Bayerischer Gesundheits- und Pflegepreis:Nachahmer ausdrücklich erwünscht

Gesundheitsministerin Melanie Huml verleiht erstmals den Bayerischen Gesundheits- und Pflegepreis. Die drei ausgezeichneten Projekte zeigen, dass gute medizinische Versorgung für jedermann möglich sein kann

Von Dietrich Mittler

Ein besseres Timing hätte es für Matthias Keller, den Ärztlichen Direktor der Kinderklinik Dritter Orden in Passau, gar nicht geben können: Am Dienstag verlieh Gesundheitsministerin Melanie Huml in der Münchner Residenz erstmals den mit 5000 Euro dotierten Bayerischen Gesundheits- und Pflegepreis. Und an genau diesem Dienstag wurde auch der "Internationale Tag der Frühgeborenen" begangen. "Passt", dachte sich Keller. Seine Passauer Kinderklinik wird für ein Frühchen-Projekt ausgezeichnet, das schon vor der Geburt eine innige Eltern-Kind-Beziehung aufbauen und danach weiter festigen soll. Keller, dessen Team den Preis in Empfang nahm, ging es dabei - so wie den anderen Gewinnern auch - weniger ums Preisgeld, als darum, dass "unsere Idee transportiert wird und Nachahmer findet".

Genau das ist auch das erklärte Ziel von Melanie Huml: "Die Preisverleihung soll die Projekte in Bayern und darüber hinaus bekannt machen", sagte sie. Nachmachen sei nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht. Der Straubinger Zahnarzt Ernst Binner würde das sofort unterschreiben. In Kooperation mit dem Bayerischen Roten Kreuz (BRK) macht er regelmäßig mit einem vom BRK-Kreisverband Straubing-Bogen bereitgestellten Rettungswagen vor einem Altenheim Halt und versorgt dort im Wagen die bettlägerigen Menschen.

Der Dritte im Bunde der Preisträger ist das Münchner Projekt "open.med" - eine Praxis, die notleidende Menschen behandelt, die nicht krankenversichert sind. Insgesamt hatten sich 163 Projekte beworben. "Jedes davon hätte einen Preis verdient", sagte Huml, und deshalb würden auch alle in einer kleinen Broschüre vorgestellt. "Sie dürfen stolz sein, in dieser Liste ,Best of Bavaria im Bereich Gesundheit und Pflege' enthalten zu sein", betonte die Ministerin in ihrer Ansprache. Was nun die drei Prämierten eint: "Sie zeigen eine ganze Palette guter Ideen, wie alle Menschen in Bayern eine optimale medizinische Versorgung erhalten können."

Dieser Satz gilt insbesondere für den Einsatz der gut 40 Ehrenamtlichen - Ärzte, Medizinstudenten, Dolmetscher, Empfangskräfte -, die sich in der seit 2006 bestehenden open.med-Praxis engagieren. Wie die Ärztin Suzanne Bruins als Mitglied der Organisation "Ärzte der Welt" erzählt, sollte das Projekt anfangs Menschen dienen, die in München ohne Aufenthaltsstatus leben. "Das hat sich mit der Zeit sehr verändert", sagt sie. Heute füllen das Wartezimmer vielfach auch Obdachlose. Oder Münchner Bürger, die durch Schulden bei ihrer Krankenkasse aus dem Netz fielen. "Viele von ihnen haben es oft versucht, zum Arzt zu gehen, und ihnen wurde die Hilfe verweigert", sagt Bruins. Aktuell kommen 70 Prozent der Patienten aus Bulgarien und Rumänien, oft genug darunter Familienväter, die sich für einen Hungerlohn als Tagelöhner durchschlagen müssen. Die hohe Anzahl der Hilfesuchenden bei "open.med" ist der Ministerin Melanie Huml nicht entgangen. "Die steigende Nachfrage zeigt, dass hier auch in einem reichen Land wie dem unseren großer Bedarf besteht", sagte sie.

Die Patienten von Ernst Binner indes haben zwar alle ihre Gesundheitskarte, aber als Pflegepatienten nicht die Möglichkeit, mit ihren Beschwerden zum Zahnarzt zu kommen - zumal etliche von ihnen auch dement sind. Bei einem gemeinsamen Einsatz mit anderen ehrenamtlichen Helfern des BRK kam Binner die Idee: Warum denn nicht alles Material - Bohrer inklusive - in einen Koffer packen, in einen Rettungswagen einladen, zum Altenheim fahren und loslegen. Loslegen heißt in dem Fall: Solche Dinge wie EKG, Sauerstoffgerät und ähnliches aus dem Rettungswagen rausräumen und dann die mobile Zahnarztpraxis einrichten. "Dauert maximal eine halbe Stunde", sagt Binner. Danach holt dann ein begleitender Rettungssanitäter die alten Leute auf der Station ab und bringt sie zum Parkplatz vor dem Heim. Oft macht Binner dann eine Erfahrung, von der wohl nur wenige Zahnärzte in Bayern berichten können: "Die alten Leute freuen sich richtig auf mich. Das ist wie Familienbesuch."

Familie, das ist das Stichwort für den Passauer Chefarzt Matthias Keller. Er hat seinem Projekt "NeoPAss" den programmatischen Untertitel "Bestens versorgt von Anfang an" gegeben. "Wir integrieren die Eltern von Beginn an in den Behandlungsprozess der Frühgeborenen", sagt er. Schwangere Frauen und ihre Partner, die plötzlich erfahren, dass sie mit einer Frühgeburt rechnen müssen, würden häufig durch diese Nachricht "auf einmal in extreme Unsicherheit" gestürzt. Das führe nicht selten zu einer gestörten Eltern-Kind-Bindung. Hier genau setzen die Passauer an - und dazu gehört auch, dass sie das Frühchen gleich nach der Geburt auf den Bauch der Mutter legen. "Anders als früher befürchtet, wachsen diese Kinder nachweislich gesünder auf als völlig steril versorgte Frühchen", sagt Keller. "Auf dem Bauch der Mutter bekommen sie die guten Keime übertragen, die ihnen helfen."

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