Bayerisches Jugendherbergswerk:So wollen Bayerns Jugendherbergen endlich cool werden

Bayerisches Jugendherbergswerk: Das helle Treppenhaus ist der zentrale Aufenthaltsbereich der neuen Jugendherberge in Bayreuth. Dass es hier Wlan-Zugang gibt, macht den Treffpunkt noch attraktiver.

Das helle Treppenhaus ist der zentrale Aufenthaltsbereich der neuen Jugendherberge in Bayreuth. Dass es hier Wlan-Zugang gibt, macht den Treffpunkt noch attraktiver.

(Foto: Jugendherbergswerk Bayern)
  • 1,3 Millionen Übernachtungen zählten die 58 bayerischen Jugendherbergen im vergangenen Jahr.
  • Damit liegt die durchschnittliche Auslastung bei knapp 43 Prozent - zu wenig, wie der Verband findet.
  • Darum werden und wurden zahlreiche Häuser modernisiert, zudem wird mehr Wert auf das pädagogische Konzept gelegt.

Von Claudia Henzler, Bayreuth

Helle, knallige Farben, viel Holz, Sichtbeton, Steckdosen an jedem Bett. Ein Y-förmiger Grundriss mit einem großen Atrium in der Mitte, tribünenartigen Sitzstufen vor einem Flachbildschirm, viele Terrassen, die eine Verbindung zum Außengelände schaffen. Die neue Jugendherberge in Bayreuth, am Freitag offiziell eröffnet, präsentiert sich in modernem Look.

Es ist der erste eigene Neubau des bayerischen Jugendherbergswerks seit 15 Jahren. Hier ist in Reinform zu sehen, woran der Verband seit einigen Jahren kontinuierlich arbeitet: einem Imagewandel durch eine Architektur, die junge Leute ansprechen soll. Weg von der angestaubten Billigherberge hin zum Design-Hotel.

Was die Bayreuther Jugendherberge außerdem besonders macht, ist das Betriebskonzept, das von der Aktion Mensch mit einem einmaligen Zuschuss von 250 000 Euro gefördert wurde: Sie wird als Integrations-Jugendherberge geführt. Nicht nur Gäste mit einer Behinderung sollen sich hier wohlfühlen, auch von den 21 Mitarbeitern sind acht behindert. Es gibt zwar schon einige Jugendherbergen, die rollstuhlfreundlich umgebaut wurden.

In Bayreuth aber ist man darüber hinaus gegangen, etwa mit einem Farbleitsystem für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen oder einer induktiven Höranlage in Seminarräumen, die es Menschen mit Hörbehinderung erleichtern soll, Vorträgen zu folgen. Sie empfangen Inhalte direkt über das Hörgerät. Ein wenig Kritik gab es bei der Eröffnungsfeier aber auch: Irmgard Badura, Behinderten-Beauftragte der Staatsregierung und selbst mit eingeschränktem Sehvermögen, bezeichnete ein Gebäude in Y-Form für Menschen mit Sehbeeinträchtigung als nicht gerade optimal.

Davon abgesehen zeigten sich Verband, Freistaat und die Stadt Bayreuth sehr angetan von dem 10,5 Millionen Euro teuren Projekt, das dazu beitragen soll, die Idee der Jugendherbergen weiter aus der Krise zu führen und ihre Daseinsberechtigung neben Billighotels und anderen Gruppenunterkünften zu bestärken. 1,3 Millionen Übernachtungen zählten die bayerischen Jugendherbergen im vergangenen Jahr, die durchschnittliche Auslastung betrug knapp 43 Prozent. Ein Wert, mit dem der Verband nicht zufrieden sein könne, sagt Vorstand Winfried Nesensohn. Als gemeinnütziger Träger wolle man jedoch ein großes Netz an Standorten aufrechterhalten, nicht nur die stark besuchten an touristischen Hot-Spots. Trotzdem hat der Verband in den vergangenen Jahren einige Häuser geschlossen. 58 gibt es aktuell.

Konkurrenz zu Billighotels

Um die Auslastung zu verbessern, lässt der Verband die Jugendherbergen nach und nach modernisieren. Zuletzt waren Dinkelsbühl und Lindau dran. Davor bekamen Kreuth am Tegernsee und Saldenburg im Bayerischen Wald eine kleine Schönheitskur, Oberammergau und Lenggries eine größere. Das spektakulärste und mit 20 Millionen Euro teuerste Projekt der jüngsten Zeit war die Generalsanierung der Kaiserstallung auf dem Nürnberger Burgberg. 2013 wurde eröffnet, heute ist sie das besucherstärkste Haus in Bayern.

Neben flotten Sitzmöbeln in loungeartigen Gemeinschaftsräumen geht es dabei um moderne Tagungsräume und besseren Komfort in den Gästezimmern. Viele sind inzwischen mit eigener Dusche und WC ausgestattet. Zwar werden auch in Neubauten noch 20 bis 30 Prozent als Sechs-Bett-Zimmer geplant und es gibt weiterhin Stockbetten, doch die kommen oft als trendige Schlafkojen daher und werden ergänzt durch Einzelbetten, die man zum Doppelbett zusammenschieben kann.

Der Bildungsauftrag steht im Vordergrund

Auch nach Bayreuth ist nicht Schluss. Aktuell wird in Burghausen umgebaut, weitere Projekte in Würzburg und München-Neuhausen sind geplant. Möglich ist das nur durch öffentliche Zuschüsse. Die laufenden Kosten erwirtschaften die Häuser laut Nesensohn selbst, bei den Investitionen greift dem Herbergswerk aber der Freistaat mit jährlich 1,4 Millionen Euro unter die Arme. An vielen Standorten engagieren sich außerdem die Kommunen - etwa in Bad Tölz, wo die Gemeinde 2008 den kompletten Neubau zur Verfügung stellte. 16 Jugendherbergen gehören nicht dem Verband an, auch in Burghausen ist die Stadt Eigentümerin und Bauherrin. Das neue Haus in Bayreuth steht auf stadteigenem Grund und wurde mit 1,2 Millionen Euro aus dem städtischen Haushalt gefördert.

Um zu rechtfertigen, dass ein gemeinnütziger Anbieter, unterstützt durch öffentliche Zuschüsse, auf dem Herbergsmarkt konkurriert, hat das Jugendherbergswerk seinen Bildungsauftrag in den Vordergrund gestellt. Das fängt mit dem architektonisch sichtbaren Selbstverständnis an, das Gemeinschaftserlebnis zu fördern. Hinzu kommt ein immer größer werdendes pädagogisches Angebot. In einigen Häusern gibt es dafür eigene Mitarbeiter, in anderen arbeitet man mit lokalen Bildungsträgern zusammen.

Rucksackreisende spielen nur in den Großstädten eine Rolle, Hauptzielgruppe sind Schulklassen, gefolgt von Vereinen und Familien. Um Grundschulklassen werben maßgeschneiderte Wochenprogramme, die sich am Lehrplan orientieren. Auch bei Abschlussfahrten für Ältere können sich Lehrer von den Jugendherbergen ein Ausflugs- und Besichtigungspaket zusammenstellen lassen. Um Familien bemüht man sich mit Windeleimern, Hochstühlen und eigenen Aufenthaltsräumen. In Bayreuth gibt es dort sogar ein Bällebad.

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