Bayerischer Landtag nach der Wahl:"Der Antrag ist abgelehnt"

Landtag Bayern - Gottesdienst der Abgeordneten

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und die wiedergewählte Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) vor der ersten Sitzung des Landtags.

(Foto: dpa)

Die CSU hat wieder die absolute Mehrheit im Bayerischen Landtag - und obwohl Ministerpräsident Seehofer Bescheidenheit verspricht, bekommt die Opposition gleich am ersten Tag der neuen Legislaturperiode ihre Machtlosigkeit zu spüren.

Von Frank Müller und Mike Szymanski

Man fühlt und spürt die absolute Mehrheit nicht nur, man kann sie auch sehen. Als die neugewählten Abgeordneten am Montagnachmittag in den Plenarsaal strömen, ist die rechte Seite des Hohen Hauses nicht groß genug, um alle CSU-Parlamentarier aufzunehmen. Zwei von ihnen, Eberhard Rotter und Johannes Hintersberger, müssen in den Oppositionsblock. Regierungschef Horst Seehofer sitzt da, wo noch vor wenigen Wochen FDP-Fraktionschef Thomas Hacker saß. Doch eine FDP-Fraktion gibt es nicht mehr. Die Mehrheit ist absolut.

Hier steht schon mal der absolute Herrscher: Horst Seehofer. Jetzt auch offiziell Abgeordneter des Landtags und nicht mehr nur Gast. Er sagt über den neuen Einfluss der CSU: "Ein schönes Gefühl, dass man das erreicht hat." Und er verspricht, "verantwortungsvoll" damit umzugehen. Das sagt er schon am Vormittag, lange vor Sitzungsbeginn, lange auch, bevor er und seine Parteikollegen in der Predigt klare Sätze zu hören bekommen: Bei dem ökumenischen Gottesdienst im Münchner Dom mahnen Bambergs Erzbischof Ludwig Schick und der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm zur Demut. Bedford-Strohm stellt einen klaren Bezug zur CSU-Machtfülle her. In Zeiten absoluter Mehrheiten sei Demut "die vielleicht wichtigste politische Tugend", sagt er und äußert sich skeptisch zum bayerischen Motto "Mia san mia". Das hatte auch Seehofer im Bierzelt gebraucht. Seit dem Wahlsieg allerdings betont auch Seehofer ohne Unterlass, wie wichtig doch Demut sei. "Opposition muss auch noch stattfinden", meint er noch.

Doch die kann sich zum Auftakt gleich einmal mit ihrer ersten Niederlage auf die neue Zeit einstimmen. Wochenlang hatte SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) scharf für ihr Krisenmanagement bei der Aufarbeitung der Verwandtenaffäre angegriffen. Ihren Verbleib an der Spitze des Landtags hatte er mehrmals infrage gestellt. Und dennoch: An diesem ersten Tag der neuen Legislaturperiode wählt die SPD Stamm als Präsidentin mit. Als "Zeichen des guten Willens" will Rinderspacher das nun verstanden wissen. "Damit ist der Kas gebissen."

153 Stimmen für Stamm

Stamm bekommt nur 153 der 180 Stimmen, 27 Abgeordnete wollen sie nicht. Sie versteht das Signal. Als sie sich für das Vertrauen bedankt, sagt sie: "Ich weiß, dass es in diesen Stunden nicht unbedingt selbstverständlich ist." Ihr schon bisheriger erster Stellvertreter Reinhold Bocklet (CSU) erhält 128 Stimmen, außerdem werden gewählt: Inge Aures (SPD, 111), Peter Meyer (FW, 153) und Ulrike Gote (Grüne, 121).

Wie stark die Opposition schon resigniert hat, bevor die Amtsperiode überhaupt anfängt, zeigt der traditionelle Auftritt des Alterspräsidenten zu Beginn. Der ist diesmal der 74 Jahre alte SPD-Mann Peter Paul Gantzer. Er muss die ersten Abstimmungen organisieren, darunter über einen Antrag, mit dem die SPD erreichen will, dass die CSU nicht auch noch den ersten Stellvertreter Stamms stellen darf. In seinem Redemanuskript steht schon vor Sitzungsbeginn der Satz: "Der Antrag ist abgelehnt." Genau so kommt es natürlich.

Ins Zentrum seiner Eröffnungsrede stellt Gantzer Angriffe auf die Medien. "Rudeljournalismus" und "Überfalljournalismus" würden immer stärker, beklagt er. "Es kann aber nicht sein, dass Journalisten unter Vortäuschung falscher Tatsachen Interviews von Politikern erschleichen, um ihnen das Wort im Mund herumzudrehen", beklagt er, ohne Beispiele zu nennen.

Margarete Bause, die wiedergewählte Grünen-Fraktionschefin, denkt in der Zwischenzeit auch an Berlin. Entweder für die SPD oder auch für die Grünen werde es interessant, wenn sie in Berlin in der Regierung und in München in der Opposition säßen. Solche Gedanken sind Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger relativ egal. Er bleibt im Bund und in Bayern fern der Macht. Da sei ihm ein klarer Gegensatz zur CSU noch lieber als zuletzt die schwarz-gelbe Koalition, sagt er. Von der FDP lässt sich keiner im Plenarsaal blicken, auch nicht auf der Zuschauertribüne. Draußen, an einer Ecke, steht traurig die Ex-FDP-Abgeordnete Renate Will und packt zusammen. Sie frotzelt mit einem CSU-Mann herum, wie gerne sie den Koalitionspartner noch weiter geärgert hätte.

In der CSU hält sich mit solchen Gedanken keiner mehr auf. Die Abgeordneten interessiert vor allem eine Frage: Wer wird denn nun was? Seehofer will das Geheimnis seiner Kabinettsliste erst am Mittwoch in der Fraktion lüften. Bislang gelingt es ihm, dass nur wenige Details publik werden - in der sonst stets gerne vor sich hin plaudernden CSU. Das erstaunt sogar altgediente Abgeordnete wie Fraktionsvize Karl Freller. Die wenigen, die etwas wissen, schweigen - wohl auch, weil sie fürchten, dass Seehofer falsche Fährten legen könnte. Also unterschiedliche Informationen an Parteifreunde geben, um die Quelle enttarnen zu können, wenn am Ende doch etwas in der Zeitung steht.

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