seehofer, der für sie den Posten der Staatsrätin geschaffen hat, hätte sie gerne nach Berlin mitgenommen, vergebens. Auch Seehofers Regierungssprecher Rainer Riedl bleibt als Chef der Pressestelle in seinem Amt, neu besetzt werden die Stellvertreterposten. Sprecherin des Ministerpräsidenten wird Tanja Sterian, sie stammt wie Söder aus Nürnberg und begleitet ihn seit Jahren in verschiedenen Funktionen, zuletzt im Heimatministerium. Für die Staatskanzlei spricht Carolin Mayr, sie kommt aus dem Finanzministerium.

Auch mit diesen Personalien sendet Söder ein Signal: Das Kabinett mit seinen Veränderungen soll nach außen Aufbruch verkörpern, Gernbauer und Riedl stehen für Stabilität nach innen. Söder wolle die Staatskanzlei noch mehr zur Ideenschmiede und zum Mittelpunkt des Regierungshandelns ausbauen - wie einst unter Edmund Stoiber, sagen Vertraute. Wie er seine erste Kabinettssitzung als Chef fand? "Wichtig war es, sie mit Leben zu erfüllen", sagte Söder: "Mir hat's gefallen."

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