Seehofer und die FDP:Der Lässige muss betteln

Weil seine Staatskanzlei Partei- und Staatsgeschäfte vermischte, hat CSU-Chef Seehofer jetzt ein handfestes Problem. Er muss mit der FDP ausgerechnet die Partei umgarnen, die er eben noch mit Lust vor den Kopf stieß.

Annette Ramelsberger

Horst Seehofer macht gerade eine ganz neue Erfahrung: Er muss um Gunst buhlen. Ausgerechnet der bayerische Ministerpräsident, der so gerne souverän und lässig wirkt, unangestrengt und überlegen. Doch lächeln und spotten hilft nicht mehr, Seehofer muss nun tun, was ihm zutiefst zuwider ist: den Gegner umschmeicheln. Ausgerechnet auch noch die FDP, deren jungen Bundesgesundheitsminister er wie einen dummen Jungen hat in München antanzen und dann abfahren lassen. Deren Bundesjustizministerin seine CSU gerade so heftig angeht, als wenn sie persönlich Schwerverbrecher freiließe. Es ist keine ganz bequeme Situation für den CSU-Chef.

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Guter Rat ist nun teuer: Horst Seehofer hat seinen bayerischen Koalitionspartner FDP ausgerechnet zu dem Zeitpunkt vor den Kopf gestoßen, an dem er ihn dringend bräuchte.

(Foto: dpa)

Die oppositionelle SPD hat Seehofers Staatskanzlei dabei erwischt, dass sie (wie zu alten Strauß-Zeiten) Partei- und Staatsgeschäfte fröhlich vermischt hat: In Umfragen, die mit Steuergeldern finanziert wurden, ließ die Regierung nach ihrer Resonanz bei den Wählern fragen. Und weil im Freistaat lange Regierung und CSU gleichgesetzt wurden, bekam die Staatskanzlei vom Umfrageinstitut gleich noch gute Ratschläge dazu, wie sie die FDP am besten attackieren kann - obwohl die FDP seit 2008 mit in der Regierung sitzt. Diese Umfragen hat die Staatskanzlei geheim gehalten, bis die SPD mit dem Verfassungsgericht drohte. Nun kann man lesen, dass es um handfeste Politikberatung ging und möglicherweise auch um verdeckte Parteienfinanzierung; der Bundestagspräsident überprüft die dubiose Angelegenheit bereits.

Der Feind in der eigenen Koalition

Wie ernst die Sache ist, zeigt schon die Reaktion von Seehofer. Er setzt Zuckerbrot und Peitsche ein; er umgarnt einerseits seinen Vize-Ministerpräsidenten Martin Zeil von der FDP, dass ohne ihn die Aufgaben in Bayern gar nicht zu schultern seien. Andererseits kritisiert er aber die FDP, weil die sich öffentlich über ihn beschwert hat und personelle Konsequenzen aus der Affäre fordert. Gleichzeitig errichtet Seehofer das höchste aller Hindernisse gegen den empörten Koalitionspartner: sich selbst. Er übernimmt die Verantwortung, er sagt, er würde alles wieder so machen. Das ist eine riskante Vorwärts-Verteidigung, vor allem für Seehofer selbst. Dass diese Strategie nicht schnell aufgeht, dafür sorgt schon die FDP; wenn nicht die pflegeleichte Ausgabe in München, dann die in Berlin. Für sie kommt es gelegen, dass der Feind in der eigenen Koalition nun auf ihr Entgegenkommen angewiesen ist. Guido Westerwelle müsste schon sein Wesen verändern, wenn er die Gelegenheit verstreichen ließe, Seehofer zappeln zu lassen. Und dennoch: FDP und CSU können nicht von einander lassen, in Bayern nicht und nicht im Bund.

Schwarz-Gelb hat in den Umfragen die Mehrheit verloren. Bei Neuwahlen würde die FDP vielleicht nicht mehr in den Bundestag und den Landtag kommen; und die CSU steht auch nicht gut da. Wie zwei Ertrinkende klammern sich die beiden Bundes-Kleinen deswegen aneinander. Statt gemeinsam zu schwimmen, tauchen sie sich gegenseitig unter.

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